Der Winter in Israel ist regnerisch. Mit dem Gewittersturm der vergangenen Tage ist es auch kalt geworden. In der Negev-Wüste, an der Grenze zu Ägypten, gab es Graupelschauer. Dort, im Internierungslager Holot frieren die Menschen, klagt Jack Admisser im israelischen Radio:
"Es ist schwierig geworden: Die Baracken haben ja Metallwände, es ist sehr kalt da drin. Es gibt keine Heizlüfter und überhaupt ist alles ziemlich chaotisch. Das macht mir wirklich Sorgen: Einige von uns schaffen es nicht mehr, in den Speisesaal zu gehen."
Jack ist einer der 2300 Flüchtlinge in Holot. Er ist vor sechs Jahren aus Afrika auf dem Landweg nach Israel geflohen. Er hat Hebräisch gelernt, wie viele der Flüchtlinge aus Eritrea und dem Sudan. Aber vor einem Jahr bekam er die Aufforderung, er müsse sich im Internierungslager Holot melden, rund 40 Kilometer vom letzten Ort entfernt. Die Situation dort hält Rotem Ilan von der israelischen Menschenrechtsorganisation Acri gerade jetzt für menschenunwürdig.
"Sie haben keinerlei Heizung. Und wer einen eigenen Heizlüfter ins Lager gebracht hat, dem wurde er abgenommen. Deshalb haben wir jetzt offiziell Beschwerde eingelegt. Die verantwortlichen Behörden wollen sich kümmern, aber das dauert. Wir haben verlangt, dass die Flüchtlinge vorübergehend freigelassen werden - ohne Erfolg."
Zweimal schon hat Israels Oberster Gerichtshof das Gesetz zur Internierung der Flüchtlinge in der Wüste für verfassungswidrig erklärt. Genauso unzulässig sei es, sagen die Richter, mit dem Lager weitere Flüchtlinge abzuschrecken.
Angst vor dem Lager
In Holot sind vor allem diejenigen, die schon vor sechs, sieben Jahren gekommen sind, die den später Geflohenen helfen konnten, sich zurechtzufinden in Israel. Diese Anführer fehlen den anderen jetzt, klagt Rotem Ilan. Wer noch nicht in Holot ist, sondern etwa im Süden von Tel Aviv, der lebt jetzt in Angst, demnächst auch ins Lager geschickt zu werden.
Die Menschenrechtler von Acri suchen jetzt die Öffentlichkeit, haben eine Online-Kampagne gestartet: Stimmen aus Holot. Zitate wie das von Mohammed aus Darfur verbreiten sich inzwischen unter dem Hashtag #HolotVoices: "Wir sind schwarz, und trotzdem sind wir für die Israelis fast unsichtbar."
Das beschreibe die Situation wohl am besten, sagt Rotem Ilan. Mit ihrer Kampagne stellt sie sich einer Fremdenfeindlichkeit entgegen, die auch aus der Likud-Partei von Ministerpräsident Netanjahu geschürt wird. Die Parlamentsabgeordnete Miri Regev sagte schon vor drei Jahren vor aufgebrachten Bewohnern im Süden Tel Avivs:
"Die Sudanesen sind das Krebsgeschwür in uns. Wir müssen unsere Töchter beschützen, unsere Frauen, unsere Jobs."
Das ist die Stimmung, unter deren Eindruck Hassan aus dem Sudan sagt: "Ich wollte ja gar nicht unbedingt nach Israel. Ich wollte nur überleben."
In Holot ist Hassan einer der wenigen, der sich aufrafft und das Lager jeden Tag verlässt. Er muss seinen Fingerabdruck scannen lassen, um raus- oder reinzukommen. Hassan sagt, es sei nichts anderes als ein Gefängnis. Vor dem Tor trifft er andere Flüchtlinge. Einige verkaufen dort Lebensmittel und Telefonkarten. Der junge Mann versucht, Kontakt in seine Heimat zu halten, in die Bürgerkriegsregion Darfur.
"Ich habe meine Mutter verloren und 16 nahe Verwandte. Ich war direkt bedroht, sie wollten mich in die Armee einziehen. Ich hätte auf meine eigenen Leute schießen müssen. Wer sich weigert, kommt in Haft, dessen Familie wird verfolgt. Durch meine Flucht habe ich wenigstens den Rest meiner Familie gerettet."
Flüge nach Uganda oder Ruanda
Hassan weiß nicht, wie lange er noch in dem Lager in der Wüste bleiben muss, ohne Arbeit, ohne jede Beschäftigung, ohne Perspektive. Auch sein Asylantrag wird überhaupt nicht bearbeitet. Die israelischen Behörden erkennen immerhin an, dass eine Abschiebung für viele Gefängnis oder Tod bedeuten würde. Deshalb bietet Israel den Flüchtlingen einen Flug in andere Staaten wie Uganda oder Ruanda an, mit falschen Papieren, wie Hassam sagt:
"Wenn du Pech hast, verhaften sie dich dort auch gleich. Niemand weiß, was dann passiert. Einige sind dort hingegangen, aber ihre Lage ist genauso schlecht geblieben."
Insgesamt sind es nur 45.000 Afrikaner, die vor Jahren nach Israel kamen, als der hohe Grenzzaun zur Sinai-Halbinsel noch nicht gebaut war. Jetzt gebe es keine neuen Eindringlinge, erklärt die israelische Regierung zufrieden. Und Rotem Ilan, die Menschenrechtlerin, sagt in Tel Aviv: Diese komfortable Situation müsse man doch geradezu nutzen, um das Leben der Flüchtlinge wie das der Israelis in den Flüchtlingsvierteln im Süden von Tel Aviv zu verbessern.
Große Hoffnung hat sie allerdings nicht und versucht es mit Sarkasmus:
"In der Zeitung stand, dass sie den Giraffen im Zoo von Ramat Gan bei Tel Aviv gerade eine Heizung spendiert haben. Wenn wir uns um die Giraffen kümmern, dann brauchen die Menschen auch eine Heizung."
Die nächsten Tage jedenfalls bleiben nass und kalt in Israel, auch im Internierungslager Holot in der Wüste.