Meurer: Israel hat sich heute Nacht aus den palästinensischen Städten Tulkarem und Kalkilja zurückgezogen, ist gleichzeitig aber in die Stadt Dora eingerückt. US-Außenminister Colin Powell, der am Freitag nach Israel kommt, hat den Abzug aus den beiden Städten als ermutigend, aber als nicht ausreichend bezeichnet. Am Telefon begrüße ich nun den ehemaligen israelischen Botschafter in Deutschland, Benjamin Navon. Guten Morgen, Herr Navon.
Navon: Einen schönen Guten Morgen.
Meurer: Halten Sie es für möglich, dass Israel seine Operation ''Schutzwall'' in der Westbank bis Freitag beenden wird und das von heute Nacht der Anfang des Abzuges ist?
Navon: Israel hat bereits den Rückzug aus zwei Städten, wie Sie es erwähnt hatte, begonnen. Dass es sich aus allen Orten zurückzieht, die im Rahmen von ''Schutzwall'' übernommen wurden, ist natürlich nicht möglich. Aber Israel hat sich vom ersten Tag dieser Operation an verbindlich erklärt, dass sie keinerlei territoriale Ambitionen hat, weitere Gebiete zu besetzten. Also, der Rückzug wird stattfinden, aber es bis Freitag durchzuführen, ist ausgesprochen unmöglich. Es geht Israel darum, den Terror zu eliminieren und seine Bürger zu schützen, und das geschieht durch diesen ''Schutzwall''.
Meurer: Läuft Israel Gefahr, US-Außenminister Colin Powell damit zu brüskieren, wenn sich bis Freitag da nicht viel getan hat?
Navon: Ich hoffe, dass dies nicht der Fall ist. Ich bin sogar sicher, dass dies nicht der Fall ist, denn die Vereinigten Staaten und Israel sind enge Verbündete, und deshalb kann ich mir kaum vorstellen, dass sich kein Verständnis für Israels lebenswichtige Operation, ihre Staatsbürger zu schützen, zeigen wird.
Meurer: Wie sehr beeindruckt denn Israel die Aufforderung von US-Präsident George Bush, sich aus den Gebieten zurückzuziehen?
Navon: Wir nehmen diese Aufforderung sehr ernst, und wie ich bereits gesagt habe: Wir wollten überhaupt nicht permanent diese Gebiete besetzten. Es geht uns nur darum, den Terror zu eliminieren und dazu benötigen wir noch einige Tage.
Meurer: Aber ist, Herr Navon, die Aktion wirklich verhältnismäßig? Ist das eine Aktion, die eine Anti-Terror-Maßnahme ist oder ist es nicht eine Aktion, die von den Palästinensern als Demütigung empfunden wird?
Navon: Ich glaube, das Wort Demütigung ist hier nicht unbedingt am Platz. Schauen Sie, in den zehn Tagen, seit diese Operation begonnen hat, gab es in Israel keinen wesentlichen Terroranschlag und 48 Stunden bevor diese Operation begonnen hat gab es Anschläge und 50 israelische Bürger, Zivilisten, kamen ums Leben. Und ich glaube, wenn Terror überhaupt messbar ist, ist dies die beste Meßlatte.
Meurer: Darf Israel Häuser zerstören, mit Panzer in Straßen Gebäude zerstören, um den Terror abzuwehren, mit der Begründung, es richtet sich damit gegen Terroranschläge?
Navon: So was sollte nicht geschehen, aber ich möchte Ihnen Folgendes sagen: Unsere palästinensischen Nachbarn haben bisher nie versäumt, eine Gelegenheit zum Beisammenleben, zum Frieden zu versäumen. Sie haben nie eine Gelegenheit versäumt zu versäumen. Was ich aber damit sagen möchte ist: Natürlich sollten Häuser nicht zerstört werden. Nun befinden sich aber in diesen Häusern Terroristen, mit Labors, in denen Dynamit hergestellt wird...
Meurer: Die israelischen Soldaten vermuten, dass sich dort Terroristen befinden. Das wird ja nicht immer der Fall sein.
Navon: Nein, es wird nichts zerstört, aus dem nicht geschossen wird. Nur wenn geschossen wird und Handgranaten geworfen werden, dann wird zerstört.
Meurer: Die Berichte, die wir hier erhalten - Augenzeugenberichte aus den besetzten Gebieten - sind anders.
Navon: Ja, wenn dies palästinensische Augenzeugen sind, dann möchte ich sie mit etwas Vorsicht beurteilen.
Meurer: Sie waren ja, Herr Navon, bis 1993, glaube ich, Botschafter in Bonn.
Navon: So ist es.
Meurer: Jetzt gibt es gerade in Deutschland in den letzten Monaten, in den letzten Wochen und Tagen eine immer stärkere Kritik an Israel. Und sie kommt noch nicht einmal von der Linken, sondern mitten aus der CDU, beispielsweise von Norbert Blüm oder Karl Lamers, die Sie ja noch gut kennen werden.
Navon: Ja, natürlich.
Meurer: Wie sehr beunruhigt Sie diese Kritik?
Navon: Ich bin sehr beunruhigt. Es ist ein Zeichen, dass die Zustände in diesem Land nicht wohl bekannt sind, und dass die Not israelischer Bürger, die tagtäglich ums Leben kommen, nicht unseren Freunden in der CDU und anderswo zur Kenntnis gebracht werden.
Meurer: Verstehen Sie umgekehrt, wenn Ihre Freunde in der CDU enttäuscht sind, wenn von israelischer Seite wenig Selbstkritisches zu hören ist?
Navon: Schauen Sie: Wenn es Freunde sind, deren Freundschaft bewiesen ist, glaube ich, sie sollten etwas mehr über die heutigen Zustände im Nahen Osten, in Israel lernen. Und wenn sie es nicht tun, sollte die Freundschaft vielleicht in Frage gestellt werden.
Meurer: Norbert Blüm und Karl Lamers sind keine Freunde Israels mehr?
Navon: Sie sind durchaus Freunde und wenn sie kritisch sind, dann müssten sie dieses Gebiet jetzt besuchen und sehen, worum es geht, denn wenn am Pessachabend unseres Osterfestes 27 ältere Menschen und Kinder ums Leben kommen, weil sich ein Selbstmörder ins Jenseits begibt und 27 jüdische Menschen, die ihrem Glauben folgen, mitnimmt, ist darin eine schreckliche Tragödie.
Meurer: Der frühere israelische Botschafter in Deutschland, Benjamin Navon, bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk. Herr Navon, ich danke Ihnen für das Gespräch und auf Wiederhören.
Link: Interview als RealAudio
Navon: Einen schönen Guten Morgen.
Meurer: Halten Sie es für möglich, dass Israel seine Operation ''Schutzwall'' in der Westbank bis Freitag beenden wird und das von heute Nacht der Anfang des Abzuges ist?
Navon: Israel hat bereits den Rückzug aus zwei Städten, wie Sie es erwähnt hatte, begonnen. Dass es sich aus allen Orten zurückzieht, die im Rahmen von ''Schutzwall'' übernommen wurden, ist natürlich nicht möglich. Aber Israel hat sich vom ersten Tag dieser Operation an verbindlich erklärt, dass sie keinerlei territoriale Ambitionen hat, weitere Gebiete zu besetzten. Also, der Rückzug wird stattfinden, aber es bis Freitag durchzuführen, ist ausgesprochen unmöglich. Es geht Israel darum, den Terror zu eliminieren und seine Bürger zu schützen, und das geschieht durch diesen ''Schutzwall''.
Meurer: Läuft Israel Gefahr, US-Außenminister Colin Powell damit zu brüskieren, wenn sich bis Freitag da nicht viel getan hat?
Navon: Ich hoffe, dass dies nicht der Fall ist. Ich bin sogar sicher, dass dies nicht der Fall ist, denn die Vereinigten Staaten und Israel sind enge Verbündete, und deshalb kann ich mir kaum vorstellen, dass sich kein Verständnis für Israels lebenswichtige Operation, ihre Staatsbürger zu schützen, zeigen wird.
Meurer: Wie sehr beeindruckt denn Israel die Aufforderung von US-Präsident George Bush, sich aus den Gebieten zurückzuziehen?
Navon: Wir nehmen diese Aufforderung sehr ernst, und wie ich bereits gesagt habe: Wir wollten überhaupt nicht permanent diese Gebiete besetzten. Es geht uns nur darum, den Terror zu eliminieren und dazu benötigen wir noch einige Tage.
Meurer: Aber ist, Herr Navon, die Aktion wirklich verhältnismäßig? Ist das eine Aktion, die eine Anti-Terror-Maßnahme ist oder ist es nicht eine Aktion, die von den Palästinensern als Demütigung empfunden wird?
Navon: Ich glaube, das Wort Demütigung ist hier nicht unbedingt am Platz. Schauen Sie, in den zehn Tagen, seit diese Operation begonnen hat, gab es in Israel keinen wesentlichen Terroranschlag und 48 Stunden bevor diese Operation begonnen hat gab es Anschläge und 50 israelische Bürger, Zivilisten, kamen ums Leben. Und ich glaube, wenn Terror überhaupt messbar ist, ist dies die beste Meßlatte.
Meurer: Darf Israel Häuser zerstören, mit Panzer in Straßen Gebäude zerstören, um den Terror abzuwehren, mit der Begründung, es richtet sich damit gegen Terroranschläge?
Navon: So was sollte nicht geschehen, aber ich möchte Ihnen Folgendes sagen: Unsere palästinensischen Nachbarn haben bisher nie versäumt, eine Gelegenheit zum Beisammenleben, zum Frieden zu versäumen. Sie haben nie eine Gelegenheit versäumt zu versäumen. Was ich aber damit sagen möchte ist: Natürlich sollten Häuser nicht zerstört werden. Nun befinden sich aber in diesen Häusern Terroristen, mit Labors, in denen Dynamit hergestellt wird...
Meurer: Die israelischen Soldaten vermuten, dass sich dort Terroristen befinden. Das wird ja nicht immer der Fall sein.
Navon: Nein, es wird nichts zerstört, aus dem nicht geschossen wird. Nur wenn geschossen wird und Handgranaten geworfen werden, dann wird zerstört.
Meurer: Die Berichte, die wir hier erhalten - Augenzeugenberichte aus den besetzten Gebieten - sind anders.
Navon: Ja, wenn dies palästinensische Augenzeugen sind, dann möchte ich sie mit etwas Vorsicht beurteilen.
Meurer: Sie waren ja, Herr Navon, bis 1993, glaube ich, Botschafter in Bonn.
Navon: So ist es.
Meurer: Jetzt gibt es gerade in Deutschland in den letzten Monaten, in den letzten Wochen und Tagen eine immer stärkere Kritik an Israel. Und sie kommt noch nicht einmal von der Linken, sondern mitten aus der CDU, beispielsweise von Norbert Blüm oder Karl Lamers, die Sie ja noch gut kennen werden.
Navon: Ja, natürlich.
Meurer: Wie sehr beunruhigt Sie diese Kritik?
Navon: Ich bin sehr beunruhigt. Es ist ein Zeichen, dass die Zustände in diesem Land nicht wohl bekannt sind, und dass die Not israelischer Bürger, die tagtäglich ums Leben kommen, nicht unseren Freunden in der CDU und anderswo zur Kenntnis gebracht werden.
Meurer: Verstehen Sie umgekehrt, wenn Ihre Freunde in der CDU enttäuscht sind, wenn von israelischer Seite wenig Selbstkritisches zu hören ist?
Navon: Schauen Sie: Wenn es Freunde sind, deren Freundschaft bewiesen ist, glaube ich, sie sollten etwas mehr über die heutigen Zustände im Nahen Osten, in Israel lernen. Und wenn sie es nicht tun, sollte die Freundschaft vielleicht in Frage gestellt werden.
Meurer: Norbert Blüm und Karl Lamers sind keine Freunde Israels mehr?
Navon: Sie sind durchaus Freunde und wenn sie kritisch sind, dann müssten sie dieses Gebiet jetzt besuchen und sehen, worum es geht, denn wenn am Pessachabend unseres Osterfestes 27 ältere Menschen und Kinder ums Leben kommen, weil sich ein Selbstmörder ins Jenseits begibt und 27 jüdische Menschen, die ihrem Glauben folgen, mitnimmt, ist darin eine schreckliche Tragödie.
Meurer: Der frühere israelische Botschafter in Deutschland, Benjamin Navon, bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk. Herr Navon, ich danke Ihnen für das Gespräch und auf Wiederhören.
Link: Interview als RealAudio