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Italien bei der Fußball-EM
Tiefstapler oder Mitfavoriten?

Heute tritt der Weltmeister von 2006, Italien, bei der Fußball-EM gegen Belgien an. Aber die Zeiten, in denen die italienische Nationalmannschaft aus überragenden Spielern bestand, sind vorbei. Nationaltrainer Antonio Conte will mit Taktik und einer starken Abwehr das Optimum erreichen - und wünscht sich ein spätes Duell mit Deutschland.

Von Jan-Christoph Kitzler | 13.06.2016
    Die italienische Fußball-Nationalmannschaft bei einer Trainingseinheit in Lyon (Frankreich).
    Die italienische Fußball-Nationalmannschaft bei einer Trainingseinheit in Lyon (Frankreich). (imago sportfotodienst)
    Selbst Regierungschef Matteo Renzi ist noch kurz vorbeigekommen im Trainingslager in Corverciano bei Florenz, um der Squadra Azzurra Glück zu wünschen. Das kann sie gebrauchen, denn die Erwartungen waren wohl nur selten so niedrig. Die Zeiten, in denen Italiens Nationalmannschaft eine Ansammlung überragender Spieler war, sind vorbei. Und so kann man dieser Tage einen nachdenklichen Antonio Conte treffen, einen Nationaltrainer, der sich schwer tut, die Frage zu beantworten, wie weit diese Mannschaft bei der EM wohl kommt:
    "Ziele zu setzen ist gerade schwer für uns, wir müssen für den Tag leben, sehr viel arbeiten, wie wir das tun, und ein Spiel nach dem anderen angehen. Wir haben vielleicht die schwierigste Gruppe. Das erste Ziel ist, die Vorrunde zu überstehen, dann schauen wir mal, was passieren kann."
    Noch zwei Weltmeister von 2006 im Team
    Tief stapeln hat zwar eine gewisse Tradition in Italien, aber man kann nicht gerade behaupten, dass der Generationswechsel in den letzten Jahren gut gelungen ist. Mit Buffon und De Rossi fahren immerhin noch zwei der Weltmeister von 2006 mit nach Frankreich, aber junge Topspieler fehlen, auch weil Verratti von Paris St. Germain verletzt ist. Marchisio und Montolivo sind verletzt und Balotelli war am Ende nicht mal im erweiterten Kreis. Aber Antonio Conte ist ein Trainerfuchs, der sich weit mehr vorgenommen hat, als nur den Mangel zu verwalten:
    "Italien kann sich nicht erlauben, eine Auswahl zu sein, wir müssen eine Mannschaft sein. Wichtig ist, dass wir technisch-taktisch gut arbeiten und versuchen, eine Mannschaft zu bilden. Gerade jetzt, wo es keine großen Talente gibt, müssen wir das mit einem Mannschaftsgeist ausgleichen."
    Auch deshalb hat Conte der Versuchung widerstanden, Altstar Andrea Pirlo noch einmal zu reaktivieren. Immerhin: Die Abwehr gilt als konkurrenzfähig: der Juve-Block aus Bonucci, Chiellini, Barzagli und der Torwartlegende Buffon garantiert von hinten heraus Stabilität und Routine. Aber im Mittelfeld hört der Glanz dann schon auf. Dass ein Spieler wie Tiago Motta die prestigeträchtige Nummer 10 trägt, zeigt vielleicht das ganze Elend.
    Italien ist immer Titelkandidat
    Aber natürlich muss man Italien immer auf der Rechnung haben. Dafür wird schon Antonio Conte der Trainer sorgen, der über gute Taktik das Optimum herausholen will. Zwar blickt er mit etwas Neid auf die Entwicklung der letzten Jahre im deutschen Fußball – aber ein Spiel gegen Deutschland in Frankreich fürchtet er nicht:
    "Das wünsche ich mir sogar, denn das bedeutet, dass wir weit gekommen sind. Denn Italien: Deutschland, das könnte es erst später im Turnier geben, nicht im Achtel- oder Viertelfinale. Das würde heißen, wir haben es weit gebracht."
    Fest steht nur: für Antonio Conte wird es sein vorerst letzter Auftritt als Nationaltrainer. Nach der EM wird er Trainer des FC Chelsea.