Lange: Herr Sach, ist denn das Protokoll von Kyoto noch zu retten?
Sach: Ich denke schon, dass es noch zu retten ist. Die Situation ist schwierig, gerade nach den jüngsten Ankündigungen des japanischen Ministerpräsidenten. Auf der anderen Seite hat uns die japanische Delegation nach offiziellen Rückfragen zu verstehen gegeben, dass sie weiterhin an einem Abschluss interessiert sind, und diesen Weg schreiten wir voran.
Lange: Wie muss man sich denn jetzt diese Konferenzroutine vorstellen? Wird dort jetzt über die einzelnen Problempunkte weiter verhandelt, als gäbe es das Veto aus Washington nicht, oder dreht sich jetzt alles um die Frage, wie halten wir die Amerikaner und die Japaner bei der Stange?
Sach: Der erste Tag lief eigentlich ganz normal routiniert. Wir haben über die Einzelheiten gesprochen. Uns ist bewusst, dass die Amerikaner im ersten Schritt Kyoto nicht ratifizieren werden. Präsident Bush hat bedauerlicherweise an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig gelassen. Wir haben gestern angefangen, durch die Texte zu gehen, und haben es dort auch geschafft, kleinere Punkte zu klären. Dies sind Vorbereitungsarbeiten für die Minister, weil entscheiden wird es sich bei den Ministern.
Lange: Nun könnte ja mit Japan eine Mehrheit von Unterzeichnerstaaten zu Stande kommen, die das Protokoll ratifizieren. Was wäre dann mit den USA? Müssen die sich daran halten?
Sach: Wenn die USA nicht ratifizieren, dann müssten sie sich nicht daran halten. Nur wir alle wissen, die Wissenschaft fordert weit wichtigere, tiefere Eingriffe. Die USA werden beim ersten Schritt nicht dabei sein. Wir müssen sie aber bei späteren Einschnitten wieder ins Boot bekommen. Deshalb werden wir mit den Amerikanern auch versuchen, freiwillige Zugeständnisse zu erzielen, denn wir können die Amerikaner als größten Emitenten nicht aus ihrer Verantwortung entlassen. Nur unter diesem System werden wir in den nächsten Jahren die Amerikaner kaum bekommen.
Lange: Das heißt die Unterzeichnerstaaten würden im Zweifel auch alleine daran gehen, das Klimaschutzziel für sich zu realisieren?
Sach: Ja, als ersten Einstieg, um ein System in der Praxis zu etablieren, welches dann auch gewisse Sachzwänge setzt und die Amerikaner in einem zweiten Schritt zurück an Bord holt.
Lange: Auch die Umweltverbände haben ja erhebliche Vorbehalte gegen Kyoto. Die CO2-Senken - damit sind diese großen Waldgebiete gemeint - sollten nicht als Bonus herhalten. Auch der Handel mit Emissionsrechten sollte sehr restriktiv gehandhabt werden. Auch die Sanktionsmechanismen werden kritisiert; die sind nicht ausreichend. Lohnt es sich denn dann wirklich noch, um dieses Kyoto-Protokoll zu kämpfen?
Sach: Ich denke auf jeden Fall. Die Umweltverbände kämpfen fast mehr um das Kyoto-Protokoll als wir. Vielleicht ist es falsch, eine Relation herzustellen, weil Sie wissen, wie schwierig es war, dieses Gebäude mit 186 Staaten auszuhandeln. Auch sie sehen das Kyoto-Protokoll als Meilenstein des internationalen Völkerrechts an. Natürlich haben wir unterschiedliche Auffassungen über Details, aber die von Ihnen genannten Punkte, restriktive Handhabung von Senken, klare Regeln für den Emissionshandel, ein scharfes System der Erfüllungskontrolle, teilen wir mit den Umweltverbänden, nicht nur wir als Deutsche, sondern als Europäische Union.
Lange: Dieses Ausscheren der USA, bietet das nicht unter Umständen auch eine Chance, dass man sich von dem einen oder anderen faulen Kompromiss verabschiedet, den man nur denen zur Liebe hereingeschrieben hat?
Sach: Manche Dinge könnten leichter werden. Nur wir dürfen nicht vergessen, dass Australien, Kanada, und Japan ähnliche Positionen vertreten haben wie die USA. Wir verhandeln unter dem Regime der Einstimmigkeit und insofern verändert sich an der tatsächlichen Verhandlungslage eher wenig. Die Situation ist ja gerade deshalb so schwierig, weil diese zuletzt genannten Staaten jetzt wissen, dass es auf sie ankommt. Insofern hat sich ihre Position eher gestärkt. Das ist ja das Problem, warum viele Leute in der Öffentlichkeit sagen, es steht um den Gesundheitszustand des Protokolls so schlecht. Aber so ist die Situation!
Lange: Die Verhandlungen auf der letzten Konferenz in Den Haag waren ein Fehlschlag, obwohl die USA noch am Tisch waren. Wenn das jetzt ähnlich weiter geht, müsste man dann nicht ohnehin noch einmal irgendwo von vorne anfangen oder weiter vorne anfangen?
Sach: Ich denke diese Frage stellt sich augenblicklich nicht. Wir gehen den Weg und werden versuchen, das Protokoll in Kraft zu setzen. Wenn entgegen aller Erwartungen keinerlei Einigung erzielt werden kann, dann wird man darüber nachdenken müssen, ja.
Lange: Wie ist es mit der Rolle der internationalen Unternehmen? Ist von denen mehr Druck auch auf Regierungen auf einheitliche Standards und auf Berechenbarkeit hin zu erwa rten?
Sach: Ja, nur manifestiert sich dies außerhalb des europäischen Raumes noch nicht so stark. In Europa sehen Sie diese Bewegung schon sehr deutlich. Heute wird es eine Initiative geben, die heißt "Emissions 55", in der sich namhafte große Unternehmen aktiv für den Klimaschutz und für das Kyoto-Protokoll einsetzen. Aus Deutschland sind beispielsweise die Deutsche Bahn AG vertreten, aber auch die Stadtwerke Bonn oder die Telekom, um nur einige zu nennen. In den USA haben wir augenblicklich das Phänomen, dass es unter der Decke einiges Interesse der Industrie am Klimaschutz gibt. Die große Industrie, die wirklich Einfluss für eine Trendwende in den USA hat, wagt es augenblicklich jedoch noch nicht, sich aktiv gegen Präsident Bush zu stellen. Ich glaube dies ist eine Entwicklung, die noch ein paar Jahre braucht.
Lange: Es gibt ja sicherlich so etwas wie eine personelle Kontinuität in der amerikanischen Delegation. Ist dort so etwas wie ein Bedauern zu spüren, dass ihr Präsident sich dort verabschiedet hat?
Sach: Die personelle Kontinuität nimmt ab. Man merkt, dass Präsident Bush seine neuen Leute in die Delegation bringt. Die Kollegen auf Arbeitsebene bedauern schon, dass die Arbeiten, an der sie jahrelang beteiligt waren, auch aktiv und konstruktiv beteiligt waren, augenblicklich aus ihrer Sicht nicht zu Ende geführt werden können. Insofern sehen sie schon ein weinendes Auge.
Lange: Ihre Prognose für den Verlauf dieser Konferenz? Wird am Ende das Glas halb voll oder halb leer sein?
Sach: Halb voll!
Lange: Das war Carsten Sach, der deutsche Delegationsleiter beim UNO-Klimagipfel in Bonn. - Danke schön und auf Wiederhören!
Link: Interview als RealAudio
