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Israel
Warum so wenige arabische Israelis gewählt haben

Etwa 20 Prozent der Bevölkerung Israels sind Araber. Im neu gewählten Parlament stellen sie jedoch nur acht Prozent der Abgeordneten. Viele arabische Israelis haben nicht gewählt. Sie sind von ihren Volksvertretern enttäuscht. Ein weiterer Grund: Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.

Von Benjamin Hammer |
Regierungschef Netanjahu begrüßt in der Wahlnacht seine Anhänger
Viele arabische Israelis fühlen sich durch die Politik der Regierung ausgegrenzt (AFP/Thomas Coex)
Eine Schule in Rahat. Am Wahltag befand sich hier eines von 10.000 Wahllokalen in Israel. Aber hier, in der Beduinenstadt im Norden der Wüste Negev, gaben nur 49 Prozent der Bevölkerung eine Stimme ab. Rund 20 Prozentpunkte weniger, als der Landesdurchschnitt. Ein Grund: Viele arabische Israelis sind enttäuscht von ihren Vertretern im Parlament. Auch die Beduinen in Rahat.
"Ich habe nicht gewählt", sagt ein Mann auf dem Markt im Zentrum der Stadt. "Uns wird doch eh nicht geholfen. Kein Abgeordneter in der Knesset setzt sich für uns ein. Der einzige, der uns hilft, ist Gott."
"Wir haben es versucht", sagt eine junge Frau. "Wir haben bei der letzten Wahl für arabische Parteien gestimmt. Aber ich habe nicht den Eindruck, dass sie viel für uns getan haben. Für die Beduinen, für die Araber in Israel. Also habe ich mich entschieden: Ich will an dieser Farce nicht mehr teilnehmen."
Neutlicher Rückgang der Wahlbeteiligung
Nicht nur in Rahat, in ganz Israel lag die Wahlbeteiligung arabischer Israelis deutlich unter dem Landesdurchschnitt. Ein einst beliebtes arabisches Wahlbündnis war vor der Wahl zerbrochen - was wohl auch an Machtkämpfen unter den Parteiführern lag. Am Ende kostete dieser inner-arabische Streit alle arabischen Parteien Stimmen. Dabei hätten die Parlamentarier im letzten Parlament gute Arbeit geleistet. So sieht es die Politikwissenschaftlerin Gayil Talshir von der Hebräischen Universität in Jerusalem.
"Diese Abgeordneten waren die ersten arabischen Anführer, die gemeinsam mit der Regierung eine Wirtschaftsförderung für die arabischen Kommunen geplant haben. Es geht um eine Menge Geld. Zum ersten Mal haben das nicht nur jüdische Politiker geplant, sondern auch Araber. Aber die arabische Bevölkerung hat ihnen das nicht abgekauft."
Boykott stärkt Netanjahu
Etwa 20 Prozent der Bevölkerung Israels sind Araber. Im neu gewählten Parlament stellen sie jedoch nur acht Prozent der Abgeordneten. Es gibt einen weiteren Grund für die niedrige Wahlbeteiligung: Benjamin Netanjahu. Viele arabische Israelis fühlen sich von dessen Politik ausgegrenzt. Das Nationalitätengesetz betont den jüdischen Charakter Israels und entzieht Arabisch den Status einer Amtssprache.
Ein Grund für viele Araber, die Wahl zu boykottierten. Doch damit stärkten sie ausgerechnet Netanjahu. Bei einer hohen Wahlbeteiligung der Araber, die fast alle für arabische und linke Parteien stimmen, hätte der Premierminister möglicherweise keine klare Mehrheit mehr gehabt.
"Jeder wahlberechtigte Araber, der zu Hause geblieben ist, hat indirekt für die Rechte gestimmt. Diese Leute tragen also eine Verantwortung, dass nun eine rechte Regierung kommt."
Die Zeit der Zusammenarbeit ist vorbei
In Rahat hängen noch großformatige Wahlplakate. Manche zeigen Talal Alkrinawi. Er war viele Jahre lang Bürgermeister der Stadt. Und kandidierte auf Listenplatz 9 des Wahlbündnisses Hadash-Ta'al. Den Einzug in das israelische Parlament hat er verpasst.
"Wenn mehr Araber gewählt hätten, wäre ich jetzt ein Mitglied der Knesset. Wir hätten dann vielleicht 15 von 120 Parlamentssitzen."
Der Politiker sitzt in seinem Büro im Zentrum von Rahat. An der Wand hängt ein Foto. Es zeigt den früheren Premierminister und Präsidenten Schimon Peres in einem Gewand, wie es die Beduinen tragen. Die Augen von Talal Alkrinawi leuchten etwas, als er von Peres spricht. Und von Jitzchak Rabin, der 1995 von einem jüdischen Extremisten erschossen wurde. Die Regierung von Rabin war von arabischen Abgeordneten unterstützt worden - auch wenn sie formal nicht Teil der Regierung waren.
"Damals schien es wirklich positive Veränderungen zu geben. Die Oslo-Verträge, den Friedensvertrag mit Jordanien, mehr Geld für arabische Kommunen. Beduinendörfer wurden anerkannt. Damals lagen die Dinge anders. Das war deutlich spürbar. "
Heute, so sieht es der arabische Politiker Alkrinawi, gebe es keine jüdischen Politiker mehr wie Rabin oder Peres. Die Zeit einer Zusammenarbeit zwischen Juden und Arabern in einer Regierung sei vorbei.
Arabische Politiker unter Druck
Nach Angaben der Kommunalverwaltung leben 60 Prozent der Bevölkerung von Rahat unter der Armutsgrenze. Die Menschen in Rahat glauben nicht, dass ihnen ausgerechnet Benjamin Netanjahu helfen wird. Dessen Likud-Partei hatte über 1.200 Anhänger mit versteckten Kameras ausgestattet und in Wahllokale in arabischen Städten und Dörfern geschickt. Angeblich, um Wahlbetrug zu dokumentieren.
Arabische Politiker beklagten, dass ihre Wähler eingeschüchtert werden sollten. Nach der Wahl meldet sich eine PR-Agentur, die dem Likud nahesteht. Sie hatte die versteckten Kameras verteilt. Man habe es geschafft, schrieb die Agentur auf Facebook, die Wahlbeteiligung arabischer Israelis unter 50 Prozent zu drücken. Das sei der niedrigste Wert seit Jahren.