Donnerstag, 02. Mai 2024

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J. S. Bach - An Italian Concert

Herzlich willkommen! Am Mikrofon begrüßt Sie Norbert Ely. Die Neue Platte ist heute gleichzeitig auch ein Italienisches Konzert. * Musikbeispiel: J. S. Bach - aus: Italienisches Konzert F-dur BWV 971, Allegro Soweit der erste Satz aus dem Italienischen Konzert, Werkverzeichnis 971, von J. S. Bach, gespielt von dem französischen Cembalisten Olivier Baumont. Genau genommen ist es überschrieben mit "Concerto nach Italienischem Gusto" und findet sich im zweiten Band von Bachs Clavier-Übung von 1735. Im vorliegenden Fall hat es einer ganz CD den Namen gegeben: "J. S. Bach - An Italian Concert", erschienen bei Erato. Und da wird es interessant. Olivier Baumont hat nämlich für diese Produktion noch sechs Konzerte eingespielt, die nicht nur im italienischen Gusto, sondern original italienisch sind wie der Espresso auf der Piazzetta in Venedig. Und da kommen sie auch her: Sechs Violinkonzerte aus op. 3, op. 4 und op. 7 von Antonio Vivaldi, die Johann Sebastian Bach in seiner Weimarer Zeit für das Cembalo transkribierte, oder, wie er selbst es ausdrückte, elaborierte. Diese Werke, die gemeinhin als Konzerte für Cembalo solo bekannt sind, haben zwar mit Bachs eigenem Italienischem Konzert nicht unbedingt etwas zu tun. Und vom Standpunkt eines ordentlichen Musikhistorikers aus betrachtet, gehört es sich einfach nicht, das alles in einen Topf zu werfen. Denn die Vivaldi-Bearbeitungen entstanden während Bachs Weimarer Zeit vielleicht so um 1715; doch Olivier Baumont ist nicht nur Musikwissenschaftler, der auch etwas vom Cembalospielen versteht, sondern er ist in erster Linie doch wohl ein Musiker mit einer überzeugenden künstlerischen Fantasie. Und so läßt er denn zusammenwachsen, was eigentlich nicht zusammengehört. Heraus kommt eine spannende, beflügelnde CD, und es wird in der Tat überdeutlich, daß Bach sein eigenes Italienisches Konzert in der Manier Vivaldis schrieb. In einem sehr ausführlichen Beitrag geht Baumont auf die Entstehungsgeschichte der Transkriptionen ein. Bach erhielt Kenntnis von den Vivaldischen Konzerten durch den Weimarer Prinzen Johann Ernst, der ein ganzes Konvolut von neuesten Partituren aus Venedig mitgebracht hatte. Seine Begeisterung scheint grenzenlos gewesen zu sein, denn er übertrug später noch andere Konzerte Vivaldis in Fassungen für Cembali und Orchester. Daneben bediente er sich nicht nur bei Vivaldi, sondern auch bei anderen italienischen Kollegen. Baumont wählte ausschließlich Vivaldi-Transkriptionen aus, und er hält auf eine sehr elegante Art die Balance zwischen orchestralem Klang und pianistischem Feuerwerk. Er spielt dazu ein zweimanualiges neues Pariser Cembalo, das nach einem Vorbild aus der Silbermannschule gebaut wurde. Mit seinem sehr hellen Glanz kommt es dem Orchesterklang des späten Barock überraschend nahe. Aber Baumont ist viel zu sehr ein Tastentiger des Originalklangs, als daß er - zum Vergnügen des Zuhörers - nicht der Versuchung erliegen könnte, mit seinem Instrument zu paradieren. Und er ist zu wenig Musikologe, als daß er die Bach'schen Vorschriften für den Wechsel zwischen den Manualen, so wie sie sich im "Italienischen Konzert" finden, nun auch auf die Bearbeitungen übertrüge. Bei denen geht Baumont eher nach eigenem Gusto vor, und das Ganze erhält damit eine Farbigkeit weitab von jeglichem Schema, die man nur begrüßen kann. Das Largo und die Presto-Gigue aus dem Konzert Nr.4 BWV 975 in g-moll. * Musikbeispiel: J. S. Bach - aus: Konzert für Cembalo solo Nr.4 g-moll BWV 975, Largo, Gigue Das war noch einmal Olivier Baumont, diesmal mit dem zweiten und dritten Satz aus dem Konzert Nr. 4 WV 975 in g-moll von Johann Sebastian Bach nach dem Violinkonzert Opus 4,6 von Antonio Vivaldi.

Norbert Ely | 29.08.1999