Reinhardt: Guten Morgen, Herr Müller!
Müller: Das militärische Szenario und was davon noch übrig bleibt, das ist unser Thema. Ist ein Krieg schon gewonnen, auch wenn er noch weiter geht?
Reinhardt: Ja, er kann nicht mehr verloren werden. Das Regime von Saddam Hussein existiert nicht mehr, es ist zusammengebrochen. Wenn sein Botschafter bei der UNO sagt, das Spiel wäre aus, dann zeigt das eigentlich, dass man das auch erkannt hat. Die militärische Führung existiert nicht mehr. Es gibt keinen wirklich organisierten Widerstand. Es gibt noch mit Sicherheit in vielen Bereichen des Landes Heckenschützen und einzelne Widerstandsnester. Aber die werden das gesamte Steuer nicht mehr herumreißen können, auch wenn Saddam Hussein auch nach Norden ausgewichen sein sollte, dann hat er im Grunde genommen nur noch schwache Kräfte auf seiner Seite. Es ist eine Frage der Zeit, dass das zu Ende geht. Die Amerikaner bringen permanent neue Kräfte aus Amerika, aus Europa nach. Die Waage ist eindeutig auf ihrer Seite.
Müller: Ich gebe zu, das wissen wir beide, dass Sie nicht im Irak sind. Ich muss Sie das trotzdem fragen. Wo ist die republikanische Garde?
Reinhardt: Ich glaube, die Masse der republikanischen Garde ist heute als Zivilisten in der Bevölkerung untergetaucht. Die Bilder zeigten, dass sie sich reihenweise die Uniformen ausgezogen haben und sich einfach verdrückt haben. Das zeigt, dass sie die Hoffnungslosigkeit ihrer Situation erkannt haben und einem solchen Hightech-Gegner, der sie in der Distanz, in der Zielgenauigkeit so weit überlegen ausdistanziert hat, dass sie eigentlich keine Chance hatten, nicht mehr als reine Opferlämmer zur Verfügung stehen wollten. Sie haben gesagt: 'Warum eigentlich noch kämpfen, wenn wir keine Chance mehr haben.' Dann haben sie sich unter die Zivilbevölkerung gemischt.
Müller: In Bagdad beispielsweise, vor allem aber im Norden des Irak gibt es ja immer noch vereinzelte Gefechte. Sind das besonders mutige Kämpfer?
Reinhardt: Nein, im Norden haben die Amerikaner bis jetzt ja nur schwache Fallschirmtruppen anlanden können. Nördlich von Mossul und Kirkuk ist es ja nicht gelungen, den Hauptstoß, der ja eigentlich über den Norden, das heißt aus der Türkei heraus, hätte geführt werden sollen, durchzuziehen, so dass die Amerikaner dort eigentlich nur begrenzt präsent gewesen sind. Hier kommt es jetzt darauf an, diese Kräfte schnell mit mechanisierter Stoßkraft zu verstärken, denn Fallschirmjäger, die auf dem Boden angelandet sind, haben keine Stoßkraft. Sie können allenfalls irgendwelche Objekte halten, aber sie können sehr schwer angreifen. Ich gehe davon aus, dass man nun auch Kräfte aus dem Bereich Bagdad sehr schnell nach Norden abziehen wird, um dem ein Ende zu machen. Hier ist einfach die Konsequenz, dass über die Türkei der Stoß nicht geführt werden konnte, spürbar. Das wird sich noch zwei oder drei Tage hinausziehen, aber an der Gesamtsituation wird das nichts ändern.
Müller: Unser Korrespondent im Norden des Irak, in Erbil, hat heute Morgen davon berichtet, dass es rund 100.000 kurdische Kämpfer gibt. Könnten man denen das militärische Szenario im Norden nicht komplett überlassen?
Reinhardt: Nein, das kann man deswegen nicht, weil die Kurden in Wirklichkeit einen unabhängigen, kurdischen Staat mit Kirkuk, ihrer Hauptstadt, haben wollen. Das sagen sie natürlich noch nicht. Sie wollen unbedingt zurück nach Kirkuk und sich damit selbständig machen. Wenn sie das tun würden, bedeutete dies, dass sofort die Türken auf dem Plan wären. Dann würden die Türken einmarschieren, weil sich die Türkei ein selbständiges Kurdistan südlich der Grenze nicht erlauben kann, ohne Angst zu haben, dass es dann zu erheblichen Problemen mit ihren eigenen Kurden in der Türkei käme. Deswegen müssen die Amerikaner dort das Heft in der Hand behalten. Sie müssen die Kurden davon überzeugen, dass sie zwar eine hohe Autonomie bekommen können, aber keine Selbständigkeit. Das heißt, sie werden in die Kämpfe mit eingebunden, aber die Amerikaner werden die sein, die diese Kämpfe organisieren und führen.
Müller: Rechnen Sie noch mit Guerilla-Kämpfern?
Reinhardt: Ja, die werden auch über längere Zeit erfahrungsgemäß noch bleiben. Die Frage ist, wieweit sie informiert sind, dass der Krieg zu Ende ist. Die Frage ist, wer sich von diesen Kämpfern als Patriot sieht, der sein Volk noch verteidigen möchte. Aber auch hier gehen diesen Leuten nachher die Munition aus. Sie sind abgeschnitten und von den amerikanischen und britischen Kräften umgeben. Sie werden dann irgendwann auch in der Bevölkerung verschwinden.
Müller: Kommen wir noch einmal zurück nach Bagdad auf den Tag gestern und die Fernsehbilder, die wir gestern gesehen haben. Hätten Sie als Oberbefehlshaber die Plünderungen in der Stadt toleriert?
Reinhardt: Sie können es überhaupt nicht vermeiden. Die Soldaten kämpfen noch. Sie wissen nicht, wer ihr Gegner ist und wer nicht. Jetzt auf Plünderer zu schießen, wäre das Verkehrteste, was Sie machen können. Das muss man hinnehmen. Sie zeigen natürlich das Grundproblem auf, dass es nach einem Krieg in eine Stabilisierung umzuleiten gilt und dass es jetzt kein Machtvakuum gibt. Die Briten und Amerikaner müssen jetzt sehr schnell das Heft in die Hand nehmen und praktisch Polizeiaufgaben übernehmen, ob sie das wollen oder nicht. Die Briten wollten es in Basra nicht tun, in der Zwischenzeit tun sie es doch. Denn wenn sie es nicht tun, hat der Mob die Straße inne und dann beginnen nicht nur die Plünderungen, sondern auch die Abrechnung. Das wäre dann eine Bürgerkriegs-ähnliche Situation innerhalb des Landes. Das muss mit allen Mitteln vermieden werden, und hier müssen die Amerikaner sehr schnell umdenken. Es geht jetzt nicht nur darum, das Land zu erobern, sondern zu stabilisieren und die Hilfsgüter der verschiedenen zivilen Organisation laufen zu lassen. Denn wenn sie die Bevölkerung nicht mit Wasser, Verpflegung und Medikamenten versorgen, dann verliert sie das Vertrauen.
Müller: Allen Unken-Rufen der vergangenen Wochen zum Trotz, wir denken vielleicht zehn, zwölf Tage zurück. Es hat ja deutliche Kritik am amerikanischen Vorgehen unter militärischen Gesichtspunkten gegeben. Ist die Militäroperation bislang doch so verlaufen wie geplant? Ist sie effizient und effektiv?
Reinhardt: Die Amerikaner haben eine Situation angefunden, die sich nach sehr schnellen Operationserfolgen festgefressen hat, weil sie ihre Logistik nicht entsprechend nach gebracht haben. Sie haben eine Pause gemacht und die Logistik stabilisiert. Sie haben weitere Kräfte, nämlich die Marines nach vorne gebracht, um mit zwei Stoßzangen zu arbeiten. Ich glaube, sie waren sehr erfolgreich. Ich glaube, sie haben eine sehr flexible Operationsführung mit sehr schnellen Reaktionen gezeigt. Ich glaube, man kann sie als erfolgreich bezeichnen. Das war nur möglich, weil sie über modernste Führungsmittel verfügen, weil sie den Kampf Luft und Boden und Hubschrauber optimal koordiniert haben. Wenn man heute hört, dass es noch etwa zwanzig Panzer in den republikanischen Garden gab, und man sprach einmal von 2.500, dann sieht man alleine an diesen Zahlen, was das für eine Konsequenz auf der Seite der irakischen Streitkräfte gehabt hat.
Müller: Vielen Dank, Herr Reinhardt!
Link: Interview als RealAudio
Müller: Das militärische Szenario und was davon noch übrig bleibt, das ist unser Thema. Ist ein Krieg schon gewonnen, auch wenn er noch weiter geht?
Reinhardt: Ja, er kann nicht mehr verloren werden. Das Regime von Saddam Hussein existiert nicht mehr, es ist zusammengebrochen. Wenn sein Botschafter bei der UNO sagt, das Spiel wäre aus, dann zeigt das eigentlich, dass man das auch erkannt hat. Die militärische Führung existiert nicht mehr. Es gibt keinen wirklich organisierten Widerstand. Es gibt noch mit Sicherheit in vielen Bereichen des Landes Heckenschützen und einzelne Widerstandsnester. Aber die werden das gesamte Steuer nicht mehr herumreißen können, auch wenn Saddam Hussein auch nach Norden ausgewichen sein sollte, dann hat er im Grunde genommen nur noch schwache Kräfte auf seiner Seite. Es ist eine Frage der Zeit, dass das zu Ende geht. Die Amerikaner bringen permanent neue Kräfte aus Amerika, aus Europa nach. Die Waage ist eindeutig auf ihrer Seite.
Müller: Ich gebe zu, das wissen wir beide, dass Sie nicht im Irak sind. Ich muss Sie das trotzdem fragen. Wo ist die republikanische Garde?
Reinhardt: Ich glaube, die Masse der republikanischen Garde ist heute als Zivilisten in der Bevölkerung untergetaucht. Die Bilder zeigten, dass sie sich reihenweise die Uniformen ausgezogen haben und sich einfach verdrückt haben. Das zeigt, dass sie die Hoffnungslosigkeit ihrer Situation erkannt haben und einem solchen Hightech-Gegner, der sie in der Distanz, in der Zielgenauigkeit so weit überlegen ausdistanziert hat, dass sie eigentlich keine Chance hatten, nicht mehr als reine Opferlämmer zur Verfügung stehen wollten. Sie haben gesagt: 'Warum eigentlich noch kämpfen, wenn wir keine Chance mehr haben.' Dann haben sie sich unter die Zivilbevölkerung gemischt.
Müller: In Bagdad beispielsweise, vor allem aber im Norden des Irak gibt es ja immer noch vereinzelte Gefechte. Sind das besonders mutige Kämpfer?
Reinhardt: Nein, im Norden haben die Amerikaner bis jetzt ja nur schwache Fallschirmtruppen anlanden können. Nördlich von Mossul und Kirkuk ist es ja nicht gelungen, den Hauptstoß, der ja eigentlich über den Norden, das heißt aus der Türkei heraus, hätte geführt werden sollen, durchzuziehen, so dass die Amerikaner dort eigentlich nur begrenzt präsent gewesen sind. Hier kommt es jetzt darauf an, diese Kräfte schnell mit mechanisierter Stoßkraft zu verstärken, denn Fallschirmjäger, die auf dem Boden angelandet sind, haben keine Stoßkraft. Sie können allenfalls irgendwelche Objekte halten, aber sie können sehr schwer angreifen. Ich gehe davon aus, dass man nun auch Kräfte aus dem Bereich Bagdad sehr schnell nach Norden abziehen wird, um dem ein Ende zu machen. Hier ist einfach die Konsequenz, dass über die Türkei der Stoß nicht geführt werden konnte, spürbar. Das wird sich noch zwei oder drei Tage hinausziehen, aber an der Gesamtsituation wird das nichts ändern.
Müller: Unser Korrespondent im Norden des Irak, in Erbil, hat heute Morgen davon berichtet, dass es rund 100.000 kurdische Kämpfer gibt. Könnten man denen das militärische Szenario im Norden nicht komplett überlassen?
Reinhardt: Nein, das kann man deswegen nicht, weil die Kurden in Wirklichkeit einen unabhängigen, kurdischen Staat mit Kirkuk, ihrer Hauptstadt, haben wollen. Das sagen sie natürlich noch nicht. Sie wollen unbedingt zurück nach Kirkuk und sich damit selbständig machen. Wenn sie das tun würden, bedeutete dies, dass sofort die Türken auf dem Plan wären. Dann würden die Türken einmarschieren, weil sich die Türkei ein selbständiges Kurdistan südlich der Grenze nicht erlauben kann, ohne Angst zu haben, dass es dann zu erheblichen Problemen mit ihren eigenen Kurden in der Türkei käme. Deswegen müssen die Amerikaner dort das Heft in der Hand behalten. Sie müssen die Kurden davon überzeugen, dass sie zwar eine hohe Autonomie bekommen können, aber keine Selbständigkeit. Das heißt, sie werden in die Kämpfe mit eingebunden, aber die Amerikaner werden die sein, die diese Kämpfe organisieren und führen.
Müller: Rechnen Sie noch mit Guerilla-Kämpfern?
Reinhardt: Ja, die werden auch über längere Zeit erfahrungsgemäß noch bleiben. Die Frage ist, wieweit sie informiert sind, dass der Krieg zu Ende ist. Die Frage ist, wer sich von diesen Kämpfern als Patriot sieht, der sein Volk noch verteidigen möchte. Aber auch hier gehen diesen Leuten nachher die Munition aus. Sie sind abgeschnitten und von den amerikanischen und britischen Kräften umgeben. Sie werden dann irgendwann auch in der Bevölkerung verschwinden.
Müller: Kommen wir noch einmal zurück nach Bagdad auf den Tag gestern und die Fernsehbilder, die wir gestern gesehen haben. Hätten Sie als Oberbefehlshaber die Plünderungen in der Stadt toleriert?
Reinhardt: Sie können es überhaupt nicht vermeiden. Die Soldaten kämpfen noch. Sie wissen nicht, wer ihr Gegner ist und wer nicht. Jetzt auf Plünderer zu schießen, wäre das Verkehrteste, was Sie machen können. Das muss man hinnehmen. Sie zeigen natürlich das Grundproblem auf, dass es nach einem Krieg in eine Stabilisierung umzuleiten gilt und dass es jetzt kein Machtvakuum gibt. Die Briten und Amerikaner müssen jetzt sehr schnell das Heft in die Hand nehmen und praktisch Polizeiaufgaben übernehmen, ob sie das wollen oder nicht. Die Briten wollten es in Basra nicht tun, in der Zwischenzeit tun sie es doch. Denn wenn sie es nicht tun, hat der Mob die Straße inne und dann beginnen nicht nur die Plünderungen, sondern auch die Abrechnung. Das wäre dann eine Bürgerkriegs-ähnliche Situation innerhalb des Landes. Das muss mit allen Mitteln vermieden werden, und hier müssen die Amerikaner sehr schnell umdenken. Es geht jetzt nicht nur darum, das Land zu erobern, sondern zu stabilisieren und die Hilfsgüter der verschiedenen zivilen Organisation laufen zu lassen. Denn wenn sie die Bevölkerung nicht mit Wasser, Verpflegung und Medikamenten versorgen, dann verliert sie das Vertrauen.
Müller: Allen Unken-Rufen der vergangenen Wochen zum Trotz, wir denken vielleicht zehn, zwölf Tage zurück. Es hat ja deutliche Kritik am amerikanischen Vorgehen unter militärischen Gesichtspunkten gegeben. Ist die Militäroperation bislang doch so verlaufen wie geplant? Ist sie effizient und effektiv?
Reinhardt: Die Amerikaner haben eine Situation angefunden, die sich nach sehr schnellen Operationserfolgen festgefressen hat, weil sie ihre Logistik nicht entsprechend nach gebracht haben. Sie haben eine Pause gemacht und die Logistik stabilisiert. Sie haben weitere Kräfte, nämlich die Marines nach vorne gebracht, um mit zwei Stoßzangen zu arbeiten. Ich glaube, sie waren sehr erfolgreich. Ich glaube, sie haben eine sehr flexible Operationsführung mit sehr schnellen Reaktionen gezeigt. Ich glaube, man kann sie als erfolgreich bezeichnen. Das war nur möglich, weil sie über modernste Führungsmittel verfügen, weil sie den Kampf Luft und Boden und Hubschrauber optimal koordiniert haben. Wenn man heute hört, dass es noch etwa zwanzig Panzer in den republikanischen Garden gab, und man sprach einmal von 2.500, dann sieht man alleine an diesen Zahlen, was das für eine Konsequenz auf der Seite der irakischen Streitkräfte gehabt hat.
Müller: Vielen Dank, Herr Reinhardt!
Link: Interview als RealAudio