Möllemann: Einen schönen guten Morgen.
Heuer: Ist das Projekt 18 wirklich tot?
Möllemann: Das ist Quatsch. Das ist ungefähr so, als würde man bei einem Fußballspiel zwanzig Minuten vor dem Spielende, einem Zeitpunkt, wo man noch alle Tore machen kann, anfangen würde, zu diskutieren, ob man in der ersten Halbzeit richtig gespielt hat. Das Spiel geht jetzt in die entscheidende Phase und natürlich kämpfen wir um unser Projekt 18 und nichts ist entschieden bisher.
Heuer: Wer in der FDP-Spitze ist denn da vom Glauben abgefallen?
Möllemann: Ich glaube, dass dort einfach eine Zeitung ihre Interessen vertritt oder besser: ein Journalist dieser Zeitung. Denn wenn man eine solche Meldung erhärten wollte, hätte man ja sicher irgendeinen Namen gebracht. Hat man nicht, also: reine Spekulation.
Heuer: Frei erfunden?
Möllemann: Ja selbstverständlich frei erfunden. Denn ich kenne in der ganzen FDP-Spitze nur Leute, die von morgens bis abends Wahlkampf machen, was sich auch so gehört. Und da man ja weiß, dass im Moment noch 25 Prozent aller Wähler sagen: wir wissen noch gar nicht, ob wir wählen und wenn ja, was. Es ist noch sehr viel Musik im Karton und wie gesagt: man kämpft auf dem Fußballplatz und bei der Wahl bis zum Wahltermin und hört nicht eine Woche vorher auf, wir wären ja ganz schön blöd.
Heuer: Die FDP liegt in den neuesten Meinungsumfragen zwischen 7,5 und gut 10 Prozent. Das ist weit entfernt von 18 Prozent, es ist aber, Herr Möllemann, ganz nah dran an den Umfragewerten für Ihren natürlichen Konkurrenten um die Regierungsbeteiligung, nämlich für die Grünen. Mit welchen Themen wollen Sie den Abstand zu den Grünen in den verbleibenden sieben Tagen bis zur Wahl noch ausbauen?
Möllemann: Ich will nur noch mal der guten Ordnung halber sagen: als wir in Sachsen-Anhalt eine Woche vor der Wahl bei sieben lagen und dann dreizehn hatten, haben viele gestaunt. Das lag auch nicht daran, dass in der letzten Woche noch ein Superthema erfunden worden wäre, das ist immer schwer, sondern dass wir von den vielen bis dahin Unentschlossenen offenbar den last minute swing, den großen Rutsch noch mal bekommen haben. Das gleiche trauen wir uns auch dieses mal zu. Ich glaube, dass zwei Fragen in der letzten Woche besonders relevant sein werden. Angesichts der vielen wirtschaftlichen Probleme wird den Leuten im letzten Moment das Portemonnaie näher sein als irgendeine Spekulation, sprich die wirtschaftliche Zukunft. Und das zweite ist: die Menschen, die vielleicht Schröder wollen, nicht aber in einer Kombination mit Grünen und Tiefroten werden die sicherste Gewähr gegen eine solche Kombination in der FDP sehen. Also: Wirtschaftsfragen und funktionale Fragen werden gleichermaßen noch einen großen Push für die FDP bringen.
Heuer: Sie haben selbst Sachsen-Anhalt erwähnt. Das war ein großer Überraschungserfolg für die FDP und anschließend ist er ein bisschen durch das Hin und Her verspielt worden, die die Spitzenkandidatin Cornelia Pieper in Magdeburg demonstriert hat. Gerade in Ostdeutschland schneidet die FDP schlecht ab. Wie wollen Sie denn da an die Wähler, an die Stimmen herankommen?
Möllemann: Nicht anders als in Sachsen-Anhalt, mit der gleichen inhaltlichen Konzeption. Frau Pieper ist Fraktionsvorsitzende geworden, nicht Ministerin. Aber ich bin selbst Fraktionsvorsitzender in Nordrhein-Westfalen und das ist ja wirklich keine Schande. Ich glaube, gerade auch in den neuen Bundesländern, im Osten Deutschlands, ist die Frage nach der wirtschaftlich allerdings sehr deutlich, traut man unserem Wettbewerber um den Koalitionsplatz, wie Sie gesagt haben, den Grünen, ja deutlich weniger zu als uns. Insofern bin ich sehr sicher, dass die FDP in Ostdeutschland in allen Ländern deutlich besser abschneiden wird als die Grünen. Ich rechne damit, dass wir mindestens doppelt so stark werden wie die Grünen.
Heuer: Noch ein ehrgeiziges Ziel... Vor allem die Irak-Debatte hat Rot-Grün in den vergangenen Wochen Stimmen eingebracht. Wichtige Liberale haben dagegen das strikte Nein der Regierung zu einer deutschen Beteiligung an einem Irak-Krieg auch mit UN-Mandat auch heftig kritisiert. Gesetzt den Fall, es gäbe ein neues UN-Mandat, der Irak folgte ihm aber nicht - hielten Sie ein militärisches Vorgehen gegen den Irak dann für vertretbar, Herr Möllemann?
Möllemann: Ich glaube, dass solche Fragen spekulativ zu beantworten nicht sehr klug ist. Denn eines ist, glaube ich, aus Sicht aller Beteiligten richtig: dass auf die irakische Führung Druck ausgeübt werden muss und das wird relativ schlecht gelingen, wenn man öffentlich unablässig seine eigenen Optionen diskutiert und einschränkt. Ich glaube, es ist jetzt die Zeit für politische Initiativen und nicht die Zeit, jeden Tag über Militäreinsätze zu fabulieren. Was wir brauchen, wäre eine Art Uno-Doppelbeschluss. Ein Beschluss der vereinten Nationen, der den beiden Staaten, die in der nahöstlichen Region in schöner Regelmäßigkeit die Entschließungen des Sicherheitsrates missachten, deutlich macht, dass der Sicherheitsrat das nicht weiter hinnehmen wird, nämlich dem Irak aber auch dem Staat Israel, beide negieren ja regelmäßig die Sicherheitsratsentscheidungen und wenn man für ein Vorgehen des Sicherheitsrates gegen Staaten, die sich an Entschließungen nicht halten, Verständnis erwecken will, wenn man die UNO aus dem Ruf bringen will, auf einem Auge blind zu sein, wenn man vor allem aber auch die arabische Welt hinter solche Beschlüsse bekommen will, dann müsste die UNO jetzt ein Zeichen setzen und sagen: wir verlangen in der ganzen Region, die ja von mehreren Krisen geplagt ist, die Einhaltung der Sicherheitsratsentschließungen. Und dann kann man auch erwarten, dass wenn ein Staat sich nicht daran hält, die große Mehrheit bereit ist, Konsequenzen zu ziehen.
Heuer: Noch einmal zurück ins Inland: Guido Westerwelle und Sie werben seit dem Wochenende ganz offen und ganz gezielt um die Stimmen von Unionsanhängern, weil die CDU/CSU - wie Sie, Herr Möllemann, gesagt haben - es wahrscheinlich sowieso nicht schaffe. Wäre es da nicht ehrlich, auch den zweiten Schritt zu gehen und öffentlich eine Koalitionsaussage zugunsten der SPD zu machen?
Möllemann: Nein. Wir haben unsere 18 Prozent-Strategie ja immer ausdrücklich als eine Unabhängigkeitsstrategie formuliert, die bewusst darauf verzichtet, ganz bewusst und gezielt darauf verzichtet, sich vor der Wahl so einseitig zu binden, dass man nach der Wahl nichts mehr zu verhandeln hat. Ich weiß nicht, ob die Union und die SPD so weit auseinanderliegen werden, dass es überhaupt nur Verhandlungen mit einem geben kann. Im Moment ist der Trend ja so und wir haben immer gesagt: wir sind bereit, eine stabile Zweierbeziehung mit derjenigen Partei einzugehen, die bereit ist, in Verhandlungen sich mit uns auf ein gemeinsames Programm zu verständigen. Im Moment sieht es so aus, das muss man ja mit allem Vorbehalt sagen, den ich ja für unser Ergebnis auch angemeldet habe, dass wegen des Schröder-Effekts die SPD doch etwas vorne liegt und da in der Tat glaube ich, wird mancher Wähler, der mit der Idee gespielt hat, Union zu wählen, dann, wenn er merkt, die Union stellt den Kanzler doch nicht, sagen, dann erreiche ich mindestens das zweitwichtigste Ziel, nämlich dass es keine Regierung mit grün und tiefrot gibt, dann wird die FDP wahrscheinlich zum Joker.
Heuer: Und wir müssen das Ergebnis abwarten. Die FDP im Wahlkampf, sieben Tage vor der Bundestagswahl. Das war Jürgen Möllemann, der FDP-Vorsitzende in Nordrhein-Westfalen. Ich danke Ihnen für das Gespräch.
Möllemann: Wiederhören.
Link: Interview als RealAudio
Heuer: Ist das Projekt 18 wirklich tot?
Möllemann: Das ist Quatsch. Das ist ungefähr so, als würde man bei einem Fußballspiel zwanzig Minuten vor dem Spielende, einem Zeitpunkt, wo man noch alle Tore machen kann, anfangen würde, zu diskutieren, ob man in der ersten Halbzeit richtig gespielt hat. Das Spiel geht jetzt in die entscheidende Phase und natürlich kämpfen wir um unser Projekt 18 und nichts ist entschieden bisher.
Heuer: Wer in der FDP-Spitze ist denn da vom Glauben abgefallen?
Möllemann: Ich glaube, dass dort einfach eine Zeitung ihre Interessen vertritt oder besser: ein Journalist dieser Zeitung. Denn wenn man eine solche Meldung erhärten wollte, hätte man ja sicher irgendeinen Namen gebracht. Hat man nicht, also: reine Spekulation.
Heuer: Frei erfunden?
Möllemann: Ja selbstverständlich frei erfunden. Denn ich kenne in der ganzen FDP-Spitze nur Leute, die von morgens bis abends Wahlkampf machen, was sich auch so gehört. Und da man ja weiß, dass im Moment noch 25 Prozent aller Wähler sagen: wir wissen noch gar nicht, ob wir wählen und wenn ja, was. Es ist noch sehr viel Musik im Karton und wie gesagt: man kämpft auf dem Fußballplatz und bei der Wahl bis zum Wahltermin und hört nicht eine Woche vorher auf, wir wären ja ganz schön blöd.
Heuer: Die FDP liegt in den neuesten Meinungsumfragen zwischen 7,5 und gut 10 Prozent. Das ist weit entfernt von 18 Prozent, es ist aber, Herr Möllemann, ganz nah dran an den Umfragewerten für Ihren natürlichen Konkurrenten um die Regierungsbeteiligung, nämlich für die Grünen. Mit welchen Themen wollen Sie den Abstand zu den Grünen in den verbleibenden sieben Tagen bis zur Wahl noch ausbauen?
Möllemann: Ich will nur noch mal der guten Ordnung halber sagen: als wir in Sachsen-Anhalt eine Woche vor der Wahl bei sieben lagen und dann dreizehn hatten, haben viele gestaunt. Das lag auch nicht daran, dass in der letzten Woche noch ein Superthema erfunden worden wäre, das ist immer schwer, sondern dass wir von den vielen bis dahin Unentschlossenen offenbar den last minute swing, den großen Rutsch noch mal bekommen haben. Das gleiche trauen wir uns auch dieses mal zu. Ich glaube, dass zwei Fragen in der letzten Woche besonders relevant sein werden. Angesichts der vielen wirtschaftlichen Probleme wird den Leuten im letzten Moment das Portemonnaie näher sein als irgendeine Spekulation, sprich die wirtschaftliche Zukunft. Und das zweite ist: die Menschen, die vielleicht Schröder wollen, nicht aber in einer Kombination mit Grünen und Tiefroten werden die sicherste Gewähr gegen eine solche Kombination in der FDP sehen. Also: Wirtschaftsfragen und funktionale Fragen werden gleichermaßen noch einen großen Push für die FDP bringen.
Heuer: Sie haben selbst Sachsen-Anhalt erwähnt. Das war ein großer Überraschungserfolg für die FDP und anschließend ist er ein bisschen durch das Hin und Her verspielt worden, die die Spitzenkandidatin Cornelia Pieper in Magdeburg demonstriert hat. Gerade in Ostdeutschland schneidet die FDP schlecht ab. Wie wollen Sie denn da an die Wähler, an die Stimmen herankommen?
Möllemann: Nicht anders als in Sachsen-Anhalt, mit der gleichen inhaltlichen Konzeption. Frau Pieper ist Fraktionsvorsitzende geworden, nicht Ministerin. Aber ich bin selbst Fraktionsvorsitzender in Nordrhein-Westfalen und das ist ja wirklich keine Schande. Ich glaube, gerade auch in den neuen Bundesländern, im Osten Deutschlands, ist die Frage nach der wirtschaftlich allerdings sehr deutlich, traut man unserem Wettbewerber um den Koalitionsplatz, wie Sie gesagt haben, den Grünen, ja deutlich weniger zu als uns. Insofern bin ich sehr sicher, dass die FDP in Ostdeutschland in allen Ländern deutlich besser abschneiden wird als die Grünen. Ich rechne damit, dass wir mindestens doppelt so stark werden wie die Grünen.
Heuer: Noch ein ehrgeiziges Ziel... Vor allem die Irak-Debatte hat Rot-Grün in den vergangenen Wochen Stimmen eingebracht. Wichtige Liberale haben dagegen das strikte Nein der Regierung zu einer deutschen Beteiligung an einem Irak-Krieg auch mit UN-Mandat auch heftig kritisiert. Gesetzt den Fall, es gäbe ein neues UN-Mandat, der Irak folgte ihm aber nicht - hielten Sie ein militärisches Vorgehen gegen den Irak dann für vertretbar, Herr Möllemann?
Möllemann: Ich glaube, dass solche Fragen spekulativ zu beantworten nicht sehr klug ist. Denn eines ist, glaube ich, aus Sicht aller Beteiligten richtig: dass auf die irakische Führung Druck ausgeübt werden muss und das wird relativ schlecht gelingen, wenn man öffentlich unablässig seine eigenen Optionen diskutiert und einschränkt. Ich glaube, es ist jetzt die Zeit für politische Initiativen und nicht die Zeit, jeden Tag über Militäreinsätze zu fabulieren. Was wir brauchen, wäre eine Art Uno-Doppelbeschluss. Ein Beschluss der vereinten Nationen, der den beiden Staaten, die in der nahöstlichen Region in schöner Regelmäßigkeit die Entschließungen des Sicherheitsrates missachten, deutlich macht, dass der Sicherheitsrat das nicht weiter hinnehmen wird, nämlich dem Irak aber auch dem Staat Israel, beide negieren ja regelmäßig die Sicherheitsratsentscheidungen und wenn man für ein Vorgehen des Sicherheitsrates gegen Staaten, die sich an Entschließungen nicht halten, Verständnis erwecken will, wenn man die UNO aus dem Ruf bringen will, auf einem Auge blind zu sein, wenn man vor allem aber auch die arabische Welt hinter solche Beschlüsse bekommen will, dann müsste die UNO jetzt ein Zeichen setzen und sagen: wir verlangen in der ganzen Region, die ja von mehreren Krisen geplagt ist, die Einhaltung der Sicherheitsratsentschließungen. Und dann kann man auch erwarten, dass wenn ein Staat sich nicht daran hält, die große Mehrheit bereit ist, Konsequenzen zu ziehen.
Heuer: Noch einmal zurück ins Inland: Guido Westerwelle und Sie werben seit dem Wochenende ganz offen und ganz gezielt um die Stimmen von Unionsanhängern, weil die CDU/CSU - wie Sie, Herr Möllemann, gesagt haben - es wahrscheinlich sowieso nicht schaffe. Wäre es da nicht ehrlich, auch den zweiten Schritt zu gehen und öffentlich eine Koalitionsaussage zugunsten der SPD zu machen?
Möllemann: Nein. Wir haben unsere 18 Prozent-Strategie ja immer ausdrücklich als eine Unabhängigkeitsstrategie formuliert, die bewusst darauf verzichtet, ganz bewusst und gezielt darauf verzichtet, sich vor der Wahl so einseitig zu binden, dass man nach der Wahl nichts mehr zu verhandeln hat. Ich weiß nicht, ob die Union und die SPD so weit auseinanderliegen werden, dass es überhaupt nur Verhandlungen mit einem geben kann. Im Moment ist der Trend ja so und wir haben immer gesagt: wir sind bereit, eine stabile Zweierbeziehung mit derjenigen Partei einzugehen, die bereit ist, in Verhandlungen sich mit uns auf ein gemeinsames Programm zu verständigen. Im Moment sieht es so aus, das muss man ja mit allem Vorbehalt sagen, den ich ja für unser Ergebnis auch angemeldet habe, dass wegen des Schröder-Effekts die SPD doch etwas vorne liegt und da in der Tat glaube ich, wird mancher Wähler, der mit der Idee gespielt hat, Union zu wählen, dann, wenn er merkt, die Union stellt den Kanzler doch nicht, sagen, dann erreiche ich mindestens das zweitwichtigste Ziel, nämlich dass es keine Regierung mit grün und tiefrot gibt, dann wird die FDP wahrscheinlich zum Joker.
Heuer: Und wir müssen das Ergebnis abwarten. Die FDP im Wahlkampf, sieben Tage vor der Bundestagswahl. Das war Jürgen Möllemann, der FDP-Vorsitzende in Nordrhein-Westfalen. Ich danke Ihnen für das Gespräch.
Möllemann: Wiederhören.
Link: Interview als RealAudio