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Israel
Streit um Mikveh-Bäder

Im israelischen Parlament ist ein Streit um die Nutzung der rituellen Mikveh-Tauchbäder entbrannt. Die religiösen Regierungsparteien fordern, dass die öffentlichen Bäder streng nach der Halacha, dem jüdischen Recht arbeiten - ledigen Frauen würde damit der Zutritt verwehrt. Der Oberste Gerichtshof hatte erst kürzlich gleichen Zugang für alle gefordert.

Von Christian Wagner | 18.03.2016
    Die mittelalterliche Mikwe in Erfurt, aufgenommen am Donnerstag (01.09.2011) vor der offiziellen Eröffnung am 4. September. Die Mikwe gehört zu den Zeugnissen des jüdischen Lebens in Erfurt im Mittelalter.
    Eine mittelalterliche Mikveh in Erfurt (dpa/picture alliance/Martin Schutt)
    Wer darf in die Mikveh, das rituelle Tauchbad? Eine hoch emotionelle Frage wird da verhandelt im israelischen Parlament.
    "Ich bin empört und beleidigt worden vom Religionsminister. Er hat hier erklärt, dass wir, die Anhänger des konservativen Judentums, nicht als Juden zählen sollen. Wer gibt Ihnen das Recht darüber zu entscheiden? Wer soll Ihnen bitte diese Deutungshoheit verliehen haben?", fragt die Abgeordnete Yael Cohen-Farn vom Oppositions-Bündnis Zionistische Union.
    Es geht um die religiösen Tauchbäder, auf hebräisch Mikveh, die in öffentlicher Hand sind, mit Steuergeld finanziert. Am Eingang jeder Mikveh aber steht das Personal und befragt die Gläubigen. Wird die Halacha, das jüdische Recht, liberal ausgelegt, dann dürfen zum Beispiel auch unverheiratete Frauen hinein. Gleichen Zugang für alle hat erst vor wenigen Wochen der Oberste Gerichtshof Israels verlangt. Sonst werde auch der Übertritt zum Judentum unrechtmäßig erschwert.
    Kein Zutritt für ledige Frauen
    Die religiösen Regierungs-Parteien Shas und Torah-Judentum aber wollen nun im Gegenteil durchsetzen, dass die öffentlichen Tauchbäder streng nach der Halacha arbeiten - und ledigen Frauen den Zutritt verwehren. Religionsminister David Azulai:
    "Das Judentum ist kein Theater, in das man mit dem Auto zur Belustigung fährt. Diese Leute wollen Torah und Halacha ständig ändern und an Gleichheit und Fortschritt anpassen. Sie aber sind nicht Teil der israelitischen Religion."
    "Diese Leute", das sind für den israelischen Religionsminister die Anhänger von konservativem und Reform-Judentum, Strömungen, die außerhalb Israels stark sind. Gesundheitsminister Yaakov Litzman sagt, die Regierung müsse sich entscheiden, zwischen den gläubigen Juden im eigenen Land und dem Diaspora-Judentum auf Abwegen:
    "Die wissen ja nicht mal, was eine Mikveh ist. Die glauben ja, das sei ein Whirlpool. Wir bestehen auf dem Mikve-Gesetz, das die Tauchbäder unter die Aufsicht des Oberrabinats stellt."
    Riss zwischen Religiösen und Säkulären wird tiefer
    Beide religiösen Parteien drohen mit Koalitionsbruch, sollte ihr verschärftes Gesetz nicht durchgehen. In der ersten Lesung im Parlament hat es für eine knappe Mehrheit gereicht. Eines ist schon deutlich: Der Riss zwischen Religiösen und Säkularen in der jüdisch-israelischen Gesellschaft wird tiefer. Zahava Galon von der linken Meretz-Partei:
    "Euch geht es doch gar nicht um die Tauchbäder: Euch geht es vor allem um Eure Vorherrschaft. Wie haben Sie es gesagt, Herr Religionsminister?: "Diese Leute". Sie wollen die Reformjuden und die Konservativen nicht mal beim Namen nennen. Sie befürchten dass es so weiter geht: Ein eigener Gebetsbereich an der Klagemauer, mit Frauen, Gott behüte!"
    Diese Auseinandersetzung zieht sich schon seit 27 Jahren hin. Im Januar gab es einen Kompromiss für das Gebet an der Klagemauer, aber der zerbricht gerade wieder. Es knirscht im Verhältnis zwischen Recht und Religion in Israel.