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''Italienisches Immunitätsgesetz schadet auch dem Ansehen Europas''

Heuer: Wir sind jetzt verbunden mit Monika Frassoni, Italienerin und Abgeordnete im Europäischen Parlament. Guten Tag, Frau Frassoni.

    Frassoni: Guten Tag.

    Heuer: Das Immunitätsgesetz, gestern verabschiedet, erspart Italien die Blamage eines möglicherweise vorbestraften Ministerpräsidenten, noch dazu in der Zeit der EU-Präsidentschaft. In diesem Sinne haben sich die Christdemokraten in Italien geäußert. Sind Sie auch erleichtert?

    Frassoni: Nein, ich bin nicht erleichtert. Ich bin sehr traurig, das ist ein sehr trauriger Tag für die Demokratie und die Glaubwürdigkeit Italiens. Ich glaube, dass wenn Berlusconi wirklich dachte, dass er nicht gültig war, dann sollte er den Prozess weitergehen. Wir können auch sagen, dass wenn die Mehrheit der Regierung in Italien dieses Gesetz wollte, sollten sie das viel früher machen und nicht eine Woche vor der italienischen Präsidentschaft der Union. Aber ich glaube, dass die wirkliche Schande ist, dass jemand der Justiz entgehen kann, das ist wirklich etwas unverschämt.

    Heuer: Wir haben das gerade in einem Korrespondentenbericht gehört, dass jetzt die Richter überlegen, vors Verfassungsgericht zu ziehen. Eine andere Möglichkeit, das Gesetz doch noch zu verhindern, wäre ja, dass Staatspräsident Ciampi es einfach nicht unterschreibt. Halten Sie diesen Schritt für möglich?

    Frassoni: Ich glaube, dass Präsident Ciampi das nicht machen wird. Es gibt Interpretationen, die sagen, dass dieses Gesetz nicht die Verfassung stürzt. Ich glaube auch, dass die Regierung das Gesetz nicht gemacht hätte, wenn sie nicht sicher wäre, dass Ciampi es unterschreibt.

    Heuer: Nun hat das alles ja auch eine besondere Bedeutung, weil Italien Anfang Juli die Ratspräsidentschaft in der Europäischen Union übernimmt. Von den anderen Regierungschefs in der EU ist wenig zu hören zu diesen doch beachtlichen Vorgang in Ihrer Heimat, Frau Frassoni. Ist das eine angemessene Diplomatie oder ist das ein Fehler, dass die anderen Staaten sich so bedeckt halten?

    Frassoni: Ich glaube, es ist ein Fehler und er kommt von zwei Sachen. Erstens haben alle Leute zu hause Probleme, natürlich nicht so große, und zweitens wollen sie sich nicht einmischen, aber es gibt auch die Erinnerung an Österreich. Ich glaube, die Regierungschefs wollen wirklich nicht noch mal die Krise nach der österreichischen Regierung mit Haider. Es ist ein Fehler, weil die Demokratie jetzt für Europa zu prüfen sein wird; wir haben eine Erweiterung nächstes Jahr mit neuen Ländern, die vielleicht nicht so eine starke, stabile Demokratie haben und diese Art von Beispiel ist wirklich gefährlich. Ich glaube auch, dass die Italiener vielleicht ein wenig Hilfe von Europa brauchen. Es ist schlimm, dass in Europa wirklich alles geschehen kann und es gibt keine oder nur sehr wenige Reaktionen. Das ist traurig.

    Heuer: Ich verstehe Sie richtig, dieses Gesetz schadet unter den gegeben Bedingungen auch der Europäischen Union und Ihrem Ansehen?

    Frassoni: Ja, weil es sehr schwierig sein wird, auch für Berlusconi, die Europäische Union zu vertreten und für Italien, weil alle Leute, die er treffen wird, natürlich über diese sehr traurige Geschichte informiert sein werden. Und was für eine Glaubwürdigkeit kann er auf internationaler Bühne haben? Das ist für Berlusconi nicht ein Problem, er hat eine unglaubliche Kapazität, sein eigenes Ego wirklich immer gewinnen zu lassen, aber ich glaube, dass es für die Leute, die in Italien und Europa diese Sache verstehen, ein echtes Problem von Glaubwürdigkeit wird.

    Heuer: Monika Frassoni war das, die italienische Grünenabgeordnete im Europaparlament. Ich danke Ihnen für das Gespräch, Frau Frassoni.

    Frassoni: Vielen Dank, auf Wiederhören.