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Islamvertrag in Hamburg
Opposition fordert Auflösung

Vor knapp fünf Jahren unterzeichnete Hamburg als erstes Bundesland einen Staatsvertrag mit Muslimen, der den Gläubigen mehr Rechte einräumen sollte. Muslime in ganz Deutschland feierten diesen historischen Tag. Doch jetzt sorgt dieser Vertrag für große Diskussionen in der Hamburger Bürgerschaft. CDU, FDP und AfD fordern eine Auflösung des Vertrages.

Von Axel Schröder |
    Abgeordnete verfolgen am 02.03.2016 eine Rede in der Bürgerschaft im Rathaus in Hamburg. Die Bürgerschaft befasst sich heute unter anderem mit der Flüchtlingspolitik und dem Schlick im Hamburger Hafen. Foto: Daniel Reinhardt/dpa (ACHTUNG: Aufnahme mit dem Objektiv «Fischauge»)
    In der Hamburger Bürgerschaft wird derzeit der Islamvertrag diskutiert. (Daniel Reinhardt)
    Ein Muslim schlägt dem Weihnachtsmann die Faust ins Gesicht. Diese Zeichnung verbreitet der vom türkischen Religionsministerium geführte DITIB-Verband auf seiner Internetseite. Gleichzeitig wird dort gläubigen Muslimen geraten, nicht Silvester zu feiern. Und wenn dann noch Hamburger Muslime auf den für ihre israelfeindlichen Kudz-Demonstration in Berlin mitmarschieren, dann müsse gehandelt werden, erklärt Jörn Kruse von der AfD in der Bürgerschaft der Hansestadt:
    "Jetzt konkret zum Staatsvertrag: Die Artikel 3-10, also die aller meisten handeln von diversen Rechten, die den muslimischen Verbänden zugestanden werden. OK. Frage also: Was bekommt die Freie und Hansestadt Hamburg dafür als Gegenleistung. Antwort: hohle Phrasen ohne glaubwürdigen Inhalt!"
    Auch CDU und FDP gehen davon aus, dass zwar nicht alle, aber doch einige muslimische Verbände die Vereinbarungen des Vertrags nicht einhalten, zum Beispiel das Bekenntnis zur "Völkerverständigung und der Toleranz gegenüber anderen Kulturen, Religionen und Weltanschauungen".
    André Trepoll, Fraktionschef der CDU: "Die Hoffnung, die wir auch hatten, dass sie dichter an unsere Gesellschaft rücken, die sind nicht eingetreten. In Wahrheit haben sie sich von uns entfernt."
    Bisher keine Erkenntnisse zu Bespitzelungen
    Und deshalb sollte schnell geprüft werden, wie der Staatsvertrag gekündigt werden kann. Genau dagegen wendet sich Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz. Der Vertrag sei ja gerade dafür geschlossen worden, um in schwierigen Zeiten eine Grundlage zu haben, an die sich alle Vertragspartner halten müssen:
    "Hasspredigten dürfen nicht akzeptiert werden und was gesagt wird und gegen das Strafgesetzbuch verstößt, das ist auch Sache für Strafverfolgungsbehörden. Bespitzelungen verstoßen gegen die Gesetze. Das ist eine Frage für unsere Nachrichtendienste und Sicherheitsbehörden und sie werden kümmern!"
    Aber bislang gibt es keine Erkenntnisse, so Olaf Scholz. Bislang gibt es keine Berichte über Bespitzelungen im Auftrag des türkischen Geheimdienstes bei der DITIB-Nord. Eine Kündigung des Staatsvertrags lehnt auch Stefanie von Berg von den Grünen ab. Die Bildungspolitikerin verweist darauf, dass es durch den Vertrag erst möglich wurde, dass die muslimischen Verbände eben gerade keinen eigenen und rein islamischen Religionsunterricht anbieten, sondern am so genannten "Religionsunterricht für alle" teilnehmen.
    Konzept für Religionsunterricht in Gefahr
    An Hamburgs Schulen wird das Fach von evangelischen Religionslehrern unterrichtet, die vermittelten Inhalte werden aber von Christen, Muslimen, Juden, Buddhisten und Hindus zusammen entwickelt. Und dieses Konzept wäre nach einer Kündigung der Verträge in Gefahr:
    "Was passieren könnte, wäre, dass DITIB-Nord als Religionsgemeinschaft - die sind ja laut zwei unterschiedlichen Gutachten als Religionsgemeinschaften anerkannt - dass DITIB-Nord auf dem grundgesetzlichen Recht bestehen könnte, einen eigenen Religionsunterricht einzufordern und auch anzubieten."
    AfD-Fraktion fordert Auflösung
    Bernd Baumann, Fraktionschef der AfD in der Hamburgischen Bürgerschaft sieht das anders: "Die Idee mag ja gut gewesen sein. Aber spätestens mit den Veränderungen in der Türkei und auch die Art und Weise, wie da Religion eingesetzt wird, auch wie das international gestreut wird, besonders in Deutschland, da muss man auch in der Lage sein, Ideen, die man mal hatte, auch wenn sie gut geklungen haben, zu revidieren. Und spätestens jetzt ist der Zeitpunkt dafür."
    Dass es bisher keine Erkenntnisse zu Bespitzelungen in der DITIB-Nord gebe, sei angesichts der Abhängigkeit vom türkischen Religionsministerium unerheblich, so Bernd Baumann:
    "Dann muss man nicht jeden Einzelverband sozusagen untersuchen, dann muss man gucken, wie der Gesamtverband sich da positioniert und daraus dann seine Schlüsse ziehen!"
    Hamburger Iman verteidigt Staatsvertrag
    Die Debatte über den Staatsvertrag wird mittlerweile auch innerhalb der muslimischen Gemeinschaft der Hansestadt geführt. Und für den Leiter des Islamischen Zentrums, Imam Reza Ramezani steht fest:
    "Wir Imame haben die Pflicht, jegliche Formen von Bespitzelungen, jedes Verhalten gegen das Grundgesetz eines Landes, abzulehnen. Und auch aus religiöser Sicht sind diese Bespitzelungen nicht zu vertreten!"
    Der Imam verteidigt den umstrittenen Staatsvertrag zwischen Muslimen und der Stadt Hamburgs. Dessen einseitige Kündigung rechtlich kaum umsetzbar ist: eine Ausstiegsklausel ist im Vertrag nicht enthalten.