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Jake Bugg
"Jetzt fühle ich mich im Reinen mit mir"

Ein 19-jähriges Wunderkind rettet die gute alte Rockmusik: Jake Bugg, britischer Jung-Pop-Musiker aus Nottingham, spricht im Corso-Gespräch über sein zweites Album "Shangri La" und die Zusammenarbeit mit Produzent Rick Rubin.

Jake Bugg im Gespräch mit Anja Reinhardt |
    Anja Reinhardt: Jake Bugg, Sie machen Musik, die sich eher an Musik aus den Sechzigern orientiert, die aber wahrscheinlich von den meisten Leuten auf Smartphones gehört wird. Finden Sie nicht auch, dass das ein seltsamer Widerspruch ist?
    Jake Bugg: Ach nein, das sehe ich nicht so. Jüngere hören meine Musik eben so, weil die Zeiten sich geändert haben, wenn man das jetzt mal auf die Zeit bezieht, wo ich meine Einflüsse her habe. Die Musikindustrie ist heute ganz anders.
    Reinhardt: Wie hören Sie denn Musik? Auch mit dem Smartphone?
    Bugg: Na klar! Wenn mir jemand sagt: Hör' Dir das mal an, dann kann ich es mir direkt runterladen – gerade für einen Musiker eine tolle Sache.
    Reinhardt: Aber ihre Musik hat nichts Computerhaftes. Ist es Ihnen wichtig, Musik möglichst altmodisch aufzunehmen?
    Bugg: Nicht unbedingt. Ich spiele einfach, und je nachdem, wie der Song sich anfühlen soll, denke ich darüber nach, wenn ich ihn im Kopf habe. Dann nehme ich ihn vielleicht in unterschiedlichen Versionen auf, analog oder digital. Ich bin deutlich beeinflusst von eher älterer Musik, aber ich lebe ja trotzdem im Jahr 2013, meine Fans sind jung, ich mache meine Musik fürs Hier und Jetzt. Lustigerweise sind in England die Fans in den ersten Reihen sehr jung und je weiter man nach hinten geht, desto älter werden sie. Find ich interessant.
    "Am Ende ist es Musik"
    Reinhardt: Ich glaube, die Leute, die doppelt so alt sind wie Sie, haben wahrscheinlich ganz andere Probleme, man vergisst vielleicht, wie man mit 19 Jahren war.
    Bugg: Kommt drauf an. Am Ende ist es Musik. Meine Songs sind für die Leute, die sie hören möchten und jeder liest was anderes darin. Was mir ein Lied bedeutet, muss ja nicht das Gleiche für andere Leute sein, egal ob die so jung sind wie ich oder viel älter. Oder jünger. Kleine Kinder zum Beispiel reagieren ja nur auf Melodien. Jeder sieht was anderes in der Musik, das ist das Schöne.
    Reinhardt: Erinnern Sie sich noch, was Sie als Kind gehört haben?
    Bugg: Ich mochte Musik nicht als Kind.
    Reinhardt: Gar nicht?
    Bugg: Nein, hab die ganze Zeit Fußball gespielt.
    Reinhard: Und Ihre Eltern haben auch keine Musik gehört?
    Bugg: Klar haben die Musik gehört, die ganze Zeit, das mochte ich eben nicht. Als Kind oder Jugendlicher will man doch genau das Gegenteil von seinen Eltern sein. Aber irgendwann hab ich meine Liebe zur Musik dann doch noch entdeckt. Und jetzt mag ich alles: Klassik, Blues, Country – alles, was ich noch nicht gehört habe, ist neu für mich.
    Reinhardt: Und welche Klassik interessiert Sie?
    Bugg: Nichts Spezielles, aber ich mag es, im Auto Klassikradio zu hören, gerade weil diese Musik so anders ist als die, die ich mache, und die ich wahrscheinlich auch nie richtig verstehen werde. Beethoven wurde taub und hat so unglaubliche Musik geschrieben! Verrückt.
    Reinhardt: Sie haben ihr neues Album "Shangri-La" mit dem Produzenten Rick Rubin aufgenommen. Rubin steht ja vor allem für einen sehr reduzierten Sound, wie man das bei den American Recordings von Johnny Cash hören kann, er bringt die Essenz eines Musikers hervor. Lustig, dass Sie mit ihm gearbeitet haben, denn eigentlich hat Ihre Musik ja nichts Überladenes. Was war der Grund?
    Bugg: (lacht) Da, wo ich herkomme, sagt man zu so einer Gelegenheit nicht nein, sind wir mal ehrlich! Aber ich finde ja, dass es gerade auf meinem zweiten Album viel mehr musikalische Ausschmückungen gibt als auf dem ersten. In erster Linie ging es aber ganz einfach darum, mit großartigen Musikern im Studio zu sitzen, Musik zu spielen, zu schreiben und Spaß zu haben. Das ist das, was ich an der Musik liebe. Wer mein erstes Album mag, der soll sich das anhören, aber ich mache doch nicht das Gleiche noch mal! Ich wollte eine andere Platte machen.
    "Diese ganzen dunklen, wütenden Gedanken"
    Reinhardt: Das muss doch auch eine ganz andere Atmosphäre gewesen sein. Das erste Album haben Sie in ihrer Heimatstadt Nottingham geschrieben, das zweite in Malibu. Ganz schöner Kontrast!
    Bugg: Ja, total anders. Bei dieser Platte - und vielleicht brauchte ich ja gerade das - hatte ich keine Pause, keinen einzigen Tag frei. Nicht, dass das meine Musik oder meine Texte großartig beeinflusst hätte, aber das hat mich zumindest dazu gebracht, diese ganzen dunklen, wütenden Gedanken in die Musik, auf das Album zu packen. Jetzt fühle ich mich im Reinen mit mir, weswegen die Platte auch Shangri-La heißt, Paradies, weil es so ein Ort des Glücks war.
    Reinhardt: Ihr Album fängt ja sehr wütend an, der letzte Song dagegen heißt: "Storm Passes Away", der Sturm zieht vorbei. Ein fast schon fatalistisches Ende.
    Bugg: Ja, so hab ich mich auch gefühlt. Ich bin in die Aufnahmen ja nicht so reingegangen, dass ich genau wusste, welches Album ich machen will. Aber das war das Tolle, dass ich mir dessen gar nicht bewusst war. Hätte ich einen Plan gehabt, wäre es wohl mehr wie ein Job gewesen. Stattdessen habe ich die Zeit genossen, was gut für meinen Seelenzustand war.
    Reinhardt: Aber welcher Sturm ist denn nun vorbeigezogen?
    Bugg: Naja, dieser Song hat eigentlich keine große Bedeutung, gerade im Verhältnis zu den anderen. Mal kannst Du was damit anfangen, mal nicht. Aber wahrscheinlich geht es schon um etwas Unterbewusstes, etwas in mir drin.
    Reinhardt: Also keine Metapher für die ganze mediale Aufmerksamkeit, die Sie bekommen?
    Bugg: Nein. Ich war in Nashville, als ich das Stück schrieb, und dachte: Wär doch schön, gerade hier einen Countrysong zu schreiben. Meistens fange ich mit einer Melodie an, dann fällt mir ein Text dazu ein, der wahrscheinlich unbewusst schon lange da war, aber der den richtigen Moment brauchte, um an die Oberfläche zu kommen. Danach bin ich dann auch immer entspannter.
    Reinhardt: Jake Bugg, thank you very much for the interview.
    Bugg: Dankeschön.
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