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ISS-Teleskop
Neues Schwarzes Loch im Detail

Erstmals ist es Astronomen der NASA gelungen, ein Schwarzes Loch samt Korona im Detail zu untersuchen. Dabei ist dieses 10.000 Lichtjahre entfernt und eine Milliarde Grad Celsius heiß. Gelungen ist ihnen das dank des hochauflösenden Röntgen-Teleskops NICER.

Von Dirk Lorenzen |
    Ein schwarzes Loch (Symbolbild)
    Das jetzt beobachtete Schwarze Loch zählt zu den kleineren Exemplaren - andere haben millionenmal mehr Masse (imago stock&people)
    Die Internationale Raumstation dient Astronauten als Übungsgelände für lange Aufenthalte im Weltall, sie verfügt über Labore für wissenschaftliche Experimente – und sie ist ein Röntgenobservatorium. Diese wenig bekannte Seite der ISS war am 11. März des vergangenen Jahres besonders wichtig, erklärt Erin Kara, Astrophysikerin an der Universität von Maryland:
    "Mit dem MAXI-Instrument auf der Internationalen Raumstation haben wir ein neues Schwarzes Loch in unserer Milchstraße entdeckt. Es hat plötzlich Materie verschluckt und ist dabei hell aufgeleuchtet. Diesen Strahlungsausbruch haben wir dann mit dem NICER-Röntgenteleskop überwacht, das ebenfalls Teil der ISS ist. Wie sich zeigte, war dieser Ausbruch sehr hell und sehr variabel."
    Explosives Geschehen
    MAXI und NICER sind jeweils etwa so groß wie ein Kühlschrank und außen an der ISS angebracht. MAXI registriert seit fast zehn Jahren, ob es irgendwo am Himmel einen starken Röntgenausbruch gibt. Mitte 2017 ist das hoch auflösende Teleskop NICER hinzugekommen. Mit ihm lässt sich das explosive Geschehen im Detail verfolgen. Die Instrumente werden vom Boden aus gesteuert, ohne dass die Astronauten an Bord eingreifen müssen. Das mit ihnen jetzt beobachtete Schwarze Loch befindet sich rund 10.000 Lichtjahre entfernt im Sternbild Schlangenträger. Es hat einen kleinen Begleitstern, von dem Materie zum Schwarzen Loch strömt. Sie bildet eine rotierende Scheibe, aus der hin und wieder größere Mengen ins Schwarze Loch stürzen – dann registrieren die Instrumente an der ISS intensive Röntgenstrahlung.
    "Dicht am Schwarzen Loch gibt es eine Wolke aus sehr energiereichen Teilchen, die gut eine Milliarde Grad Celsius heiß ist und die senkrecht nach oben und unten aus der Materiescheibe herausragt. Das ist die besonders hell flackernde Röntgen-Korona. Ihr Licht sehen wir zweimal: zunächst direkt und ein weiteres Mal, wenn es von der Materiescheibe reflektiert wird. Diese Lichtechos verraten uns, wie es dort am Schwarzen Loch aussieht."
    Schrumpfende Korona beobachtet
    Erin Kara und ihr Team haben genau beobachtet, wie sich die Strahlung allmählich verändert hat. Zunächst reichte die Korona bis in eine Höhe von etwa 160 Kilometern über dem Schwarzen Loch, nach zweieinhalb Monaten war sie auf ein Zehntel dieser Höhe geschrumpft. Nie zuvor haben Astronomen solche Veränderungen nach einem Strahlungsausbruch eines Schwarzen Lochs beobachtet. Das jetzt untersuchte Exemplar gilt mit zehnfacher Sonnenmasse als recht klein – doch Erin Kara setzt in diese Daten große Hoffnungen:
    "Die Frage ist, ob diese Erkenntnisse auch für die extrem massereichen Schwarzen Löcher im Zentrum von Galaxien gelten. Die haben Millionen oder gar Milliarden mal mehr Masse – aber auch dort gibt es eine Materiescheibe und eine Korona. Doch Veränderungen dauern Milliarden Jahre, so dass wir sie nicht beobachten können."
    Auswertung weiterer Daten
    Womöglich lassen sich mit den kleinen Schwarzen Löchern Phänomene enträtseln, über die sich bei den gigantischen Objekten sonst nur staunen lässt. Das NICER-Teleskop auf der ISS, ursprünglich für die Untersuchung von Pulsaren konstruiert, eröffnet den Astronomen nun ungeahnte Möglichkeiten. Es hat bereits vier weitere Strahlungsausbrüche bei Schwarzen Löchern beobachtet. Die Auswertung dieser Daten dauert allerdings noch an.