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Israelkritik
Elisabeth Motschmann (CDU): ″Die Diskursräume sind wirklich breit″

Die medienpolitische Sprecherin der CDU-Bundestagsfraktion hat die BDS-Resolution verteidigt, nachdem mehrere Kulturinstitutionen Sorge um den freien gesellschaftlichen Diskurs geäußert hatten. Kritik am Staate Israel sei immer möglich, sagte Elisabeth Motschmann im Dlf. Antisemitismus aber müsse man klar bekämpfen.

Elisabeth Motschmann im Gespräch mit Sandra Schulz |
Elisabeth Motschmann (CDU) spricht im Bundestag
Elisabeth Motschmann - Mitglied im Auswärtigen Ausschuss und im Ausschuss für Kultur und Medien (picture alliance / dpa / Fabian Sommer)
Mehrere Kultureinrichtung haben die Sorge um eine Verengung des Diskursraumes beim Thema Israel kritisiert. Elisabeth Motschmann, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss und im Ausschuss für Kultur und Medien teilt diese Sorge nicht. ″Ich finde, unsere Diskursräume sind wirklich, wirklich breit″, so die CDU-Politikerin im Dlf.
Die Kultureinrichtung haben sich unter dem Titel "Initiative GG 5.3 Weltoffenheit" versammelt. Sie fordern auch eine Revision der 2019 verabschiedeten BDS-Resolution. Darin hatte sich das Parlament Boykottaufrufe gegen Israel als antisemitisch bewertet. Motschmann verteidigte im Dlf die Resolution. Die BDS-Bewegung stelle das Existenzrecht Israels infrage, ″dann heißt es wachsam zu sein″, so Motschmann. Es mache sie hellhörig, dass diese Bewegung in anderen Regionen der Welt nicht so sensibel sei. ″Ich habe keine Resolution von den gleichen erlebt in Blick auf China, Syrien, Iran oder anderen Ländern.″
Die medienpolitische Sprecherin der CDU-Bundestagsfraktion stritt auch ab, dass finanzielle Zuschüsse an politische Einstellungen geknüpft seien. ″Wir werden nicht Zuschüsse kürzen, weil irgendwelche Positionen auftauchen, die uns nicht gefallen.″ Diese Kritik hatte zuvor Susan Neiman vom Einstein-Forum indirekt im Dlf geäußert.
Neiman: "Hannah Arendt dürfte heute hier nicht sprechen"
Mehrere renommierte Kultureinrichtungen haben vor der Gefahr gewarnt, im Kampf gegen Antisemitismus wichtige kritische Positionen von der öffentlichen Debatte auszuschließen.
Das Interview in ganzer Länge
Sandra Schulz: Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Das ist das Versprechen, das ist die Garantie aus Artikel fünf Absatz drei des Grundgesetzes, dem Artikel über die Meinungsfreiheit. Prominent genannt wird dieser Artikel jetzt von einer Gruppe, die sich unter dem Titel "Initiative GG 5.3 Weltoffenheit" versammelt und in der sich gut zwei Dutzend renommierte Kultur- und Wissenschaftsinstitutionen treffen – zum Beispiel das Goethe-Institut, das Humboldt-Forum, die Kulturstiftung des Bundes oder auch des Deutschen Theaters in Berlin. Sie erklären den Kampf gegen Antisemitismus, Rechtsextremismus und jede Form von Rassismus als zentral, formulieren aber auch die Sorge, dass Diskursräume enger oder zu eng würden durch einen inflationären Gebrauch von Antisemitismus-Vorwürfen. Als der Bundestag die BDS-Resolution im vergangenen Jahr beschlossen hat, da gab es einen recht ungewöhnlichen Vorgang. Da gaben rund zwei Dutzend Unions-Bundestagsabgeordnete eine Erklärung ab, in der es unter anderem hieß, dass legitime Kritik an der Politik der israelischen Regierung nicht als vermeintlich antisemitisch diskreditiert und in unangemessener Weise eingeschränkt werden dürfe. Eine von den Abgeordneten, die das unterzeichnet hat, war Elisabeth Motschmann. Sie ist Mitglied im Auswärtigen Ausschuss und im Ausschuss für Kultur und Medien. Wie reagieren Sie auf die Sorgen, auf die Kritik, die da gestern artikuliert wurden?
Elisabeth Motschmann: Erstens bin ich enttäuscht, dass große Kultureinrichtungen vorher auch niemals mit uns darüber gesprochen haben. Ich bin ja ständig auch mit den Institutionen im Gespräch; das ist nicht geschehen. Dass wir in Deutschland eine besondere Verantwortung haben, dass wir besonders sensibel sein müssen bei allem, was Israel betrifft, was Semitismus betrifft, das, glaube ich, ist nachvollziehbar. Und ich stehe natürlich voll hinter der Resolution des Bundestages. Wir müssen Antisemitismus klar ablehnen und bekämpfen, und da gilt, wehret den Anfängen.
Schulz: Das stellt die Initiative ja auch klar. Wenn Sie mir die Gelegenheit geben zu der kurzen Rückfrage?
Motschmann: Ja.
″Alles, was in Richtung Antisemitismus geht, müssen wir bekämpfen″
Schulz: Sehen Sie die Sorge denn in der Sache? Hat sich der Diskurs da verengt? Ist es schwieriger geworden, Israel-Kritik zu formulieren, weil der Antisemitismus-Vorwurf schneller erhoben wird?
Motschmann: Ich bin ja auch im Auswärtigen Ausschuss und da gibt es ja auch immer wieder Diskussionen über Israel, und da stehen wir ganz klar zu der Zwei-Staaten-Lösung. Da ist es absolut nicht so, dass man an israelischer Politik keine Kritik üben darf. Das ist auch in der Gesellschaft nicht so.
Aber alles, was in Richtung Antisemitismus geht, müssen wir bekämpfen. Wir haben inzwischen – und das beschämt mich – schon wieder antisemitistische Kundgebungen und Demonstrationen. Auch in Bremen hat es die schon wieder gegeben. Das müssen wir einfach bekämpfen und das darf nicht sein in unserem Land.
Schatten von Menschen, Text: Rechtsextremismus
Rechtsextremismus - das Dossier zum Thema (dpa / Martin Schutt)
Schulz: Das ist eine ganz wichtige Klarstellung. Wie gesagt, auch von der Gruppe, von der Initiative gestern so in dieser Form gekommen. Aber wenn wir dann noch mal schauen auf diese persönliche Erklärung, die Sie ja mit unterzeichnet haben. Da haben Sie gesagt, dass legitime Kritik an der Politik der israelischen Regierung nicht unangemessen eingeschränkt werden dürfe.
Motschmann: Genau.
″Keine Einschränkungen im wissenschaftlichen Diskurs″
Schulz: Wenn wir jetzt die Rückmeldung von den Kulturinstitutionen hören, haben wir dann nicht genau das?
Motschmann: Nein, haben wir nicht. Wenn das Existenzrecht Israels in Frage gestellt wird – und das macht BDS -, dann heißt es, wachsam zu sein. Wenn diese Bewegung merkwürdigerweise in anderen Regionen der Welt vergleichbar nicht so sensibel ist, dann macht mich das auch hellhörig. Ich habe keine Resolution von den gleichen erlebt im Blick auf China, Russland, Syrien, Iran oder anderen Ländern, wo nun wirklich auch Menschenrechte betroffen sind, wo es keine freie Meinungsäußerung gibt. Dass die nun eingeschränkt sein sollen in ihren Einladungen und in ihrem wissenschaftlichen Diskurs, das sehe ich nicht. Das sehe ich wirklich nicht. Aber es ist richtig, dass man keine Politiker, Wissenschaftler einlädt, die hier antisemitistische Äußerungen machen oder auch in die Richtung gehende Äußerungen machen. Das halte ich für gefährlich, denn was passiert auf unseren Straßen, was passiert bei den Demonstrationen. Was ist in Halle passiert? Die Angriffe auf die Synagogen kommen ja nicht aus dem Nichts, sondern sie kommen immer aus einer geistigen Bewegung, Stimmungslage in einem Land, und an dieser Stimmungslage wollen wir uns als Politiker und als Bundestag nicht beteiligen, sondern wir warnen mit dem Beschluss von Mai 2019 vor antisemitistischen ersten Ansätzen. Das, finde ich, ist wirklich berechtigt, denn "kauft nicht bei Juden", das dürfen wir niemals vergessen und solche Versprechungen, nie, nie wieder, die nehme ich schon sehr, sehr ernst.
″Kritik an der Politik des Staates kann man immer ausüben″
Schulz: Frau Motschmann, die Frage ist, ob wir noch eine genauere Differenzierung hinbekommen, denn auch juristisch wird diese BDS-Resolution ja dahingehend kritisiert, dass sie einfach zu pauschal ist. Natürlich im Hinterkopf habend, was Sie gerade zurecht ansprechen, dass dieser Slogan, "kauft nicht bei Juden", diesen bitteren Beiklang in Deutschland und anderswo in der Welt hat, ist doch aber die Frage bei einer so heterogenen Gruppierung wie dem BDS: Ist es da dieser pauschale Ausschluss richtig, den wir ja auch in ganz konkreten Fällen gesehen haben? In München zum Beispiel hat es ja den Fall gegeben, da sollte es eine Diskussion über die BDS-Resolution dort geben, die ganz ähnlich aussieht wie die des Bundestages, und schon mit der Begründung wurde das abgesagt. Werden da nicht wirklich Diskursräume eng?
Motschmann: Das finde ich nicht. Ich finde, unsere Diskursräume sind wirklich, wirklich breit. Aber wenn es um Antisemitismus geht, dann müssen wir aufpassen. Wir müssen natürlich deutlich unterscheiden zwischen Antizionismus und Antisemitismus. Antisemitismus richtet sich gegen die Rasse und Antizionismus richtet sich gegen den Staat und gegen die jüdische Religion. Antisemitismus, alles was sich gegen die Rasse richtet – ich mag das Wort schon nicht in den Mund nehmen -, müssen wir empfindlich und sensibel abwenden. Kritik am Staat Israel, Kritik an der Politik des Staates kann man immer ausüben. Das finde ich völlig in Ordnung. Das tun wir ja auch. Aber das Existenzrecht Israels ist deutsche Staatsräson und das ist die Position der Regierung und die Position des Bundestages. Aber das heißt doch nicht, dass man keine Kritik an Israels Politik üben kann.
Dossier: Rassismus
Dossier: Rassismus (picture alliance / NurPhoto / Beata Zawrzel)
Schulz: Frau Motschmann, ich würde Sie gerne noch mit einem anderen konkreten Beispiel aus der Veranstaltung gestern konfrontieren. Susan Neiman vom Einstein-Forum, die hat diesen Eindruck geschildert:
O-Ton Susan Neiman: "Die deutschen Israel-Diskussionen sollen endlich die Vielfalt jüdischer Diskussionen und Kritik reflektieren, nicht nur die Meinungen konservativer deutsch-jüdischer Organisationen. Denn nach deren Logik dürfen deutsche Institutionen, die mit öffentlichen Mitteln gefördert werden, weder Einstein, noch Hannah Arendt zu einem Vortrag einladen."
″Wir müssen in unserem Land ganz besonders sensibel sein″
Schulz: Sie sagen, es gibt diesen instrumentalisierten Antisemitismus-Vorwurf nicht. Die Kulturinstitutionen schätzen das ganz anders ein und fühlen sich in dieser Form, über die wir die ganze Zeit sprechen, bedrängt und fordern auch eine Revision dieser BDS-Resolution. Wie kommen Sie da ins Gespräch?
Motschmann: Erstens wollen wir mal ganz streng trennen die Zuschüsse für die besagten Einrichtungen und das, was sie jetzt als Kritik ausgeübt haben. Wir werden nicht Zuschüsse kürzen, weil irgendwelche Positionen auftauchen, die uns nicht gefallen. Sonst würde ich sagen, es ist auch komisch, dass die das direkt nach Beschluss des Haushaltes machen, aber das will ich gar nicht, sondern ich sage ganz klar, wir haben unsere Position geäußert und ich finde sie richtig, dass wir hier empfindlich und sensibel im Blick auf Antisemitismus reagieren. Auf der anderen Seite lassen wir selbstverständlich auch Kritik am Staat Israel zu. Kein Mensch wird dagegen etwas haben, zumal wir ja selber auch immer wieder das tun und die Zwei-Staaten-Lösung anmahnen. Ich bin auch selber in den Regionen und in den Siedlungen gewesen. Siedlung klingt immer so harmlos; es sind Städte, die da entstehen auf palästinensischem Gebiet. Deshalb bin ich die erste, die sagt, wir müssen hier eine Zwei-Staaten-Lösung haben. Aber ich bin auch die erste, die sagt, wenn man das Existenzrecht Israels abstreitet, wenn man anfängt zu sagen, boykottiert alles, was aus Israel kommt, das ist wirklich nicht hinnehmbar. Und wir müssen in unserem Land da natürlich ganz besonders sensibel sein. Wir haben diese Geschichte, diese traurige und schlimme Geschichte, und deshalb müssen wir da auch vielleicht etwas mehr tun als andere Länder. Das mag ja sein. Aber dazu stehe ich auch.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.