Dienstag, 19. März 2024

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Israel
Gute Presse für den Premier

Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu muss sich wegen Untreue und Bestechlichkeit verantworten. In die Vorwürfe sind auch Medienvertreter verstrickt – unter ihnen zwei der einflussreichsten Akteure im Bereich der Medien im Land, so Israel-Korrespondent Benjamin Hammer im Dlf.

Benjamin Hammer im Gespräch mit Brigitte Baetz | 25.05.2020
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu lacht auf einem Wahlkampftermin.
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu (AFP / Jack Guez)
Brigitte Baetz: Es ist das erste Mal in der Geschichte des Staates Israel, dass ein amtierender Regierungschef vor Gericht steht: Benjamin Netanjahu wird Betrug, Untreue und Bestechlichkeit vorgeworfen. Und da spielen auch die Medien des Landes eine große Rolle. Nicht nur, weil sie natürlich darüber berichten, sondern weil sie in Teilen sogar mit vor Gericht stehen. Ich bin nun verbunden mit Benjamin Hammer, er ist ARD-Korrespondent in Tel-Aviv. Herr Hammer, können Sie uns vielleicht noch einmal erklären: Wer muss sich da gemeinsam mit dem israelischen Premier verantworten?
Benjamin Hammer: Es gibt die Vorwürfe gegen mindestens zwei Männer, die auch im Fokus stehen: Einmal Arnon Mozes, Verleger der israelischen Tageszeitung "Jedi’ot Acharonot". Und der soll, das ist der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, einen Deal mit Netanjahu gemacht haben nach dem Motto: "Jedi’ot Acharonot" berichtet positiver über Netanjahu und dafür macht es Netanjahu politisch und regulatorisch einem Konkurrenzblatt etwas schwerer. Das wäre natürlich illegal. Zweite Person im Fokus: Shaul Elovitch, Haupteigentümer des israelischen Kommunikationskonzerns Bezeq. Das klingt erstmal nicht nach Medien, aber im Portfolio von Shaul Elovitch ist eine Website, "Walla!News", eine Nachrichtenseite und auch da soll es einen Deal gegeben haben, dass die Netanjahus – auch seine Ehefrau, Benjamin Netanjahus Ehefrau – großen Einfluss gehabt haben sollen auf die Berichterstattung dieser Nachrichtenseite und im Gegenzug Netanjahu sich für regulatorische Vorteile dieses Internetkonzerns eingesetzt haben soll.
Baetz: Welche Rollen spielen denn diese Personen in der israelischen Medienlandschaft allgemein?
Hammer: Also beide haben Einfluss und gehören zu den einflussreichsten Akteuren im Bereich der Medien. "Walla!" einmal, weil es eine sehr wichtige Nachrichtenseite ist. Natürlich geht es Shaul Elovitch in erster Linie um Telekommunikation, aber "Walla!" hat Gewicht, ist eine der populärsten Websites in Israel. Und dann "Jedi’ot Acharonot" von Arnon Mozes, eine Zeitung, die älter ist als der Staat Israel, die meistverkaufte Zeitung, die kein Gratisblatt ist – kommen wir gleich noch zu – und die schon seit so vielen Amtsjahren, die Netanjahu nun hat, ein Gegengewicht auch einnimmt, eine journalistische Wächterfunktion. Jetzt habe ich gesagt: meistverkaufte Zeitung. Da gibt es eben auch ein Gratisblatt "Israel HaYom", finanziert vom US Milliardär und Netanjahu-Freund Sheldon Adelson. Und da kommt eben die große Bedeutung "Jedi’ot Acharonot" zu, die weiterhin offiziell versucht, kritisch über Netanjahu zu berichten. Aber deshalb ist eben auch der Vorwurf, dass es hier einen Deal gab, so pikant.
Baetz: Wie gehen denn die anderen Medien mit diesem Prozess um? Wie berichten die darüber?
Hammer: Also, ich glaube, wir können schon festhalten, dass die meisten Medien kritisch über diesen Prozess zu berichten. Sie haben es ja gesagt: Es ist das erste Mal, dass ein amtierender Premierminister vor Gericht erscheinen muss wegen dieser heftigen Vorwürfe, wegen dieser heftigen Anklage. Und wenn wir dann uns aber wiederum "Israel HaYom" anschauen – ich habe es erwähnt: ein Gratisblatt, finanziert von einem Netanjahu-Unterstützer – dann ist da etwas ganz anderes zu sehen. Also, kritische Berichterstattung haben wir ganz deutlich gesehen bei fast allen israelischen Medien, bei "Israel HaYom" schreibt heute ein Kommentator, Netanjahu könne mit diesem Prozess endlich zurück feuern und schreibt außerdem von einer Kampagne der Hinrichtung einer politischen Figur. Da ist also die Linie ganz klar pro Netanjahu.
Baetz: Und Netanjahu selber wirft ja den Medien, die über ihn kritisch berichten, eine Hexenjagd vor. Wie ist dieser Vorwurf einzuordnen?
Hammer: Netanjahu und viele Journalistinnen und Journalisten waren nie die besten Freunde. Ich glaube, das muss man so sagen. Ebenso, dass viele Journalistinnen und Journalisten in Israel eher für das Mitte-Links-Lager stehen. Was Netanjahu jetzt aber rhetorisch da macht, das geht schon sehr weit. Also Angriffe gegen die Medien. Netanjahu spricht seit vielen Jahren von Fake News – lange bevor es Akteure wie US-Präsident Donald Trump gemacht haben, und er zeichnet das Bild einer linken politischen Verschwörung aus Medien und Justiz, die nur ein Ziel hätten: eben ihn zu Fall zu bringen. Und da muss ich, wenn ich das persönlich einschätzen darf, sagen, dass man doch schon erkennt, dass die Journalistinnen und Journalisten an einer sauberen Arbeit interessiert sind und nicht eine Hexenjagd, wie es Netanjahu sagt, gegen seine Familie durchziehen.
Baetz: Das heißt, er spielt ja längst auch in der Populisten-Liga wie Trump, Orban und Bolsonaro mit. Heißt das dann, die israelische Gesellschaft ist ähnlich gespalten, wie die in den USA, Ungarn und Brasilien?
Hammer: Auf den ersten Blick ganz klar. Man hat das auch gestern gesehen. Da haben sich vor dem Gerichtsgebäude Pro-Netanjahu- und Anti-Netanjahu-Akteure gegenübergestanden und natürlich hat Netanjahu auch im Wahlkampf in der Vergangenheit dazu etwas beigetragen, dass es diese enorme Spaltung gibt. Ich würde aber sagen, wenn wir das zum Beispiel mit den USA vergleichen, dann wird dieser gesellschaftliche Konflikt, wird diese Spaltung nicht so erbittert ausgetragen. Sowohl in den Medien als auch auf der Straße, ist es noch relativ moderat. Vielleicht liegt es daran, dass es in Israel so etwas wie ein verbindendes Element aller gibt, ein kleines Volk zu sein im großen Nahen Osten. Vielleicht ist das ein verbindendes Element, was im Moment die Lage etwas beruhigt.