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IT-Branche hofft auf mehr Investitionen von Bund und Ländern

Nach Einschätzung des Software-AG-Vorstandschefs Karl-Heinz Streibich hat Deutschland Nachholbedarf beim Einsatz von Informationstechnik in der öffentlichen Verwaltung. Wenn Bund und Länder die Modernisierung der eigenen Systeme vorantreiben würden, könnten sie damit der IT-Branche einen wesentlichen Impuls geben, sagte Streibich.

Moderation: Dirk Müller |
    Dirk Müller: Einem Mega-Boom folgt häufig ein Mega-Crash. So war das auch mit der IT-Branche vor wenigen Jahren. Im Handstreich hatte der Markt wieder fast alles vom Neuen Markt gefegt, was sich binnen weniger Jahre raketenschnell aufgebaut und auch aufgebauscht hatte. Dennoch sind einige geblieben, auch in Deutschland, die allerdings einen schweren Stand haben, denn die Informationstechnologie ist längst der wichtige Schlüssel zur Gegenwart und auch zur Zukunft geworden und gerade darum besonders hart umkämpft und schnelllebig. "Wir wollen die deutschen IT-Unternehmen wieder in eine führende Position bringen", sagt die Bundeskanzlerin und hat deshalb heute in Potsdam zu einem Gipfeltreffen geladen.

    Für "Made in Germany" steht auch Karl-Heinz Streibich, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Software AG, zweitgrößter deutscher Software-Produzent. Guten Morgen!

    Karl-Heinz Streibich: Hallo! Guten Morgen, Herr Müller!

    Müller: Herr Streibich, warum brauchen Sie die Hilfe der Politik?

    Streibich: Wissen Sie, wenn wir uns zusammensetzen und miteinander sprechen, dann ist das schon mal ein hervorragender Start. Die Politik ist natürlich einerseits ein sehr großer Kunde durch E-Government. Andererseits schafft die Politik auch die Rahmenbedingungen, die wir brauchen, um erfolgreich zu sein. Deshalb ist es gut, sich heute zusammenzusetzen.

    Müller: Herr Streibich, will die Politik diese Rahmenbedingungen schaffen, oder hat sie es schon geschafft?

    Streibich: Sie hat sie schon geschaffen. Aber natürlich hat man in der heutigen Welt immer die Möglichkeit, Dinge zu verbessern. So hat zum Beispiel die Bundesregierung einen sehr guten Nachholbedarf beim Thema E-Government. Das muss genutzt werden, und ich bin überzeugt, dass vom heutigen Gipfel auch wesentliche Impulse ausgehen werden, dass sich das verbessern wird.

    Müller: Sehr guter Nachholbedarf heißt übersetzt bislang verschlafen?

    Streibich: Ich meine, es ist immer eine Sache der Prioritäten. Jetzt fokussieren wir uns auf die Priorität IKT, und das ist richtig.

    Müller: Reden wir noch einmal über die Defizite oder die Rahmenbedingungen, die sich verbessern müssen. Was verlangt die IT-Branche in der Reformpolitik der Bundesregierung, was besser werden muss?

    Streibich: Wir werden uns natürlich auf verschiedene Themen fokussieren. Der Gipfel heute wird natürlich auch neue Zusammenfassungen bringen und auch die Prioritäten neu sortieren. Spontan gesagt: Aus meiner Sicht sollte die Forschungsförderung neu priorisiert werden. Es hat ja auch schon ein Innovationsgipfel stattgefunden. Hier hat man die Möglichkeit, durch neue Priorisierungen und möglicherweise auch einen Schritt mehr in Richtung IKT Wesentliches zu tun.

    Auf der anderen Seite bin ich überzeugt, dass die Bundesregierung und auch die Länder einen wesentlichen Impuls für IKT geben können, indem sie einfach die Modernisierung der eigenen Systeme vorantreiben. Es gibt keinen Grund, dass wir in Deutschland im Mittelfeld bis im hinteren Feld sind bei dem Thema E-Government. Wir müssen zeigen, dass wir selbst innovativ sind in den eigenen Abläufen. Nur dann können wir auch glaubhaft ein wirklich innovatives Land sein.

    Müller: Herr Streibich, nach einem Bericht des Berliner "Tagesspiegels" soll die Bundesregierung schon intern entschieden haben, mit 1,2 Milliarden Euro zu helfen als Investitions-, als Modernisierungszuschuss. Wissen Sie darüber etwas?

    Streibich: Das habe ich auch gehört. Ich würde mich freuen, wenn es so ist, wobei natürlich immer davon abhängt letztendlich, wofür die Mittel eingesetzt werden. Wie ich bereits sagte: Die Bundesregierung und die Länder müssen mit gutem Beispiel vorangehen und müssen die Modernisierung der Einzelsysteme vorantreiben.

    Müller: Herr Streibich, wenn wir den Kontext etwas erweitern, den Horizont etwas vergrößern, schauen beispielsweise nach Großbritannien, schauen beispielsweise nach Frankreich, um in Europa zu bleiben. Sind dort die Regierungen viel, viel offensiver bei der Förderung der eigenen Technologien?

    Streibich: In England auf jeden Fall. Tony Blair hat einen wesentlichen Schub geschafft in den letzten Jahren in England. Wir sind zum Beispiel bei der Software AG Marktführer in England im E-Government-Bereich. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir die Chance hätten, auch in Deutschland einen wesentlichen Beitrag zu leisten, auch Dinge, die wir in anderen Ländern gelernt haben, hier anzuwenden, Aber wir werden sehen. Ich glaube schon, vom heutigen Gipfel wird ein starker Schub ausgehen.

    Müller: Fühlt sich die Branche denn bislang ein wenig von der Politik vernachlässigt, im Stich gelassen?

    Streibich: Nein, das kann man nicht sagen. Wie gesagt: Es ist immer eine Frage der Prioritäten. Natürlich ist es richtig, dass es jetzt einen IKT-Gipfel gibt, denn, Sie wissen, in den letzten Jahren wurde ja sehr viel über die Nanotechnologie gesprochen, Biotechnologie gesprochen, Solartechnologie gesprochen. Deshalb meine ich, dass man jetzt einen klaren Stellenwert dem Thema IKT gibt., das ist der richtige Weg, das ist der richtige Start. Und ich freue mich auf den Gipfel.

    Müller: Haben Sie Schwierigkeiten beispielsweise mit qualifizierten Fachkräften?

    Streibich: Ja, das ist in der Tat ein sehr großes Thema, aber in Deutschland ist die IT-Industrie nicht mehr so stark. Zum Beispiel die Hardwaretechnologie ist praktisch ganz weg. Die Software-Industrie ist da, die SAP gibt es, die Firma IDS Scheer, die Software AG und viele andere.

    Müller: Wissen Sie, warum sich das so entwickelt hat?

    Streibich: Das hat sich aus verschiedenen Gründen entwickelt. Erstens haben natürlich die Firmen der USA einen sehr, sehr großen homogenen Markt. Deshalb fällt es ihnen auch leichter, schon von vorneweg eine gewisse Größenordnung zu erreichen. Größenordnungen, Skaleneffekte sind ein wesentlicher Faktor. Als zweites ist natürlich das Investitionsklima, auch venture capital, in den USA sehr, sehr viel ausgeprägter.

    Müller: Also das Risikokapital?

    Streibich: Ja,. das sind alles Dinge, was natürlich Neugründungen von Firmen fördert, und deshalb ist dort einfach ein besseres Klima. Das müssen wir auch schaffen hier in Deutschland. Ich bin zuversichtlich, dass wir es packen.

    Müller: Herr Streibich, Sie schauen nach vorne. Das gehört sich wohl auch so als Unternehmer. Aber es ist dann doch so, um das vielleicht abschließend noch einmal festzustellen, dass bislang in vielen Bereichen hier in Deutschland, was die Förderung und die politische Begleitung dieser IT-Branche anbetrifft, doch sehr, sehr viel im Argen liegt?

    Streibich: Man kann Dinge verbessern - logisch. Sonst gäbe es jetzt diesen IT-Gipfel ja nicht. Ich bin jedoch absolut überzeugt, wenn wir gemeinsam an einem Strang ziehen, werden wir es packen. Es ist nicht zu spät. Der heutige Gipfel bildet die Chance.

    Müller: Karl-Heinz Streibich war das, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Software AG, der zweitgrößte deutsche Softwareproduzent. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören nach Potsdam!

    Streibich: Vielen Dank. Auf Wiederhören!