Donnerstag, 09. Mai 2024

Internationaler Gerichtshof
Israel verteidigt sich gegen Völkermord-Vorwurf

Israel hat sich vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag gegen den von Südafrika erhobenen Vorwurf verteidigt, an den Palästinensern im Gazastreifen einen Völkermord zu verüben. Zum Auftakt des zweiten Verhandlungstages erklärten israelische Rechtsvertreter, Südafrika habe eine grob verzerrte Darstellung vorgelegt.

13.01.2024
    Im Vordergrund sieht man von hinten Vertreter der beiden Staaten. Dahinter die lange Reihe der Richter.
    Richter und Verteter der beiden Staaten während der Anhörung vor dem Internationalen Gerichtshof. (Patrick Post / AP / dpa / Patrick Post)
    Der Vorwurf, Israel wolle die Palästinenser im Gazastreifen vernichten, sei nicht zutreffend, sagten sie. Die Militäraktion im Gazastreifen sei Selbstverteidigung gegen die terroristische Hamas, die am 7. Oktober in Israel 1.200 Menschen ermordet und etwa 250 entführt habe. Wenn es eine genozidale Absicht gegeben habe, dann von Seiten der Hamas gegen Israel. Die Juristen betonten, Israel sei im Krieg mit der Hamas, aber nicht mit dem palästinensischen Volk. Das Leiden der Zivilisten im Gazastreifen sei zudem das Ergebnis der Strategie der Hamas.
    Südafrika verlangt vor dem Internationalen Gerichtshof als Sofortmaßnahme die Aussetzung des israelischen Militäreinsatzes im Gazastreifen. Von israelischer Seite hieß es, eine solche Maßnahme mache Israel wehrlos. Damit könne es sein Recht auf Selbstverteidigung nicht mehr ausüben.

    So argumentiert Südafrika

    Die südafrikanischen Vertreter hatten ihre Sicht der Dinge am Tag zuvor dargelegt. In der mehr als 80 Seiten umfassenden Klageschrift argumentiert das Land, die israelischen Reaktionen nach den Angriffen der Hamas hätten einen völkermord-ähnlichen Charakter. Eine Anwältin erklärte, Israels Bombenangriffe im Gazastreifen zielten auf die "Zerstörung palästinensischen Lebens" ab und hätten die Bewohner des Gebiets "an den Rand einer Hungersnot" gebracht. Israel habe es versäumt, die Zivilbevölkerung im Gaza-Streifen während des Krieges gegen die Hamas zu versorgen. Außerdem führt Südafrika die hohe Zahl von mehr als 21.000 Toten im Gazastreifen an, die erzwungene Flucht eines Großteils der Bevölkerung sowie Angriffe auch auf Krankenhäuser und Geburtskliniken. Auch Äußerungen israelischer Minister der in Teilen rechtsextremen Regierung werden in der Klageschrift als Beleg für die Absicht des Völkermords gewertet.
    Südafrika verurteilte auch den Großangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober. Dieser sei jedoch keine Rechtfertigung für die Verletzung der Völkermordkonvention. Die israelische Armee hatte zuletzt erklärt, man habe im Gazastreifen etwa 8.000 Hamas-Kämpfer getötet. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen.
    In dem Verfahren geht es zunächst um den Eilantrag Südafrikas, über den innerhalb weniger Wochen entschieden werden könnte. Das Verfahren zur Hauptsache, dem Völkermord-Vorwurf, kann dagegen Jahre dauern.

    Keine Instrumente, um Urteile auch durchzusetzen

    Israel ist nach Jugoslawien, Myanmar und Russland das vierte Land, das sich wegen Völkermordes vor dem IGH verantworten muss. Der Internationale Gerichtshof ist das zentrale Rechtsprechungsorgan der Vereinten Nationen und entscheidet über Streitigkeiten zwischen Ländern. Seine Urteile sind bindend. Allerdings stehen dem IGH keine wirklichen Instrumente zur Verfügung, um eine Einhaltung seiner Urteile durchzusetzen.

    Weiterführende Informationen

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    Diese Nachricht wurde am 13.01.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.