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Islamkritik
Archäologie des religiösen Fanatismus

Der Islam trage faschistoide Züge, und die seien in dessen Geschichte begründet. Diese These vertritt der deutsch-ägyptische Politikwissenschaftler Hamed Abdel-Samad in seinem neuen Buch "Der islamische Faschismus". Herausgekommen ist eine Gegenüberstellung von Ideologien und Geisteshaltungen.

Von Bastian Wierzioch | 31.03.2014
    Zum Interview kommt Hamed Abdel-Samad zusammen mit drei Polizisten. Der Personenschutz ist notwendig. Kritiker haben gedroht, ihn umzubringen. Auslöser war ein Vortrag, den er im vergangenen Juni in Kairo gehalten hat. Das Thema: religiöser Faschismus in Ägypten. Kurz darauf rief ein Professor der Kairoer Al-Azhar Universität live im Fernsehen dazu auf, den Buchautor zu töten. Eine Mord-Fatwa. Abdel-Samad zählt zu den Islamkritikern, die von Islamisten weltweit am meisten gehasst werden. Auch sein neues Buch dürfte dem Politikwissenschaftler viel Hass einbringen. Er vergleicht darin faschistische Regime des vergangenen Jahrhunderts mit heutigen islamistischen Bewegungen. Seine Diagnose:
    "Faschismus ist eine politische Religion, die einen charismatischen Führer in der Mitte hat. Faschismus verachtet die Feinde dermaßen, dass man sie entmenschlicht und Massenvernichtung duldet. Das ist bei beiden Bewegungen vorhanden. Faschismus als Ideologie ist ein Wegbereiter für Gewalt. Faschismus teilt die Welt in Gut und Böse. Das tut der Islamismus auch. Der Faschismus geht von der Auserwähltheit seiner Gruppe aus. Das tut der Islamismus auch. Der Faschismus will die Welt beherrschen, und das will der Islamismus auch. Das ist Faschismus islamischer Prägung."
    Abdel-Samad sieht zahlreiche Gemeinsamkeiten zwischen den faschistischen Regimen Deutschlands und Italiens im 20. Jahrhundert und heutigen islamisch geprägten Regierungen und islamistischen Gruppen. Etwa den Kampf gegen die Moderne, die Aufklärung und die Juden, außerdem die Glorifizierung des Militärs. Autorität statt Freiheit, Gemeinschaft statt Individuum. Es sind heikle Thesen, die der Politikwissenschaftler vertritt. Und es ist ihm klar, dass jeglicher Vergleich mit dem Nationalsozialismus schwierig ist – insbesondere für ein deutsches Publikum.
    "Vergleichen bedeutet nicht automatisch gleichsetzen. Die zwei verspäteten Nationen Italien und Deutschland hatten andere Voraussetzungen. Der Islamismus ist auch eine verspätete Bewegung, kann auch mit dem Nationalismus verglichen werden, hat auch versucht diese Rolle, die der Nationalismus in Europa gespielt hat, zu spielen als Identitätsstifter für die Völker."
    Es hilft seinem Buch, dass es Abdel-Samads darin weniger um den Vergleich historischer Fakten geht als um die Gegenüberstellung von Ideologien und Geisteshaltungen. Was also haben Faschismus und Islamismus seiner Ansicht nach gemeinsam?
    "Die Parallele beginnt für mich mit der Spannung zwischen den eigenen Realitäten und der Weltrealität. Das war in Italien und Deutschland sehr deutlich. Dass man eigentlich eine Niederlage erlebt hat und gleichzeitig sich gewünscht hat, die Welt zu beherrschen. Der Islamismus nach dem Sturz des Osmanischen Reiches war genau in der gleichen Krise. Man erlebte eine Demütigung, eine Erniedrigung, eine Niederlage und wünschte sich eine Metamorphose, eine Wiedergeburt der islamischen Nation, Umma, Kalifat und hat diese Ideologie Islamismus benutzt, um diesen Wiederaufbau zu erreichen."
    Verschiedene Länder als Beispiele
    Um seine Thesen zu belegen, hat der Politikwissenschaftler religiös geprägte Regierungen in Ländern wie Ägypten, Tunesien oder dem Iran untersucht.
    "Der Iran ist das erste muslimische Land, das den modernen islamischen Faschismus als Staatsdoktrin durchgesetzt hat. Seit über 35 Jahren dienen die faschistoiden Züge des Islamismus als Eckpfeiler der islamischen Republik: Hinrichtung von Regimegegnern, totale Überwachung der Bürger, und aggressiver Antisemitismus."
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    Auch die Unterdrückung von Frauen und Minderheiten ist für den Autor ein Merkmal. (dpa/picture-alliance/epa Taherkenareh)
    Daneben dienen dem Politikwissenschaftler islamistische Gruppen als Vergleichsbeispiele. Die palästinensische radikal-islamische Hamas, die ägyptische Muslimbruderschaft oder die libanesische Hisbollah.
    "Kaum eine Bewegung hat die Grundzüge des Faschismus so eins zu eins kopiert und in die Tat umgesetzt wie die Hisbollah: Der Antisemitismus ist Leitmotiv, es gibt die bewaffnete Schwarzhemden-Miliz, es gilt der unbedingte Gehorsam und die Gefolgschaft zum Führer, Kampfbereitschaft und Tod werden verherrlicht."
    In seiner Analyse geht der Islamkritiker allerdings noch weiter. Denn er sieht die eigentlichen Wurzeln des aggressiven Islamismus im Ur-Islam in dessen Jahrhunderte alter Lehre und Geschichte. Aus dem Koran und dem Beispiel Mohamed beziehe der heutige – Zitat – "Islamofaschismus" seine eigentliche Sprengkraft.
    "Es waren nicht die Islamisten, die den Dschihad-Prinzip erfunden haben. Das war der Islam. Es waren nicht die Islamisten, die damit angefangen haben, die Welt in Gläubige und Ungläubige aufzuteilen. Das war der Islam. Islamisten haben nicht den Machtanspruch des Islam erfunden, sondern das ist im Koran verankert."
    Keine Probleme mit der spirituellen und sozialen Seite
    Als Beleg dafür erzählt der Autor zahlreiche Geschichten aus dem Koran, in denen Mohamed die Stadt Medina von Juden und Christen säubern lässt oder Milizen aufstellt, die Oppositionelle töten. Leider lässt der Autor seine Leser streckenweise darüber im Unklaren, ob er nun den Islam insgesamt als faschistisch ansieht oder der Weltreligion nur faschistische Züge attestiert. Im Interview aber betont er, dass er die juristische und politische Seite der Religion als faschistisch betrachte, während er mit den spirituellen und sozialen Facetten des Islams keine Probleme habe.
    "Das ist die letzte Hoffnung für den Islam, dass er klar zwischen der politisch-juristischen Seite und der spirituellen und der sozialen Seite unterscheidet. Die juristisch-politische Seite baut eine geistige Mauer zwischen Muslimen und dem Rest der Welt. Wenn Muslime ihre Religion friedlich ausleben können, dann sollten sie sich von dieser juristisch-politischen Seite trennen, damit sie im 21. Jahrhundert endlich ankommen."
    Wie seine bisherigen Veröffentlichungen ist auch das neue Buch von Hamed Abdel-Samad eine sachliche Analyse und keine Anklageschrift. Der Politikwissenschaftler schreibt und argumentiert ohne Zorn und Eifer in einem unaufgeregten Ton – völlig frei von Häme, Verachtung oder Polemik. Und so lohnt sich auch die Lektüre dieses Buches, weil es dabei hilft, die Motivation religiöser Fanatiker besser zu verstehen.
    Hamed Abdel-Samad: "Der islamische Faschismus. Eine Analyse".
    Verlag Droemer, 221 Seiten, 18,00 Euro.