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Italien
Sparkurs gefährdet allgemeine Sicherheit

Italien muss sparen, auch bei der allgemeinen Sicherheit: 2014 sollen 14.000 Stellen bei der Polizei eingespart werden. Übergangsweise sollen Soldaten auf Streife gehen, um die Straßen zu sichern. Das könnte das Land in Zukunft teuer zu stehen kommen.

Von Karl Hoffmann | 13.12.2013
    Am Wochenende wird in Italien gefeiert, trotz Krise und Depression. Pubs und Lokale haben bis in die Morgenstunden geöffnet. Gefeiert wird, weil es das Klima im Süden zulässt, meist im Freien, in den Altstadtstraßen, zum Leidwesen von Bewohnern und Besuchern, sagt Taxifahrer Paolo in Palermo:
    "Ein einziges Chaos, und man sieht auch keinen einzigen Polizisten, der da mal für Ordnung sorgt. Das führt zu Verwahrlosung und natürlich Kriminalität und Drogen. Kein Wunder, dass die Touristen Angst haben abends in die Altstadt zu gehen. Die bleiben inzwischen lieber in ihren ruhigen Hotels."
    Marco Ragusa, ein junger Anwalt, war anfangs glücklich, in einem lebendigen Stadtviertel zu wohnen, jetzt will er umziehen. Er beobachtet mit Sorge, wie das Viertel in diesen Krisenzeiten weiter abrutscht: Überall fließt Alkohol in Strömen, aber alle kommen mit dem Auto in die Kneipe, weil es keine Alkoholkontrollen gibt. Und die Parkgebühren bekommt nicht die Gemeinde, sondern die Mafia.
    "Unsere historische Piazza ist fest in den Händen der illegalen Parkwächter, und die Polizei sieht tatenlos zu. Einer von den Wächtern hat vor Kurzem eine Polizistin angegriffen, am nächsten Tag kamen ihre Kollegen und schlossen Frieden mit den Parkwächtern. Was da unter der Hand abläuft, davon haben wir Bürger keine Ahnung."
    Die Wirtschaftskrise hat zu einem dramatischen Anstieg der Kriminalität in den ersten acht Monaten dieses Jahres geführt. In Mailand haben sich die Banküberfälle verdoppelt, in Catania auf Sizilien sogar verdreifacht. In Bari wurden 70 Prozent mehr Einbrüche registriert, Mord- und Totschlag haben sich in Palermo verdreifacht.
    In vielen Bereichen muss sich die Polizei in den Großstädten inzwischen mit Kriminellen und Gesetzesbrechern arrangieren. Die Beamten sind hoffnungslos in der Minderzahl sind, ihr Ruf leidet darunter.
    Fußballfans beschimpfen die Polizisten im Stadion. Frustrierend für die Gesetzeshüter, die oft schlecht ausgerüstet, in klapprigen Einsatzfahrzeugen jede Menge krawallbereite Fans unter Kontrolle halten sollen. Für einen Hungerlohn. 1300 Euro netto beträgt das Grundgehalt, für Nachtschichten gibt es 32 Euro Aufschlag, brutto. Aber selbst daran wird gespart. In der Stadt Palermo mit 600 000 Einwohnern sind abends manchmal nur drei Streifenwagen im Einsatz. Trotz steigender Kriminalität, sagt Taxifahrer Paolo:
    "Wenn sie nachts mehr Streifenwagen einsetzen würden, dann gäbe es weniger Straßenraub, Einbrüche und Diebstähle."
    Und die Zukunftsaussichten sind aufgrund der Sparpläne der Regierung düster, bestätigt Italiens oberster Polizeichef Alessandro Pansa:
    "Bei mir laufen ständig Anfragen aus verschiedenen Städten ein, mehr Polizei einzusetzen, damit sich die Bürger sicherer fühlen. Wir können nirgendwo für mehr Sicherheit sorgen sondern höchstens verhindern, dass sie allzu drastisch abnimmt."
    Der Grund ist einfach. Der jetzige Personalstand von 109.000 Polizisten im ganzen Land wird demnächst erheblich verringert.
    "Im nächsten Jahr wird unsere Personalstärke auf 94 000 Polizisten reduziert. Und natürlich ist es undenkbar, dass wir mit 15000 Polizisten weniger in Zukunft den gleichen Sicherheitsstandard garantieren können wie in den vergangenen Jahren."
    Die kurzsichtige Sparpolitik der Regierung auf Kosten der allgemeinen Sicherheit wird das Land auf Dauer teuer zu stehen kommen, sagt Claudio Margutti, der Sprecher der Polizeigewerkschaft.
    "Das ist eine Folge der derzeitigen politischen Lage. Italien ist eigentlich führungslos, à la Schettino, ein Schiff ohne Steuermann."