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Italien im Krisenmodus
"Diese Krise ist gekennzeichnet von Opportunität"

Italiens Regierung ist wieder einmal gescheitert. Der populistische Innenminister Matteo Salvini will an die Macht. Italien befinde sich seit Jahren in einer Phase der Resignation und Frustration, sagte Italienexpertin Caroline Kanter im Dlf. "Diese Stimmung hat Salvini versucht, für sich zu nutzen."

Caroline Kanter im Gespräch mit Britta Fecke |
Eingang des Palazzo Chigi, des Amtssitzes des italienischen Ministerpräsidenten
Regierungskrise in Rom: Was vor gut 14 Monaten völlig unmöglich schien, wird nun verhandelt, eine Koalition der Fünf-Sterne-Bewegung mit den Sozialdemokraten (picture alliance/Pacific Press Agency/Amdrea Ronchini)
Italien steht für Schönheit, Eleganz, kulinarische, musikalische und sprachliche Genüsse. Doch dieser Sehnsuchtsort für Humanisten, Künstler, Kultur- und Architekturliebhaber steckt schon wieder in der politischen Krise. Nach nur 15 Monaten ist die sogenannte "Regierung des Wandels", die Koalition zwischen der rechtsnationalen Lega und der "Wir sind gegen alles"-Fünf-Sterne-Bewegung gescheitert. Und damit ist die 65. Regierung seit der Nachkriegszeit zerbrochen, wie so viele vor ihr auch vor dem Ende der Legislaturperiode.
Warum ist dieses Land, das so reich an Kulturschätzen ist, das so viele Baudenkmäler auf so kleiner Fläche vereint wie sonst kein Land der Welt, das neben Griechenland so viele Philosophen und Intellektuelle hervorgebracht hat, warum steckt dieses Land Dantes in einer politischen Dauerkrise, beherrscht von Populisten, von Berlusconi, Mussolini oder jüngst Innenminister Matteo Salvini? Caroline Kanter, Leiterin des Auslandsbüros Italien der Konrad-Adenauer-Stiftung, sagte im Dlf, man müsse dazu in die 90er-Jahre zum Korruptionsskandal zurückgehen. Dort sei das politische Parteiensystem zerstört worden. "Von dieser Zäsur, von diesem Schock haben sich weder das politische System noch die italienischen Bürgerinnen und Bürger erholt."
Italiener sind enttäuscht von der Politik
Klassische Volksparteien, wie man sie aus Deutschland kenne, gebe es in Italien nicht, sagte Kanter. Silvio Berlusconi etwa mit seiner Forza Italia sei eine starke Führungspersönlichkeit, die mit einer politischen Agenda angetreten sei. Auch andere politischen Kräfte, Kommunisten wie Sozialdemokraten, konnten nach den 90er-Jahren keine große Volkspartei aufbauen. Die Wähler seien enttäuscht vom Sozialdemokraten Matteo Renzi und setzten auf eine komplett neue Kraft: die antisystemische Fünf-Sterne-Bewegung und als neuen starken Führer Matteo Salvini mit der Lega.
"Diese Krise ist gekennzeichnet von Opportunität. Salvini hat das Land in die Krise geführt, weil er sich davon versprochen hat, politisch Kapital daraus schlagen zu können. Ob diese Strategie aufgehen wird, ist fraglich. Es ist interessant zu sehen, wie ein kleiner Koalitionspartner sich zur dominierenden politischen Kraft im Land entwickeln konnte." Für Salvini sei klar geworden: Er will als dominierende Kraft dieses Land regieren und hat deshalb diese Koalition aufgekündigt. "Jetzt muss er möglicherweise in die Opposition gehen, steht also vielleicht als Verlierer da", erklärte Italien-Expertin Kanter.
Seit Jahren resigniert und frustiert
Ein Großteil der Bürger, die auf die Fünf-Sterne-Bewegung als politisches Novum gesetzt hatten, seien nun wieder enttäuscht, dass es sich jetzt doch um eine Kraft handele, die politisch agiert und taktiert, wie das die Italiener eher von den anderen Kräften gewohnt sind. Der Transformationsprozess von einer Antisystembewegung hin zu einer politischen Kraft, die ein Land regieren und gestalten möchte, sei der Bewegung nicht komplett gelungen. Was vor gut 14 Monaten völlig unmöglich schien, wird nun verhandelt: eine Koalition oder Allianz mit den Sozialdemokraten der PD.
Für die politisch schwierige Lage in Italien gebe es einige Gründe, erklärte Kanter. "Italien befindet sich seit einigen Jahren in einer Phase der Resignation und Frustration. Dafür gibt es einige Indizien. Das Abwandern der jungen Generation. Viele junge Menschen, die sehr gut in Italien ausgebildet wurden, suchen ihre berufliche und private Zukunft außerhalb Italiens in anderen europäischen Ländern oder auch in den Vereinigten Staaten." Gründe dafür: die Wirtschafts- und Finanzkrise, die 2007 begann, und von der man sich nicht richtig erholt hat, sowie die Flüchtlings- und Migrationskrise, die Italien ganz besonders getroffen hat. "Gerade bei diesen beiden Punkten fühlte man sich von europäischer Seite allein gelassen und teilweise sogar unter Druck gesetzt. Diese Stimmung im Land hat Salvini versucht, für sich zu nutzen."
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.