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Israel
NGO Breaking the Silence droht Schließung

"Breaking the Silence" - das sind Soldaten, die Kritik an Regierung, Armee und Israels Besatzung palästinensischen Gebiets üben. Der Staat verlangt, dass die NGO die Quellen ihrer Informationen offenlegt. Dagegen wehrt sich die Organisation, denn ihrer Meinung nach würde das ihr Ende bedeuten. Am Sonntag geht die Sache vor Gericht.

Von Torsten Teichmann | 21.05.2016
    Zwei Besucher betrachten am Donnerstag (13.09.2012) ein Bild der Ausstellung "Breaking the Silence" im Willy-Brandt-Haus in Berlin. Die Ausstellung zeigt Fotos, die israelische Soldaten während ihres Militärdienstes für private Zwecke aufgenommen haben, welche den Besatzungsalltag widerspiegeln.
    Ausstellung "Breaking the Silence" 2012 im Willy-Brandt-Haus in Berlin. (dpa / picture alliance / Ole Spata)
    Es stehe alles auf dem Spiel, sagt Yehuda Shaul von der Nichtregierungsorganisation Breaking the Silence. Der Generalstaatsanwalt in Israel verlangt vor Gericht, dass die Organisation Namen von Soldaten nennt, die über ihre Einsätze auf palästinensischem Gebiet gesprochen haben.
    "Die Folgen sind klar: Wenn wir unser Rohmaterial abliefern müssen und unsere Quellen offenlegen, dann ist das das Ende von Breaking the Silence. So bringt man die Stimmen der Soldaten zum Schweigen. Soldaten die aus den besetzen palästinensischen Gebieten zurückkehren und uns erklären, was wir von ihnen verlangt haben."
    Breaking the Silence – das sind ehemalige Soldaten und Reservisten. Sie kritisieren Missstände in der Armee und lehnen die Besatzung und Kontrolle des palästinensischen Gebiets durch Israel ab. Für ihre Arbeit werden sie in Israel heftig attackiert. Selbst der scheidende Verteidigungsminister Ya’alon nannte sie einmal Verräter.
    Vor Gericht geht es jetzt um Aussagen von Soldaten über mögliche Kriegsverbrechen der israelischen Armee während des Gaza-Kriegs 2014. Diese Aussagen hat die Nichtregierungsorganisation aufgezeichnet, anonymisiert und veröffentlich.
    So eine Veröffentlichung ist immer mit der israelischen Militärzensur abgestimmt. In einigen Fällen hat die Militärpolizei anschließend Ermittlungen aufgenommen.
    "Wir bekamen einen Brief der Militärpolizei mit Fragen zu bestimmten Fällen. Es ging um Interviews und Namen. Die geben wir nicht raus. Wir berufen uns wie Journalisten auf Quellenschutz; wie in der Vergangenheit auch. Aber wir haben ihnen zusätzliches Material gegeben, das aber nicht unsere Quellen offenlegt. Das heißt wir haben bei den Ermittlungen kooperiert."
    Das reicht dieses Mal offenbar nicht aus. Und Tageszeitungen wie "Maariv" und "Haaretz" vermuten Israels Politik dahinter, die Regierung von Ministerpräsident Netanjahu.
    Die Stimmung ist aufgeheizt
    Seit Monaten werden vor allem linke politische Aktivisten attackiert. Das Fernsehen präsentiert angebliche Enthüllungen über deren Arbeit, die so nicht haltbar sind. Rechtsradikale Gruppen verleumden sie als Spione in Internetvideos. Justizminister Shaked hat ein Transparenz-Gesetz eingebracht. Mit Auflagen für Gruppen, die auch öffentliche Gelder aus dem Ausland bekommen. Ronit Heyd vom New Israel Fund spricht von einem Trend:
    "Der Versuch, Organisationen zu markieren, die eine andere politische Auffassung haben, eine die für die Regierung unbequem ist, stellt eine Bedrohung für den demokratischen Charakter des Staates Israel dar. Was wir in den letzten Jahren und jetzt auch in der Gesetzgebung erleben, ist der Versuch Organisationen politisch zu brandmarken, deren Ansichten sich von den Ansichten der Regierung unterscheiden. "
    Und genau in dieser aufgeheizten Stimmung sei es wichtig, Quellen zu schützen, sagt Yehuda Shaul von Breaking the Silence. Es sei wichtig für die israelische Gesellschaft, dass Soldaten sprechen können, ohne Angst vor Repressalien. Das geht aber meist nur ohne Namen:
    "Ein Drittel aller Leute die wir interviewen, sind immer noch im Dienst. Die könnten im Gefängnis landen, nur weil sie mit uns sprechen. Einige der Soldaten reden über Straftaten und belasten sich damit selbst. Das kann gegen sie verwendet werden. Aber der wichtigste Grund, ist die Angst vor sozialem Druck."
    Wie wichtig es für die Gesellschaft ist, dass die Soldaten auch anonym ihr Schweigen brechen können, darüber muss nun ein Gericht entscheiden. In Israel wird der Fall womöglich Signalwirkung haben.