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IW-Studie zum Fachkräftemangel
Pflege steuert auf Riesenlücke zu

Um 44 Prozent müsste die Zahl der Pflegekräfte steigen, um den wachsenden Bedarf ab 2035 zu decken. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie von Wirtschaftswissenschaftlern. Das Problem ist nicht neu, aber umso akuter. Der Pflegeberuf ist nicht attraktiv genug - auch finanziell.

Von Mathias von Lieben | 10.09.2018
    Eine Altenpflegerin hilft einer Bewohnerin in einem Altenpflegeheim aus dem Bett. Im Vordergrund steht ein Rollstuhl.
    Pflegekräfte werden dringend gesucht (imago/Inga Kjer)
    Schon heute ist der Fachkräftemangel in der Altenpflege akut. Künftig soll dieser Engpass einer Studie des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) zufolge noch größer werden: Bis zum Jahr 2035 sind demnach voraussichtlich vier Millionen Menschen in Deutschland auf Pflege angewiesen.
    Um diesen steigenden Bedarf zu decken, müsste die Anzahl an Pflegefachkräften um 44 Prozent steigen - auf rund eine halbe Millionen. Der Ausgangspunkt für die Berechnungen der Studie: Bis 2035 ändert sich die Pflegebedürftigkeit der Bevölkerung nicht. Das sagte der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther: "Wir sehen also auf diese Zeit, die vor uns liegt, haben wir mit erheblichen Herausforderungen zu kämpfen zur Mobilisierung dieser Fachkräfte. Es zeigt, dass es keine kleinen Größen sind und dass die Dynamik, die wir in den letzten Jahren erlebt haben, allein durch das demografische Profil fortschreiben wird."
    Kollaps droht
    Der Fachkräftemangel manifestiere sich auch in den Zahlen der Bundesagentur für Arbeit. Derzeit kommen auf 100 gemeldete Stellen für Altenpfleger gerade einmal 22 arbeitslose Fachkräfte. Dabei werde nur jede zweite offene Stelle überhaupt gemeldet. Zwar seien die Beschäftigungszahlen in der Altenpflege in den vergangenen Jahren gestiegen. Doch reiche das nicht aus, um einen Kollaps zu verhindern - besonders weil der Anstieg vor allem in Teilzeitstellen begründet liegt.
    Auch die neuen Pläne der Bundesregierung würden nicht weit genug gehen: "Bei all den Bemühungen, die in letzten Jahren gemacht wurden. Das gilt nicht nur für diese Bundesregierung, auch für die vorherige, die das Thema aufgenommen haben und die Pflegestufen aufgenommen haben, gilt: Die bisherigen Reformen und auch die Reformvorhaben reichen nicht."
    Damit spielt Hüther auf die sogenannte "Konzertierte Aktion Pflege", die das Arbeits-, Gesundheits- und Familienministerium kürzlich gemeinsam gestartet haben. Union und SPD haben die Aktion im Koalitionsvertrag vereinbart, um Arbeitsbedingungen in der Altenpflege zu verbessern und den Beruf damit attraktiver zu machen - zum Beispiel durch einen flächendeckenden Tarifvertrag für die Pflege. Das hatte in der vergangenen Woche auch der Deutsche Gewerkschaftsbund gefordert.
    Durchschnittslohn knapp 2.600 Euro
    Altenpfleger verdienten 2016 mit im Durchschnitt monatlich knapp 2.600 Euro fast 20 Prozent weniger als Gesundheits- oder Krankenpfleger. Dieses Lohngefälle müsse behoben werden, so eine Forderung der neuen Studie. Dass die Anwerbung von ausländischen Pflegefachkräften erleichtert werden solle, begrüßte Michael Hüther hingegen. Damit all diese Maßnahmen auch greifen, müsste jedoch Bürokratie abgebaut und Regulierung im Pflegesystem reduziert werden.
    Die Deutsche Stiftung Patientenschutz warnte unterdessen vor Angstmache: Es sei nicht neu, dass die Zahl der Pflegebedürftigen in Zukunft steigen wird, sagte Vorstand Eugen Brysch dem Deutschlandfunk: "Vielmehr ist jetzt Handeln gefordert. Die Herausforderungen an die Pflege der Zukunft sind zu meistern, wenn alle an einem Strang ziehen." Hier sei auch der Staat gefordert, der mehr Verantwortung übernehmen müsse.