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Ist eine gezielte Fehlinformation von Seiten der USA aus strategischen Gründen tolerierbar?

    Engels: Am Dienstag brachte es die New York Times an den Tag. Im Pentagon beschäftigt sich ein neues Büro speziell mit der Desinformation von Medien, im Zusammenhang mit dem sogenannten Kampf gegen den Terror. Ausländische Medien sollen, in befreundeten und auch in feindlich gesinnten Ländern, gezielt mit falschen Nachrichten versorgt werden. Kurz nachdem das bekannt wurde, brach in den USA ein Sturm der Entrüstung los. Verteidigungsminister Rumsfeld dementierte die Berichte umgehend, aber recht zaghaft. Das Pentagon, so Rumsfeld, werde bei der Wahrheit bleiben. Es gebe aber Situationen, in denen das Militär aus strategischen Gründen gezielte Fehlinformationen verbreiten werde. Am Telefon begrüße ich nun die ehemalige Bundesjustizministerin und stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, unter anderem engagiert in Menschenrechts- und Medienfragen. Fühlen Sie sich nach diesen Vorkommnissen zukünftig vom Pentagon überhaupt noch glaubhaft informiert?

    Leutheusser-Schnarrenberger: Natürlich werden da ganz erhebliche Zweifel wach. Und die Gefahr, mit Informationen manipuliert zu werden, die Gefahr, dass mit manipulierten Informationen oder gezielten Falschinformationen eine Stimmung erzeugt werden soll, die dann für ganz bestimmte Entscheidungen positiv sein soll, die macht einen zutiefst unsicher. Ich habe eigentlich gedacht, diese Instrumente des Kalten Krieges, die seien endgültig in der Schublade verschwunden. Ich fühle doch meine Besorgnisse schon aus Zeiten des Golfkrieges, aber auch aus den Zeiten des Kosovokrieges wieder bestätigt, und ich denke, das muss uns alle verunsichern und uns lauthals zu Kritik veranlassen.

    Engels: Haben Sie denn auf der anderen Seite Verständnis für die Argumentation von Verteidigungsminister Rumsfeld, Desinformation sei zur Verwirrung des Feindes notwendig?

    Leutheusser-Schnarrenberger: Nein, ich habe dafür überhaupt kein Verständnis, wenn hier gezielt versucht wird, die Öffentlichkeit, also die Bürgerinnen und Bürger, natürlich auch Verbündete, die man gerade braucht, gezielt in ein falsches Licht zu setzen, um vielleicht Unterstützung zu bekommen, und um dann durch die falsche Einschätzung einer Situation vielleicht auch die gewünschte Entscheidungen zu bekommen. Ich halte das für absolut verantwortungslos. Ich denke das kann durch nichts, aber auch durch gar nichts, auch nicht durch die Gefährdung durch den internationalen Terrorismus gerechtfertigt werden.

    Engels: Sie haben ja Ihre Kritik angekündigt. Welche Drähte wollen Sie denn nutzen, um diese Kritik auch gegenüber den USA zu äußern?

    Leutheusser-Schnarrenberger: Ich denke, ein wichtiger Draht ist eben der öffentliche. Ich denke, es muss eben nicht nur in den Vereinigten Staaten, wie es ja schon mit den Berichten der New York Times der Fall war, ganz lautstark kritisiert werden, sondern das muss gerade auch in den Ländern erfolgen, wo man ja dieses Instrument gezielt einsetzen will - in Amerika selbst wäre es ja laut Gesetzeslage verboten, gezielt Falschinformationen zu verbreiten. Es ist auch ganz klar dass hier in Deutschland der Bundestag die Bundesregierung auffordern sollte, ganz deutlich dieses mögliche Vorhaben zu kritisieren, damit eben durch öffentlichen Druck es in dieser Form gar nicht erst umgesetzt werden kann. Aber egal was wir tun, jetzt bleiben doch die Zweifel, dass letztendlich doch in einer gewissen Art und Weise in diesem Bereich so agitiert wird, wie wir es grad nicht wollen.

    Engels: Sie haben es angedeutet, da wird mit zweierlei Maß gemessen. Die ausländischen Medien können unter Umständen falsch informiert werden, für US-Medien soll das nicht gelten. Erwarten Sie da vor allem eine dezidierte Stellungnahme der Bundesregierung?

    Leutheusser-Schnarrenberger: Ich erwarte, dass die Bundesregierung sich dazu nicht nur dezidiert äußert, sondern ich erwarte auch, dass die Bundesregierung hoffentlich Ihre Beziehungen nutzen wird, um ganz klar der amerikanischen Regierung zu sagen, dass dieses Vorhaben wirklich wieder in der Schublade verschwinden muss. Denn schauen Sie sich an, in was für gefährliche Situationen wir eben kommen können, gerade in Nahost, gerade jetzt die Verunsicherung in Deutschland, was hat die amerikanische Regierung vor gegenüber dem Irak, was bedeutet das auch für die deutsche Regierung, für deutsche Politik, wenn die Bundeswehr hineinschlittert in einen völkerrechtswidrigen Krieg? Und wenn dann die Zweifel da sind, und die werden jetzt nicht mehr verschwinden, dass das alles auch noch gezielt durch Falschinformationen gestützt wird, das führt zu Misstrauen unter Verbündeten, und das kann auf lange Sicht großen Schaden anrichten.

    Engels: Welchen Schaden fürchten Sie dort?

    Leutheusser-Schnarrenberger: Misstrauen gegenüber amerikanischen Verbündeten heißt ja, dass man Informationen amerikanischer Freunde nicht vertraut, vielleicht keine Möglichkeit hat, sie zu hinterfragen, und sich möglicherweise durch diese Zweifel in seiner Politik beeinflussen lässt.

    Link: Interview als RealAudio