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"Islamischer Staat"
Gewalt gegen eigene Gefolgschaft?

Der selbst ernannte "Islamische Staat" hat in den vergangenen Monaten Widersacher gefoltert oder öffentlich hingerichtet. Jetzt aber soll der IS auch Gefolgsleute hingerichtet haben - womöglich aus Angst, dass Rückkehrer in der Heimat von ihren desillusionierenden Erfahrungen berichten.

Von Jürgen Stryjak, Kairo | 21.12.2014
    Mutmaßliche Kämpfer des Islamischen Staates hissen die Flagge der Miliz auf einem Hügel bei Kobane in Syrien.
    Wenn die jüngsten Berichte stimmen, dann hat der IS jetzt auch Gefolgsleute aus den eigenen Reihen hingerichtet. (AFP / Aris Messinis)
    Der Mann, den IS-Kämpfer hier im nordsyrischen Aleppo auf der Ladefläche eines Lieferwagens präsentieren, wird beschuldigt, einer der Shabiha-Milizen anzugehören, die an der Seite von Staatschef Assad kämpfen. Der Mann ist an ein Holzkreuz gefesselt. Das Video von seiner Zurschaustellung tauchte auf IS-Webseiten auf. Sein Wahrheitsgehalt kann nicht unabhängig überprüft werden. Der Mann wird öffentlich hingerichtet, vor mehreren hundert Schaulustigen.
    In den vergangenen Monaten haben die Terroristen in den von ihnen kontrollierten Gebieten regelmäßig Widersacher öffentlich gefoltert oder exekutiert.
    Wenn die jüngsten Berichte stimmen, dann hat der IS jetzt allerdings auch Gefolgsleute aus den eigenen Reihen hingerichtet. Das berichteten Aktivisten, die sich vor Ort aufhalten, der Nachrichtenagentur dpa. Demnach habe der IS im syrischen Al-Raqqa, der Hauptstadt seines sogenannten Kalifats, mindestens 100 Abtrünnige ermordet, unter ihnen viele Dschihadisten aus dem Westen. Sie sollen versucht haben, in ihre Heimatländer zurückzukehren. Womöglich hat der IS kein Interesse daran, dass sie in der Heimat von ihren desillusionierenden, zum Teil traumatisierenden Erfahrungen berichten.
    Bestrafung für die Niederlage von Sindschar
    Mehrere hundert IS-Kämpfer stünden den Berichten zufolge unter strenger Beobachtung einer Art Gesinnungspolizei. Auch in Mossul im Nordirak sollen 45 IS-Kämpfer von Glaubensgenossen hingerichtet worden sein. Die Dschihadisten seien für die Niederlage im Kampf um die Stadt Sindschar bestraft worden, berichteten Augenzeugen der Deutschen Presse-Agentur.
    Das Sindschar-Hochplateau im Nordirak wurde in den vergangenen Tagen von kurdischen Kämpfern zurückerobert. Dabei konnten mindestens 9.000 Angehörige der religiösen Minderheit der Jesiden befreit werden. Sie waren monatelang von den IS-Terroristen umzingelt. Euphorisch begrüßen die noch am Ort Verbliebenen die kurdischen Kämpfer als Befreier.
    Die IS-Terroristen seien von 95 Prozent der Fläche des Gebietes vertrieben worden, erklärt der Jeside Ali Beg:
    "Gott sei Dank gelang es den Peshmerga-Truppen zusammen mit den kurdischen Volksschutzeinheiten und mit jesidischen Kämpfern, die Extremisten zu vertreiben. Nur noch wenige von ihnen haben als Scharfschützen auf Anhöhen Stellung bezogen."
    Kampfansage der Kurden
    Massoud Barzani, der Präsident der irakischen Autonomieregion Kurdistan, besuchte heute die Bergregion:
    "Es ist uns gelungen, das gesamte Gebiet zu befreien, einschließlich des Ortes Sindschar – obwohl wir das so noch gar nicht geplant hatten. Wir werden nicht einen einzigen IS-Kämpfer in den Gebieten, die wir erreichen können, unbehelligt lassen. Wir werden ihnen eine Lehre erteilen."