
Fred Otash ist ein „Hollywood Fixer“, einer, der Probleme löst für die Reichen und Mächtigen, notfalls mit Erpressung und Gewalt. Sein Motto ist: „Ich mache alles außer Mord, ich arbeite für jeden außer für Kommunisten“. Mit beiden Prinzipien nimmt er es nicht immer so genau. Nun aber hat es Otash erwischt, er ist gestorben, schmort im Fegefeuer und erhält eine letzte Chance:
„Es gibt einen Himmel für die Guten und eine Hölle für die bösartig Böööööösen. Und das Fegefeuer für Kerle wie mich – schräge Schurken, die die Schwäche eines siechen Systems ausgenutzt und andere ins Unglück gestürzt haben. Jetzt bieten mir meine gerissenen Wärter einen Handel an: Halte deine schmähliche Lebensreise schriftlich fest. Raus mit der Wahrheit und nichts als der Wahrheit. Halte nichts zurück und heb in den Himmel ab.“
Beichte eines Erpressers und Gewalttäters
James Ellroy nimmt Fred Otash also die Beichte ab. Diesen hat es übrigens wirklich gegeben. Er lebte von 1922 bis 1992 und war eine berüchtigte Figur in den USA. Er war verwickelt in zahlreiche Skandale und bekannt dafür, unangenehme Details aus dem Privatleben von Leinwandgrößen hervor zu schürfen:
„Durch meine Synapsen sausen millionenfach meine miserablen Missetaten. Fred Otash: Schurkenpolizist, Privatdetektiv, auf Schweigegeld-Erpressung spezialisierter Shakedown-Künstler. Der dämonische Deus ex Machina seiner elenden Epoche. Ich war der Höllenhund, vor dem ganz Hollywood kuschte. Ich war der Mann, der um all die kranken Sex-Geheimnisse wusste, auf die ihr irren Irdischen so scharf seid.“
Otash taucht in einigen Filmen auf, unter anderem soll er Vorbild für den Privatschnüffler in Polanskis „Chinatown“ sein. 1976 verfasste er seine Memoiren, die heute nur noch antiquarisch zu Fabelpreisen erhältlich sind. Ellroy mischt in seinem Roman gekonnt Fiktion und Fakt.
Verfehlungen und Bettgeschichten von Hollywood-Prominenz
Reihenweise treten Prominente auf, über die Fred Otash in seinen Bekenntnissen allerlei Anzügliches zu berichten weiß. Für John F. Kennedy besorgt Otash Drogen und Frauen, mit Liz Taylor teilt er die Bettstatt, am liebsten im Gespann mit seiner Freundin Joi. Von Burt Lancaster heißt es, er foltere Prostituierte für Geld. Rock Hudson erscheint als gutmütiger Trottel, dem Otash im Auftrag des Studios eine Frau zur Scheinehe zuführt, um Hudsons Homosexualität zu kaschieren. Diese letzte Geschichte scheint übrigens auf Wahrheit zu beruhen, denn der reale Otash war tatsächlich in einen solchen Deal verwickelt. Ansonsten wundert man sich, dass Ellroy keine Probleme mit dem Personenschutzrecht bekommen hat – bei alldem, was er seinen Protagonisten hier allseits bekannten Filmgrößen nachsagen lässt.
Die Attraktivität von Sex und Gewalt
Allerdings überschätzt der Autor womöglich das Interesse, das eine heutige Leserschaft für reale oder erdachte Sexgeschichten längst verstorbener Stars aufbringt. Wenn nicht Sex, dann ist Gewalt ein bevorzugtes Sujet:
„Der Totschläger erwischte ihn voll. Die genoppten Säume rissen ihm das Gesicht auf. Das beschwerte Schlag-Ende nahm eine Augenbraue mit und brach ihm knirschend die Nase. Ich packte ihn am Nacken und hinderte ihn am Schreien. Wenige Schritte entfernt stand eine Fritteuse. Mit brodelnd heißem Fett und Kartöffelchen nach Lyoner Art. Ich zerrte ihn rüber. Ich tunkte ihm die Messerhand ins Fett und frittierte sie. Ich hielt ihm die Hand im Fett fest und verbrannte sie bis zu den Knochen.“
Otash, stets auf Whiskey und Speed, startet mit seiner Freundin Joi ein florierendes Erpressungsgeschäft. James Dean ist einer seiner Mitarbeiter und verkehrt mit Ehefrauen, die dadurch erpressbar werden bzw. Scheidungsgründe liefern. Otash bekommt das Angebot vom Schmuddelblatt „Confidential“, seine Praktiken systematisch in den Dienst der Skandalpresse zu stellen.
„Confidential war der geile Gral unserer geschockten Generation. Desillusionierung heißt Aufklärung. Confidential bot Wahrheiten feil und harpunierte Heuchler. Ein zutiefst moralisches Unterfangen. Die meschuggene Magna Charta unseres überdrehten und kaputten Zeitalters.“
Viele Szenen bis zum Plot
Lange Zeit schleppt sich der Roman als eine Aneinanderreihung von schlagkräftigen Szenen dahin, wartet mit Tausenden von Namen auf, bekannten wie unbekannten. Erst nach der Hälfte des Buches ergibt sich ein Plot, es geht um einen Mord im kommunistischen Milieu. Ein zweiter Plot bringt die wahre Geschichte des perversen Vergewaltigers Caryl Whittier Chessman, 1960 hingerichtet, in Verbindung mit kriminellen Machenschaften rund um James Deans größten Filmerfolg „Denn sie wissen nicht, was sie tun“. Dessen Regisseur Nicholas Ray kommt als durchgeknallter, kommunistischer Manipulator zur Darstellung, der sogar einen Mord mit Vergewaltigung begehen lässt zur Authentifizierung eines anderen Filmprojekts.
Das Ganze ist in einem stets gleichen, abgeklärt-zynischen Sprachsound gehalten. Da es sich um die Stimme des sexistischen Kommunistenfressers Otash handelt, ist das nachvollziehbar. Auf Dauer wird dieser Duktus aber zur Sackgasse, weil er wenig sprachliche Modifikationen gestattet. Und selbst wenn man das in Rechnung stellt, bleibt es auf dem Papier immer noch sexistische und gewaltverherrlichende Macho-Rede. Zumal Ellroy seinem Protagonisten im Verlauf des Buches mehr und mehr das Format des klassischen Film-Noir-Helden zuschreibt – harte Schale, weicher Kern. Otash erhält beinahe so etwas wie ethische Integrität – als Rächer verletzter Frauen, dessen Morde letztlich nur der Gerechtigkeit dienen. Das entspricht vielleicht amerikanischer Westernmoral, hinterlässt aber einen schlechten Geschmack. Alles in allem vermittelt der neueste Roman des Erfolgsautors Ellroy daher einen eher zwiespältigen Eindruck.
James Ellroy: "Allgemeine Panik"
Aus dem Englischen von Stephen Tree
Ullstein Verlag, Berlin. 432 Seiten, 26 Euro.
Aus dem Englischen von Stephen Tree
Ullstein Verlag, Berlin. 432 Seiten, 26 Euro.