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Jean-Luc Mélenchon
Lobbyist der Eskalation

"Die Lösung ist das Volk", meint Jean-Luc Mélenchon. Der Chef der äußersten Linken im französischen Parlament gibt sich unbeugsam und initiiert einen Misstrauensantrag gegen Präsident Emmanuel Macron. Unterdessen bläst die Protestbewegung zum Sturm auf den Präsidentenpalast.

Von Jürgen König | 07.12.2018
    Jean Luc Melenchon - Präsident der France Insoumise - Paris - 05/12/2018
    Jean-Luc Mélenchon unterstützte die Bewegung der Gelbwesten vom ersten Tag an und spricht von einer "Revolution" (imago stock&people / Gwendoline LeGoff/Panoramic )
    Im ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen von 2017 erreichte Jean-Luc Mélenchon ein erstaunlich gutes Ergebnis, weniger als zwei Prozentpunkte nur lag er hinter Marine Le Pen, die in die Stichwahl kam und dort Emmanuel Macron unterlag. So nah war Mélenchon der Macht noch nie gekommen – und sofort setzt er alles daran, mit seiner Bewegung "La France insoumise", das "Unbeugsame Frankreich", die wichtigste Oppositionskraft zu werden und Präsident Macron unter Druck zu setzen. Bei den Parlamentswahlen lag er bereits so gut im Wind, dass seine "Unbeugsamen" eine Fraktionsgruppe stellen konnten.
    Der Trotzkist, langjährige Sozialist Mélenchon blieb so im politischen Spiel. Und sah einmal mehr seine Stunde gekommen, als die "Gelbwesten", die "gilets jaunes", auf den Plan traten: Binnen Tagen veränderte sich das Land, denn die Proteste galten schnell nicht mehr nur den hohen Spritpreisen, sondern wurden radikal:
    "Am Zehnten eines Monats bin ich auf meinem Konto schon im Minus, das wird langsam schwierig, ich habe ein Kind. Und ich habe echt die Nase voll. Sich so von der Politik dominieren zu lassen – damit muss Schluss sein. Ganz Frankreich ist doch wütend – und das hört nicht auf, das hört nicht auf."
    Mélenchon heizt die Gelbwesten an
    Jean-Luc Mélenchon unterstützte die Bewegung vom ersten Tag an – und blieb dabei im Hintergrund, da die Gelbwesten ausdrücklich erklärt hatten, man werde sich von politischen Parteien nicht vereinnahmen lassen. Die weiteren Schritte der Radikalisierung der Bewegung vollzog Mélenchon wie ein kommentierender Begleiter mit, sagte vorletzte Woche im Sender BFM:
    "Wir erleben gerade das Entstehen einer bürgerlichen Revolution. Und weil die Regierung das nicht versteht und weil es mit der "Macronie" vollkommen vorbei ist, werden die Dinge sich weiterentwickeln bis hin zu einer offenen politischen Krise."
    Während zunächst nur die allerwenigsten Gelbwesten von einer "Revolution" sprachen, tat Jean-Luc Mélenchon es umso öfter – und heizte die Bewegung auf diese Weise ständig an. Auch die Gewalt hatte er früh schon als "legitimes Mittel der Revolution" bezeichnet, kritisierte nach den schweren Gewaltexzessen des vergangenen Wochenendes einzig die Regierung:
    "Die Gewaltausbrüche sind doch ein Ritual geworden. Und man hat den Eindruck, die von den Behörden getroffenen Maßnahmen wurden genau dafür gemacht. Wenn Sie alle Straßen absperren und lassen die Leute sich nur an einem einzigen Ort versammeln und sie dann auch noch mit Wasser und Tränengas bombardieren, dann ist klar, was dabei herauskommt. Für mich sind das Nebensachen. Vergessen wir‘s einfach."
    "Die Lösung ist das Volk"
    Während der Forderungskatalog der Gelbwesten immer größer wurde - bis hin zum Rücktritt des Präsidenten – blieb die Bewegung als Ganzes nach außen hin stumm. Da ein selbsternannter Sprecherrat von anderen Aktivisten nicht anerkannt wurde, kam noch keine einzige Gesprächsrunde mit der Regierung zustande. Genau diese Lücke füllte Jean-Luc Mélenchon, der wie kein anderer Politiker Medienpräsenz zeigte, dabei erklärtermaßen "nicht für die Bewegung", sondern nur für sich sprach – und doch mit seinen Positionen genau die der Gelben Westen aufgriff und zuspitzte. Mélenchon letzten Sonntag im Sender France 2:
    "Es muss ein Ausweg gefunden werden, der nach vorne weist; es bringt nichts, Positionen zu halten, die die Blockaden nur immer weiter verlängern. Deswegen sage ich zu Monsieur Macron: Nehmen Sie die Maßnahmen zurück, die das alles ausgelöst haben, die Ökosteuern auf Benzin und Diesel und: Führen Sie die Vermögenssteuer wieder ein, um Ihr Budget auszugleichen. Oder: Vertrauen Sie dem Volk und lassen es wählen – das Problem ist bekannt, die Lösung ist das Volk."
    Rhetorisch werden hier die Proteste der vielen Einzelnen zu einer republikweiten Erhebung gemacht. Mélenchon am Mittwoch in der Nationalversammlung, an die Abgeordneten der Regierungspartei gerichtet:
    "Verstehen Sie endlich, dass hier eine Epoche beginnt, das ist ein politischer Höhepunkt, es ereignet sich gerade französische Geschichte! Das ist nicht nur einfach eine kleine Störung Ihrer parlamentarischen Arbeit!"
    Als zu Wochenbeginn das renommierte Umfrageinstitut IFOP nach der "wirksamsten Oppositionspartei" fragte, kam "La France insoumise" auf Platz Eins, gefolgt von Marine Le Pens "Rassemblement National". Wie Mélenchon hat auch sie schon mehrfach Neuwahlen gefordert. Sollte es dazu kommen, hätten Mélenchon und Le Pen die besten Chancen, in die Stichwahl zu kommen. Dort könnte Mélenchon Erfolg haben – dann wäre er am Ziel.