Durak: Kleiner Parteitag der CDU zur Zuwanderung heute in Berlin. Die Führung der Christdemokraten nennt ihr Positionspapier, das beschlossen werden soll, ‚Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung'. Ist damit klar, dass die CDU im Grunde davon ausgeht, Deutschland ist ein Einwanderungsland? Ich habe darüber unter anderem gesprochen mit Jürgen Rüttgers, dem stellvertretenden Bundesvorsitzenden der CDU und Landeschef in Nordrhein-Westfalen. Erste Frage: Akzeptiert die CDU die Zuwanderung?
Rüttgers: Ja, es hat ja auch in der Vergangenheit immer Zuwanderung gegeben und es wird auch in Zukunft Zuwanderung geben.
Durak: Also kein Sinneswandel mit diesem neuen Papier?
Rüttgers: Es ist der Versuch mit der offensichtlichen Tatsache, dass immer Menschen zu uns gekommen sind und auch weiter zu uns kommen werden. Fertig zu werden - politisch fertig zu werden -, daraus ein politisches Konzept zu machen, das ist das Neue. Wir haben ja in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten trotz der großen Zuwanderung kein Integrationskonzept gehabt; vielmehr hat es eine Lebenslüge gegeben, die lautete, dass diejenigen, die zu uns gekommen sind, irgendwann auch schon mal wieder nach Hause gehen werden. Jetzt ist klar: Sie bleiben hier. Und deswegen müssen wir dafür sorgen, dass sie in unsere Gesellschaft integriert werden.
Durak: Wie kommt es denn zu dieser Orientierung, zu dieser anderen Orientierung?
Rüttgers: Die Wahrheit ist ja, dass in den vergangenen Jahren in allen Parteien mit Formulierungen bestimmte Sachverhalte vernebelt worden sind. Die SPD hat über Jahre dem deutschen Volk erzählt, man müsse den Ausländern nur einen Pass geben und dann seien sie integriert. Die Grünen haben von der multikulturellen Gesellschaft geschwärmt und gesagt, das sei nun das Erstrebenswerte, obwohl es keine Gesellschaft auf der Welt gibt, die multikulturell funktioniert. Und die CDU hat den Schwerpunkt darauf gelegt, zu sagen: ‚Wir verhindern Einwanderung in großem Stil'. Jetzt wird die Sache realistisch; jetzt stellen wir uns der großen gesellschaftlichen Herausforderung, dass diejenigen, die hier sind, in unsere Gesellschaft integriert werden, und diejenigen, die zu uns kommen, integriert werden müssen.
Durak: Und Deutschland ist also kein Einwanderungsland?
Rüttgers: Ich bin müde, über solche Begriffe zu diskutieren. Was hilft, ist als Erkenntnis Fortschritt - ob wir das jetzt als ‚Einwanderungsland', als ‚klassisches Einwanderungsland', als ‚Zuwanderungsland' oder wie auch immer bezeichnen.
Durak: Das heißt, Sie sehen keine Unterscheidung zwischen Zuwanderung und Einwanderung?
Rüttgers: Ich kann da keine Unterscheidung sehen. Wenn Menschen zu uns kommen, dann kommen reale Menschen; dann kommen nicht ‚Zuwanderer', nicht ‚Einwanderer', sondern dann kommen Menschen. Die werden teilweise wieder zurückgehen, wenn sie etwa als Asylanten, als Asylbewerber nicht anerkannt werden; sie werden wieder zurückgehen, wenn wir sie vorübergehend als Bürgerkriegsflüchtlinge aufnehmen, und sie werden hier bleiben, wenn sie anerkannt werden als Asylbewerber, wenn wir sie zu uns holen, weil wir sie hier bei uns haben wollen oder wenn sie im Wege des Familiennachzugs kommen werden.
Durak: Stimmt es, Herr Rüttgers, dass sich die Basis durchgesetzt hat - wie es heißt -, indem die Zuwanderung von Arbeitskräften strenger als bisher vorgesehen geregelt werden soll?
Rüttgers: Wir haben von Seiten der CDU in Nordrhein-Westfalen Wert darauf gelegt, dass auch klar und deutlich gesagt wird, dass das Hauptkriterium für die Frage, ob und wie viele zu uns kommen, die Integration in unsere Gesellschaft ist. Sie wissen, dass es erhebliche Forderungen - etwa aus dem Bereich der Wirtschaft - gibt, die immer damit begründet werden, man müsse jetzt ganz schnell billige Arbeitskräfte haben. Den Fehler haben wir schon einmal gemacht in den 60er Jahren. Damals haben wir Gastarbeiter angeworben, haben damit Stellen besetzt. Die Wirtschaft hat dann die Gesellschaft mit der Integrationsaufgabe alleingelassen und wir haben die bis heute nicht gelöst. Deshalb haben wir gesagt: Die Integration muss das Hauptkriterium sein, und das muss auch ernstgemeint sein. Und da das Wichtigste für die Integration die deutsche Sprache ist, war die konkrete Forderung, dass diejenigen, die etwa im Familiennachzug zu uns kommen, bereits deutsch sprechen, wenn sie zu uns kommen.
Durak: Das heißt - um noch mal auf die Basis zurückzukommen - Nordrhein-Westfalen hat sich durchgesetzt - Sie haben sich durchgesetzt?
Rüttgers: Ich glaube, wir haben jetzt einen Prozess von zwei Jahren über das, was unter dem Begriff ‚Integration' zu verstehen ist, hinter uns. Und ich glaube, dass dieses Konzept inzwischen so erfolgreich ist, dass zumindest von Seiten der SPD bisher kein Alternativkonzept vorgelegt worden ist.
Durak: Ist dieses Konzept, Herr Rüttgers, das die CDU nun beschließen will, kompatibel mit dem, was die CSU will?
Rüttgers: Ich glaube ja. Das hat sich auch schon herausgestellt, als wir die gemeinsame Position von CDU und CSU beschlossen haben.
Durak: Ausländische Arbeitskräfte sollen schon bei der Einreise Deutschkenntnisse vorweisen oder sehr schnell - um nicht zu sagen ‚schleunigst' - deutsch lernen. So ist zu lesen in den ersten Informationen zu Ihrem neuen Programm. Verlagern Sie das Problem nach außen?
Rüttgers: Wir machen dasselbe, was wir zum Beispiel bei den Aussiedlern schon seit Jahren mit Erfolg machen, dass wir sagen: Wer zu uns kommen will, wer schnell eine Genehmigung zur Einreise haben will, der soll bitte auch sein Teil zur Integration beitragen. Das macht man am besten, indem man deutsch lernt, am besten auch schon zu Hause.
Durak: Das ist also Pflicht. Es wird zur Pflicht gemacht, deutsch zu beherrschen. Wer wird das prüfen, welche Messlatte wird da angelegt?
Rüttgers: Wenn Sie auf dem deutschen Konsulat oder in der deutschen Botschaft einen entsprechenden Antrag stellen, lässt sich das ja ganz leicht feststellen.
Durak: Wer noch nicht so gut deutsch sprechen kann aber trotzdem gebraucht wird bei uns auf dem Arbeitsmarkt, der darf schon vorher rein, muss dann aber hier deutsch lernen - Pflichtkurse?
Rüttgers: Auch das ist richtig. Und auch da muss es gegebenenfalls einen intensiven Hinweis geben, dass das von uns erwartet wird.
Durak: Und wer das nicht schafft, der wird wieder abgeschoben?
Rüttgers: Es geht nicht um die Frage ‚Abschieben', sondern es geht darum, dass wir bisher ja noch nie wirklich versucht haben von Seiten unseres Landes, Integration zu fördern und auch diejenigen, die lieber in einer Parallelgesellschaft leben, nachdrücklich daran zu erinnern, dass wir hier keine Parallelgesellschaften wollen.
Durak: Sie - die CDU - legt die Latte ein wenig höher, was die Zuwanderung angeht und pocht darauf, dass die Integrationsfähigkeit vorhanden sein soll. So habe ich Sie ja auch richtig verstanden. Wie ist es denn um die Integrationswilligkeit der Deutschen bestellt?
Rüttgers: Natürlich muss, um eine erfolgreiche Integration sicherzustellen, die deutsche Gesellschaft auch ein ‚Ja' zu dieser Integration sagen. Und auch da muss jedem, der sich dann diesen Bemühungen widersetzt, energisch widersprochen werden.
Durak: Und wie soll das in der Praxis aussehen?
Rüttgers: Sie kennen ja die Debatten. Wir haben leider Unbelehrbare, die meinen, man könne mit irgendwelchen Parolen Ausländer bekämpfen oder gegen Ausländer vorgehen. Das wollen wir uns nicht bieten lassen; da muss die Position klar und eindeutig sein.
Durak: Herr Rüttgers, Herr Merz, der Fraktionsvorsitzende im Bundestag, hatte vor einiger Zeit gesagt: ‚Unsere Vorstellungen zur Zuwanderung gibt es nur im Paket, und sonst gar nichts'. Ist das das Paket?
Rüttgers: Die Position der CDU wird beschlossen. Damit ist klar - ja auch schon aufgrund der Debatten der letzten Wochen -, was die CDU will. Die SPD hat es bisher nicht geschafft, ein eigenes Konzept vorzulegen. Wir wollen wissen, was die SPD will. Wir werden auf keinen Fall irgendwelche ‚runden Tische' veranstalten, ohne dass es einen Gesetzentwurf seitens der Regierung gibt. Da wird nur taktiert; die SPD hat Angst vor diesem Thema.
Durak: Das heißt, die erste und wichtigste Diskussion findet im Parlament statt?
Rüttgers: Ich halte das auch für richtig. Natürlich wird es auch weiter die öffentliche Debatte geben, und ich hoffe sehr, dass die Regierung - dass Rot/Grün - sich das noch mal überlegt und einen Gesetzentwurf vorlegt. Ich sage auch persönlich dazu: Wir würden bedauern, wenn das anders laufen würde, weil ich im Moment die Chance sehe, zu einer gemeinsamen Position aller Parteien zu kommen. Wir sollten die nutzen und sollen nicht in die Gefahr uns begeben, dass das etwa zu einem großen Wahlkampfthema wird.
Durak: Herr Rüttgers, ich kann mir so richtig das nicht vorstellen, dass auf diesem kleinen CDU-Parteitag morgen die Kanzlerkandidatenfrage ganz ausgespart wird. Stimmt es, dass die Basis, die dort versammelt ist - vertreten sein wird - eine Antwort haben will?
Rüttgers: Ich bin ganz sicher, dass es Menschen auf dieser Veranstaltung geben wird, die das Thema ganz gerne diskutieren, statt sich um Sachfragen zu kümmern. Das werden im Zweifel die Journalisten sein. Die Delegierten, die da kommen, wissen, dass wir das Thema erst im kommenden Jahr behandeln wollen. Und ich bin mir absolut sicher, dass die das auch genau so sehen.
Durak: Frau Merkel - um mit der Parteivorsitzenden weiterzugehen - Frau Merkel hat ja - zufällig oder nicht - kurz vor diesem Parteitag ein Grundsatzpapier selbst entworfen und über eine Zeitung - über DIE WELT - an die Öffentlichkeit gebracht. Sie will sich für eine Politik der Mitte einsetzen, will dafür werben, will sie umsetzen, damit die CDU erneuern usw.; man muss das noch genauer studieren und vielleicht werten. Hat sie nun ihren Führungsanspruch dadurch deutlicher gemacht als bisher?
Rüttgers: Also, ich bin ganz sicher, dass das kein Zufall war, dass das wohlüberlegte Absicht war. Und das war auch gut so, weil von einer Parteivorsitzenden, von einer Führung verlangt wird - und schon gar auf einem Parteitag -, dass sie sagt, wo es langgehen soll. Und insofern finde ich es gut, dass Angela Merkel ein Papier vorgelegt hat und ihre Ziele präzisiert hat. Für mich ist ganz wichtig, dass sie den Weg der programmatischen Erneuerung der CDU gehen will. Ich glaube, dass es nur über die programmatische Erneuerung die Chance gibt, die Bundestagswahlen zu gewinnen. Das wird auch noch zu kontroversen Diskussionen in den nächsten Wochen und Monaten ganz sicherlich führen, weil Veränderungen diskutiert werden müssen - die werden dann auch kontrovers diskutiert. Aber diese Konkretisierungen, die ja erforderlich sind, wenn man die Ziele, die Angela Merkel beschrieben hat, dann auch für die Menschen fassbar machen wird, damit sie verstehen, wohin die CDU das Land führen will: Gerade diese kontroversen Diskussionen sind erforderlich und helfen uns bei dem Gewinnen der Bundestagswahl.
Durak: Und das, was Angela Merkel dort zusammengefasst hat - präsentiert hat -, das unterstützen Sie?
Rüttgers: Angela Merkel hat klar gesagt, dass die CDU eine Position der Mitte einnehmen muss. Ich teile diese Auffassung. Unser Ziel muss die solidarische Gesellschaft sein, das heißt, wir müssen alle Menschen bei den großen Veränderungen, die in diesem Jahrhundert auf Deutschland zukommen, mitnehmen. Der Weg in die Wissensgesellschaft wird nicht ohne Veränderungen gehen. Und dies klar zu markieren ist ein zentraler Unterschied gegenüber der Politik der Beliebigkeit von Bundeskanzler Schröder.
Durak: Und dann könnte sich also Angela Merkel der Unterstützung des größten CDU-Landesverbandes sicher sein?
Rüttgers: Sie kann ganz sicher sein. Und sie weiß das auch, dass sie die Unterstützung der CDU Nordrhein-Westfalens bei diesem Weg der programmatischen Erneuerung hat.
Durak: Jürgen Rüttgers, stellvertretender Bundesvorsitzender der CDU und Landeschef in Nordrhein-Westfalen. Ich habe vor der Sendung mit ihm gesprochen.
Link: Interview als RealAudio
Rüttgers: Ja, es hat ja auch in der Vergangenheit immer Zuwanderung gegeben und es wird auch in Zukunft Zuwanderung geben.
Durak: Also kein Sinneswandel mit diesem neuen Papier?
Rüttgers: Es ist der Versuch mit der offensichtlichen Tatsache, dass immer Menschen zu uns gekommen sind und auch weiter zu uns kommen werden. Fertig zu werden - politisch fertig zu werden -, daraus ein politisches Konzept zu machen, das ist das Neue. Wir haben ja in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten trotz der großen Zuwanderung kein Integrationskonzept gehabt; vielmehr hat es eine Lebenslüge gegeben, die lautete, dass diejenigen, die zu uns gekommen sind, irgendwann auch schon mal wieder nach Hause gehen werden. Jetzt ist klar: Sie bleiben hier. Und deswegen müssen wir dafür sorgen, dass sie in unsere Gesellschaft integriert werden.
Durak: Wie kommt es denn zu dieser Orientierung, zu dieser anderen Orientierung?
Rüttgers: Die Wahrheit ist ja, dass in den vergangenen Jahren in allen Parteien mit Formulierungen bestimmte Sachverhalte vernebelt worden sind. Die SPD hat über Jahre dem deutschen Volk erzählt, man müsse den Ausländern nur einen Pass geben und dann seien sie integriert. Die Grünen haben von der multikulturellen Gesellschaft geschwärmt und gesagt, das sei nun das Erstrebenswerte, obwohl es keine Gesellschaft auf der Welt gibt, die multikulturell funktioniert. Und die CDU hat den Schwerpunkt darauf gelegt, zu sagen: ‚Wir verhindern Einwanderung in großem Stil'. Jetzt wird die Sache realistisch; jetzt stellen wir uns der großen gesellschaftlichen Herausforderung, dass diejenigen, die hier sind, in unsere Gesellschaft integriert werden, und diejenigen, die zu uns kommen, integriert werden müssen.
Durak: Und Deutschland ist also kein Einwanderungsland?
Rüttgers: Ich bin müde, über solche Begriffe zu diskutieren. Was hilft, ist als Erkenntnis Fortschritt - ob wir das jetzt als ‚Einwanderungsland', als ‚klassisches Einwanderungsland', als ‚Zuwanderungsland' oder wie auch immer bezeichnen.
Durak: Das heißt, Sie sehen keine Unterscheidung zwischen Zuwanderung und Einwanderung?
Rüttgers: Ich kann da keine Unterscheidung sehen. Wenn Menschen zu uns kommen, dann kommen reale Menschen; dann kommen nicht ‚Zuwanderer', nicht ‚Einwanderer', sondern dann kommen Menschen. Die werden teilweise wieder zurückgehen, wenn sie etwa als Asylanten, als Asylbewerber nicht anerkannt werden; sie werden wieder zurückgehen, wenn wir sie vorübergehend als Bürgerkriegsflüchtlinge aufnehmen, und sie werden hier bleiben, wenn sie anerkannt werden als Asylbewerber, wenn wir sie zu uns holen, weil wir sie hier bei uns haben wollen oder wenn sie im Wege des Familiennachzugs kommen werden.
Durak: Stimmt es, Herr Rüttgers, dass sich die Basis durchgesetzt hat - wie es heißt -, indem die Zuwanderung von Arbeitskräften strenger als bisher vorgesehen geregelt werden soll?
Rüttgers: Wir haben von Seiten der CDU in Nordrhein-Westfalen Wert darauf gelegt, dass auch klar und deutlich gesagt wird, dass das Hauptkriterium für die Frage, ob und wie viele zu uns kommen, die Integration in unsere Gesellschaft ist. Sie wissen, dass es erhebliche Forderungen - etwa aus dem Bereich der Wirtschaft - gibt, die immer damit begründet werden, man müsse jetzt ganz schnell billige Arbeitskräfte haben. Den Fehler haben wir schon einmal gemacht in den 60er Jahren. Damals haben wir Gastarbeiter angeworben, haben damit Stellen besetzt. Die Wirtschaft hat dann die Gesellschaft mit der Integrationsaufgabe alleingelassen und wir haben die bis heute nicht gelöst. Deshalb haben wir gesagt: Die Integration muss das Hauptkriterium sein, und das muss auch ernstgemeint sein. Und da das Wichtigste für die Integration die deutsche Sprache ist, war die konkrete Forderung, dass diejenigen, die etwa im Familiennachzug zu uns kommen, bereits deutsch sprechen, wenn sie zu uns kommen.
Durak: Das heißt - um noch mal auf die Basis zurückzukommen - Nordrhein-Westfalen hat sich durchgesetzt - Sie haben sich durchgesetzt?
Rüttgers: Ich glaube, wir haben jetzt einen Prozess von zwei Jahren über das, was unter dem Begriff ‚Integration' zu verstehen ist, hinter uns. Und ich glaube, dass dieses Konzept inzwischen so erfolgreich ist, dass zumindest von Seiten der SPD bisher kein Alternativkonzept vorgelegt worden ist.
Durak: Ist dieses Konzept, Herr Rüttgers, das die CDU nun beschließen will, kompatibel mit dem, was die CSU will?
Rüttgers: Ich glaube ja. Das hat sich auch schon herausgestellt, als wir die gemeinsame Position von CDU und CSU beschlossen haben.
Durak: Ausländische Arbeitskräfte sollen schon bei der Einreise Deutschkenntnisse vorweisen oder sehr schnell - um nicht zu sagen ‚schleunigst' - deutsch lernen. So ist zu lesen in den ersten Informationen zu Ihrem neuen Programm. Verlagern Sie das Problem nach außen?
Rüttgers: Wir machen dasselbe, was wir zum Beispiel bei den Aussiedlern schon seit Jahren mit Erfolg machen, dass wir sagen: Wer zu uns kommen will, wer schnell eine Genehmigung zur Einreise haben will, der soll bitte auch sein Teil zur Integration beitragen. Das macht man am besten, indem man deutsch lernt, am besten auch schon zu Hause.
Durak: Das ist also Pflicht. Es wird zur Pflicht gemacht, deutsch zu beherrschen. Wer wird das prüfen, welche Messlatte wird da angelegt?
Rüttgers: Wenn Sie auf dem deutschen Konsulat oder in der deutschen Botschaft einen entsprechenden Antrag stellen, lässt sich das ja ganz leicht feststellen.
Durak: Wer noch nicht so gut deutsch sprechen kann aber trotzdem gebraucht wird bei uns auf dem Arbeitsmarkt, der darf schon vorher rein, muss dann aber hier deutsch lernen - Pflichtkurse?
Rüttgers: Auch das ist richtig. Und auch da muss es gegebenenfalls einen intensiven Hinweis geben, dass das von uns erwartet wird.
Durak: Und wer das nicht schafft, der wird wieder abgeschoben?
Rüttgers: Es geht nicht um die Frage ‚Abschieben', sondern es geht darum, dass wir bisher ja noch nie wirklich versucht haben von Seiten unseres Landes, Integration zu fördern und auch diejenigen, die lieber in einer Parallelgesellschaft leben, nachdrücklich daran zu erinnern, dass wir hier keine Parallelgesellschaften wollen.
Durak: Sie - die CDU - legt die Latte ein wenig höher, was die Zuwanderung angeht und pocht darauf, dass die Integrationsfähigkeit vorhanden sein soll. So habe ich Sie ja auch richtig verstanden. Wie ist es denn um die Integrationswilligkeit der Deutschen bestellt?
Rüttgers: Natürlich muss, um eine erfolgreiche Integration sicherzustellen, die deutsche Gesellschaft auch ein ‚Ja' zu dieser Integration sagen. Und auch da muss jedem, der sich dann diesen Bemühungen widersetzt, energisch widersprochen werden.
Durak: Und wie soll das in der Praxis aussehen?
Rüttgers: Sie kennen ja die Debatten. Wir haben leider Unbelehrbare, die meinen, man könne mit irgendwelchen Parolen Ausländer bekämpfen oder gegen Ausländer vorgehen. Das wollen wir uns nicht bieten lassen; da muss die Position klar und eindeutig sein.
Durak: Herr Rüttgers, Herr Merz, der Fraktionsvorsitzende im Bundestag, hatte vor einiger Zeit gesagt: ‚Unsere Vorstellungen zur Zuwanderung gibt es nur im Paket, und sonst gar nichts'. Ist das das Paket?
Rüttgers: Die Position der CDU wird beschlossen. Damit ist klar - ja auch schon aufgrund der Debatten der letzten Wochen -, was die CDU will. Die SPD hat es bisher nicht geschafft, ein eigenes Konzept vorzulegen. Wir wollen wissen, was die SPD will. Wir werden auf keinen Fall irgendwelche ‚runden Tische' veranstalten, ohne dass es einen Gesetzentwurf seitens der Regierung gibt. Da wird nur taktiert; die SPD hat Angst vor diesem Thema.
Durak: Das heißt, die erste und wichtigste Diskussion findet im Parlament statt?
Rüttgers: Ich halte das auch für richtig. Natürlich wird es auch weiter die öffentliche Debatte geben, und ich hoffe sehr, dass die Regierung - dass Rot/Grün - sich das noch mal überlegt und einen Gesetzentwurf vorlegt. Ich sage auch persönlich dazu: Wir würden bedauern, wenn das anders laufen würde, weil ich im Moment die Chance sehe, zu einer gemeinsamen Position aller Parteien zu kommen. Wir sollten die nutzen und sollen nicht in die Gefahr uns begeben, dass das etwa zu einem großen Wahlkampfthema wird.
Durak: Herr Rüttgers, ich kann mir so richtig das nicht vorstellen, dass auf diesem kleinen CDU-Parteitag morgen die Kanzlerkandidatenfrage ganz ausgespart wird. Stimmt es, dass die Basis, die dort versammelt ist - vertreten sein wird - eine Antwort haben will?
Rüttgers: Ich bin ganz sicher, dass es Menschen auf dieser Veranstaltung geben wird, die das Thema ganz gerne diskutieren, statt sich um Sachfragen zu kümmern. Das werden im Zweifel die Journalisten sein. Die Delegierten, die da kommen, wissen, dass wir das Thema erst im kommenden Jahr behandeln wollen. Und ich bin mir absolut sicher, dass die das auch genau so sehen.
Durak: Frau Merkel - um mit der Parteivorsitzenden weiterzugehen - Frau Merkel hat ja - zufällig oder nicht - kurz vor diesem Parteitag ein Grundsatzpapier selbst entworfen und über eine Zeitung - über DIE WELT - an die Öffentlichkeit gebracht. Sie will sich für eine Politik der Mitte einsetzen, will dafür werben, will sie umsetzen, damit die CDU erneuern usw.; man muss das noch genauer studieren und vielleicht werten. Hat sie nun ihren Führungsanspruch dadurch deutlicher gemacht als bisher?
Rüttgers: Also, ich bin ganz sicher, dass das kein Zufall war, dass das wohlüberlegte Absicht war. Und das war auch gut so, weil von einer Parteivorsitzenden, von einer Führung verlangt wird - und schon gar auf einem Parteitag -, dass sie sagt, wo es langgehen soll. Und insofern finde ich es gut, dass Angela Merkel ein Papier vorgelegt hat und ihre Ziele präzisiert hat. Für mich ist ganz wichtig, dass sie den Weg der programmatischen Erneuerung der CDU gehen will. Ich glaube, dass es nur über die programmatische Erneuerung die Chance gibt, die Bundestagswahlen zu gewinnen. Das wird auch noch zu kontroversen Diskussionen in den nächsten Wochen und Monaten ganz sicherlich führen, weil Veränderungen diskutiert werden müssen - die werden dann auch kontrovers diskutiert. Aber diese Konkretisierungen, die ja erforderlich sind, wenn man die Ziele, die Angela Merkel beschrieben hat, dann auch für die Menschen fassbar machen wird, damit sie verstehen, wohin die CDU das Land führen will: Gerade diese kontroversen Diskussionen sind erforderlich und helfen uns bei dem Gewinnen der Bundestagswahl.
Durak: Und das, was Angela Merkel dort zusammengefasst hat - präsentiert hat -, das unterstützen Sie?
Rüttgers: Angela Merkel hat klar gesagt, dass die CDU eine Position der Mitte einnehmen muss. Ich teile diese Auffassung. Unser Ziel muss die solidarische Gesellschaft sein, das heißt, wir müssen alle Menschen bei den großen Veränderungen, die in diesem Jahrhundert auf Deutschland zukommen, mitnehmen. Der Weg in die Wissensgesellschaft wird nicht ohne Veränderungen gehen. Und dies klar zu markieren ist ein zentraler Unterschied gegenüber der Politik der Beliebigkeit von Bundeskanzler Schröder.
Durak: Und dann könnte sich also Angela Merkel der Unterstützung des größten CDU-Landesverbandes sicher sein?
Rüttgers: Sie kann ganz sicher sein. Und sie weiß das auch, dass sie die Unterstützung der CDU Nordrhein-Westfalens bei diesem Weg der programmatischen Erneuerung hat.
Durak: Jürgen Rüttgers, stellvertretender Bundesvorsitzender der CDU und Landeschef in Nordrhein-Westfalen. Ich habe vor der Sendung mit ihm gesprochen.
Link: Interview als RealAudio