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Istanbuls Großer Gedeckter Basar
Luxushotels statt Lederwaren

Der "Große Gedeckte Basar", der Kapali Carsi, ist eine der Haupt-Touristenattraktionen der historischen Altstadt Istanbuls. Bereits seit dem 15. Jahrhundert wird hier gefeilscht und verkauft. Doch nun wird der Markt zum Spekulationsobjekt: Türkische Medien berichten, der Komplex solle an einen Investor verkauft werden.

Von Gunnar Köhne |
    Der Große Bazar in Istanbul
    Der Große Bazar in Istanbul (Afp / Bulent Kilic)
    Von allen Einkaufszentren Istanbuls ist der Große Gedeckte Basar aus dem 15. Jahrhundert nicht nur das älteste, sondern sicher auch das schönste. Der Kapali Carsi beherbergt fast 4.000 Geschäfte in einem Labyrinth von 60 Gassen. Angeboten wird das, was der Besucher auf einem Basar erwartet: Teppiche, Goldschmuck, Antiquitäten, Lederwaren. Es herrscht reges Treiben, viele Touristen schlendern an den Auslagen vorbei. Ein Goldhändler, der auf einem Schemel vor seinem Laden sitzt, vermisst dennoch die alten Zeiten:
    "Ich bin seit 45 Jahren hier. Seit ich zwölf Jahre alt bin. Mein Vater war Schneider. Es kommen immer noch viele Menschen in den Basar. Aber sie kaufen immer weniger. Früher kamen besonders viele Deutsche in den Basar. Heute sehe ich sie immer seltener. Seit zwei Jahren sind es überwiegend Araber."
    Dann zeigt er auf das Deckengewölbe. An vielen Stellen platzt die Farbe ab, Schwamm ist sichtbar. Der Gedeckte Basar gilt sogar teilweise als einsturzgefährdet, Untersuchungen haben massive Schäden an der Dachkonstruktion ergeben. Dass die Stadtverwaltung demnächst mit der Restaurierung der Gebäude beginnen will, wird von den Händlern begrüßt. Doch sie fürchten, dass es den Behörden nur vordergründig um den Erhalt des Basars gehe.
    Mitte April rückt die Bereitschaftspolizei in den Basar ein, um die Zwangsräumung von 80 Geschäften durchzusetzen. Die betroffenen Händler verbarrikadieren sich daraufhin stundenlang in ihrem Teil des Basars, dem Sandal Bedesten. Der Sandal Bedesten ist das Herzstück des Basars, und, so beteuern die Händler, von allen Teilen der am besten erhaltene.
    Die Betroffenen hatten vom Vermieter, einer staatlichen Stiftungsbehörde, die Kündigung zwecks Sanierung erhalten. Doch der Komplex soll, so berichten türkische Medien, später an einen einzigen Investor verkauft werden. Namen von Günstlingen der regierenden AKP machen die Runde. Ähnliche Privatisierungen plant die Stadtverwaltung mit anderen Gewerbehöfen aus osmanischer Zeit, in denen heute noch Kupferstecher und Goldschmiede ihrem Beruf nachgehen. Dort sollen Hotels und Boutiquen einziehen. Einer der Basarhändler fürchtet den Ausverkauf des historischen Istanbuls:
    "Die angebliche Restauration ist meiner Meinung nach nur ein Vorwand. Der überdachte Basar ist ein historisch und touristisch bedeutender Ort. Die Leute kommen hierher, um ein bisschen Geschichte zu schnuppern, nicht, um ein Einkaufszentrum zu sehen."
    Sandal Bedesten vernagelt
    Die Händler beklagen, dass sie in die Planungen der Restaurierungen nicht einbezogen worden seien. Bei den laufenden Ausschreibungen gehe es um Summen, die sie nicht bezahlen könnten.
    "Ich selber bin auch Mieter. Wer garantiert mir, dass so etwas nicht auch mir widerfährt? Der neue Pächter muss wohl viel Geld angeboten haben, anders kann ich mir das nicht vorstellen. Mir tut das leid wegen der Kollegen. Bei ihnen herrschte reger Handel. Es ging dort sehr lebendig zu. Das fand ich immer gut. Und jetzt? Wir wissen es nicht."
    Die vier Zugänge zum geräumten Sandal Bedesten sind mit Wellblechplatten vernagelt worden. Vor 550 Jahren war dort die Stoffbörse Istanbuls. Was der neue Besitzer damit vor hat, ist nicht bekannt. Aber Stoffe werden dort sicher nicht mehr verkauft werden.