Christine Heuer: Die Buchmessen in Frankfurt und Leipzig sind hierzulande die klassischen Großereignisse rund ums Buch, um Leser und Autoren. Seit einigen Jahren gibt es ein drittes großes Literaturtreffen, die lit.COLOGNE. Ein bisschen weniger großartig als die Buchmessen ist die lit.COLOGNE, ein bisschen kleiner auch und sicher experimentierfreudiger. Heute Abend beginnt das Kölner Literaturfest, bei dem es dieses Mal unter anderem dies gibt: Lesungen zum Thema Fußball, Texte von Charles Bukowski, eine schwimmende Oper mit Elke Heidenreich - und "Die größte Deutschstunde der Welt", mit 15.000 Menschen im Publikum und dem Sprachkolumnisten Bastian Sick, Autor des Bestsellers "Der Dativ ist dem Genetiv sein Tod", auf der Bühne. Guten Morgen, Herr Sick.
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Bastian Sick: Ja schönen guten Morgen.
Heuer: Was soll das sein, "Die größte Deutschstunde der Welt"? Ein Diktat für viele, für die Massen?
Sick: Nein, kein Diktat. Also Sie können ganz entspannt sich zurücklehnen. Niemand hat was zu befürchten. Es wird eine spektakuläre Veranstaltung mit vielen prominenten Gästen, bei der wir beweisen wollen, dass die Auseinandersetzung mit der deutschen Sprache sehr lustvoll geschehen kann. Dass das Ganze sehr viel Spaß machen kann. Wir wollen eben zeigen, welche Möglichkeiten die deutsche Sprache liefert - sowohl im Guten, das heißt also in der schönen Form, in der Dichtung zum Beispiel, im Gesang und in der Moderation - es werden also Entertainer dabei sein, Talkmaster - und in der Politik - es werden Politiker dabei sein - als natürlich auch im Schlechten, im Negativen: Es werden natürlich auch Zweifelsfälle der deutschen Sprache angesprochen, es werden typische Fehler vorgeführt. Und das Ganze insofern ist lehrreich einerseits und unterhaltsam andererseits.
Heuer: Das machen Sie ja nicht ohne Grund. Die Deutschen sprechen offenbar nicht so gut Deutsch, wie es dann doch wünschenswert wäre. Schlampen die Deutschen mit dem Deutschen?
Sick: Ich glaube, die Deutschen schlampen nicht mehr als das andere Völker auch tun. Jede Nation hat ihre Probleme mit der Muttersprache, das ist ganz normal. Wir lernen sie von der Mutter und verfeinern sie in der Schule, da lernen wir dann auch die Regeln und die Normen dazu. Und das haben wir nicht ständig präsent. Und die Sprache ist viel zu vielschichtig, als dass man sie jederzeit auf dem neuesten, auf dem aktuellen Stand abrufbar hätte.
Heuer: Wir lernen, Herr Sick, die Sprache ist ein weites Feld und vielleicht ist sie dort am weitesten, wo es um Stilfragen geht. Gibt es besonders hässliche Phrasen, Mode- oder Unwörter, die Ihnen aktuell unterkommen?
Sick: Ständig passiert mir natürlich, muss ich sauer aufstoßen, wenn ich mit der Bundesbahn fahre. Dieses Gesinge der Zugführer über die Lautsprecher, wo dann Eleganz vorgetäuscht werden soll, als befände man sich sozusagen im internationalen Luftverkehr: "Wir begrüßen Sie an Bord des Intercity", und so weiter, "gerne weisen wir Sie auch auf unseren gastronomischen Service hin". Und dann geht man da hin in diesen Speisewagen und da steht dann so ein muffliger Bediensteter, der einen gar nicht zur Kenntnis nehmen will und einem ständig den Rücken zudreht. Und da klafft also eine deutliche Lücke zwischen diesem Service-Gesäusel auf der einen Seite und der Realität in der Dienstleistung auf der anderen Seite.
Heuer: Schlechte Vorbilder bei der Bahn. Gibt es auch schlechte Vorbilder dort, wo sie besonders gesehen werden, in den Medien zum Beispiel oder bei den Politikern, die ja viel in den Medien auftreten?
Sick: Ja selbstverständlich. Sie müssen doch nur das Fernsehen einschalten, da wird Ihnen also schlechtes Deutsch rund um die Uhr präsentiert. In den Talkshows, in den Gerichtssendungen. Aber auch so genannte Profis vergreifen sich gelegentlich im Ton, also vor allen Dingen im Stil, wenn es um die Wahl besserer und schlechterer Ausdrücke geht und vor allen Dingen um abgegriffene Phrasen, die man doch gerade in den Zeitungen immer wieder liest und auch im Rundfunk und im Fernsehen immer wieder hört.
Heuer: Da würde ich Sie jetzt gerne nach einem Namen fragen. Ich drehe es mal freundlich: Wer spricht denn auffallend gutes Deutsch?
Sick: Ja ich wäre auch der Letzte, der irgendwelche Kollegen anschwärzte. Auffallend gutes Deutsch spricht zum Beispiel Ulrich Wickert, selbstverständlich. Ich glaube, die meisten, die durch die harte Schule der "Tagesschau" gegangen sind, haben ein sehr gutes Deutsch. Viele Schauspieler ja auch. Da bekommt man doch in der Regel sehr gutes Deutsch zu hören. Bei den Moderatoren ist das schon eine andere Sache. Also die diese Nachmittagsshow oder die auf VIVA oder MTV moderieren - ich weiß auch nicht, irgendwie ist in den Köpfen der Intendanten offenbar die Vorstellung, dass man die Jugend nur dann erreicht, wenn man möglichst schmuddelig spricht. Das stimmt aber gar nicht.
Heuer: Was kann man denn tun, um die Sprache - die gesprochene wie auch die geschriebene Sprache - in Deutschland zu verbessern? Sie haben eingangs gesagt, am Deutschunterricht liegt es eigentlich nicht. Gelernt wird, es wird nur vergessen. Lesen die Deutschen vielleicht zu wenig? Das ist ja eine gute Möglichkeit, Sprache zu trainieren.
Sick: Das stimmt. Lesen bildet, auf jeden Fall. Aber ich mache mir gar keine Sorgen um das Lesen. Es wird sehr viel gelesen. Und der Buchhandel hatte, denke ich, schon schwerere Zeiten als die jetzigen zu überstehen. Die Sprachausbildung ist natürlich ein Thema, mit dem man nie ganz zufrieden ist. Das heißt, an den Schulen kann natürlich noch vieles verbessert werden. Ich glaube, der Grammatikunterricht zum Beispiel, der ist in den letzten 20 Jahren einfach zu stark vernachlässigt worden.
Heuer: Ist die Rechtschreibreform, über die wir ja lange, lange diskutieren mussten in Deutschland, in ihrer neuesten Variante eher ein Segen oder ein Fluch?
Sick: Über die Rechtschreibreform kann man in der Tat viel sagen. Dieser Kompromiss, der jetzt erzielt wurde, glaube ich, ist einigermaßen akzeptabel. Dazu ist vor allen Dingen aber auch zu sagen: Die Rechtschreibreform wird insgesamt überschätzt. Denn so dramatisch, wie viele glauben, greift sie ja gar nicht in unsere Sprache ein. Vor allen Dingen greift sie überhaupt nicht in die private Schriftsprache ein. Also jeder kann nach wie vor seine Briefe an Tante Helga und an seinen besten Freund so schreiben, wie er es immer schon getan hat und wie er es immer für richtig hielt.
Heuer: Zum Schluss, Herr Sick, machen Sie selber noch Fehler?
Sick: Aber selbstverständlich. Ich bin sicher, dass der eine oder andere aufmerksame Hörer während dieses Programms ein paar Versprecher registriert hat.
Heuer: Und ärgern Sie sich sehr darüber?
Sick: Nein, natürlich nicht. Ich ärgere mich grundsätzlich nicht über Fehler. Ich finde Fehler interessant. Fehler sind natürlich auch Teil meines Broterwerbs, meiner Arbeit. Und Fehler sind etwas durch und durch Menschliches. Es gibt niemanden, der keine Fehler machte. Und wie sie entstehen, das ist eigentlich das Spannende und zeigt uns doch viel darüber, wie unser Denken funktioniert.
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Bastian Sick: Ja schönen guten Morgen.
Heuer: Was soll das sein, "Die größte Deutschstunde der Welt"? Ein Diktat für viele, für die Massen?
Sick: Nein, kein Diktat. Also Sie können ganz entspannt sich zurücklehnen. Niemand hat was zu befürchten. Es wird eine spektakuläre Veranstaltung mit vielen prominenten Gästen, bei der wir beweisen wollen, dass die Auseinandersetzung mit der deutschen Sprache sehr lustvoll geschehen kann. Dass das Ganze sehr viel Spaß machen kann. Wir wollen eben zeigen, welche Möglichkeiten die deutsche Sprache liefert - sowohl im Guten, das heißt also in der schönen Form, in der Dichtung zum Beispiel, im Gesang und in der Moderation - es werden also Entertainer dabei sein, Talkmaster - und in der Politik - es werden Politiker dabei sein - als natürlich auch im Schlechten, im Negativen: Es werden natürlich auch Zweifelsfälle der deutschen Sprache angesprochen, es werden typische Fehler vorgeführt. Und das Ganze insofern ist lehrreich einerseits und unterhaltsam andererseits.
Heuer: Das machen Sie ja nicht ohne Grund. Die Deutschen sprechen offenbar nicht so gut Deutsch, wie es dann doch wünschenswert wäre. Schlampen die Deutschen mit dem Deutschen?
Sick: Ich glaube, die Deutschen schlampen nicht mehr als das andere Völker auch tun. Jede Nation hat ihre Probleme mit der Muttersprache, das ist ganz normal. Wir lernen sie von der Mutter und verfeinern sie in der Schule, da lernen wir dann auch die Regeln und die Normen dazu. Und das haben wir nicht ständig präsent. Und die Sprache ist viel zu vielschichtig, als dass man sie jederzeit auf dem neuesten, auf dem aktuellen Stand abrufbar hätte.
Heuer: Wir lernen, Herr Sick, die Sprache ist ein weites Feld und vielleicht ist sie dort am weitesten, wo es um Stilfragen geht. Gibt es besonders hässliche Phrasen, Mode- oder Unwörter, die Ihnen aktuell unterkommen?
Sick: Ständig passiert mir natürlich, muss ich sauer aufstoßen, wenn ich mit der Bundesbahn fahre. Dieses Gesinge der Zugführer über die Lautsprecher, wo dann Eleganz vorgetäuscht werden soll, als befände man sich sozusagen im internationalen Luftverkehr: "Wir begrüßen Sie an Bord des Intercity", und so weiter, "gerne weisen wir Sie auch auf unseren gastronomischen Service hin". Und dann geht man da hin in diesen Speisewagen und da steht dann so ein muffliger Bediensteter, der einen gar nicht zur Kenntnis nehmen will und einem ständig den Rücken zudreht. Und da klafft also eine deutliche Lücke zwischen diesem Service-Gesäusel auf der einen Seite und der Realität in der Dienstleistung auf der anderen Seite.
Heuer: Schlechte Vorbilder bei der Bahn. Gibt es auch schlechte Vorbilder dort, wo sie besonders gesehen werden, in den Medien zum Beispiel oder bei den Politikern, die ja viel in den Medien auftreten?
Sick: Ja selbstverständlich. Sie müssen doch nur das Fernsehen einschalten, da wird Ihnen also schlechtes Deutsch rund um die Uhr präsentiert. In den Talkshows, in den Gerichtssendungen. Aber auch so genannte Profis vergreifen sich gelegentlich im Ton, also vor allen Dingen im Stil, wenn es um die Wahl besserer und schlechterer Ausdrücke geht und vor allen Dingen um abgegriffene Phrasen, die man doch gerade in den Zeitungen immer wieder liest und auch im Rundfunk und im Fernsehen immer wieder hört.
Heuer: Da würde ich Sie jetzt gerne nach einem Namen fragen. Ich drehe es mal freundlich: Wer spricht denn auffallend gutes Deutsch?
Sick: Ja ich wäre auch der Letzte, der irgendwelche Kollegen anschwärzte. Auffallend gutes Deutsch spricht zum Beispiel Ulrich Wickert, selbstverständlich. Ich glaube, die meisten, die durch die harte Schule der "Tagesschau" gegangen sind, haben ein sehr gutes Deutsch. Viele Schauspieler ja auch. Da bekommt man doch in der Regel sehr gutes Deutsch zu hören. Bei den Moderatoren ist das schon eine andere Sache. Also die diese Nachmittagsshow oder die auf VIVA oder MTV moderieren - ich weiß auch nicht, irgendwie ist in den Köpfen der Intendanten offenbar die Vorstellung, dass man die Jugend nur dann erreicht, wenn man möglichst schmuddelig spricht. Das stimmt aber gar nicht.
Heuer: Was kann man denn tun, um die Sprache - die gesprochene wie auch die geschriebene Sprache - in Deutschland zu verbessern? Sie haben eingangs gesagt, am Deutschunterricht liegt es eigentlich nicht. Gelernt wird, es wird nur vergessen. Lesen die Deutschen vielleicht zu wenig? Das ist ja eine gute Möglichkeit, Sprache zu trainieren.
Sick: Das stimmt. Lesen bildet, auf jeden Fall. Aber ich mache mir gar keine Sorgen um das Lesen. Es wird sehr viel gelesen. Und der Buchhandel hatte, denke ich, schon schwerere Zeiten als die jetzigen zu überstehen. Die Sprachausbildung ist natürlich ein Thema, mit dem man nie ganz zufrieden ist. Das heißt, an den Schulen kann natürlich noch vieles verbessert werden. Ich glaube, der Grammatikunterricht zum Beispiel, der ist in den letzten 20 Jahren einfach zu stark vernachlässigt worden.
Heuer: Ist die Rechtschreibreform, über die wir ja lange, lange diskutieren mussten in Deutschland, in ihrer neuesten Variante eher ein Segen oder ein Fluch?
Sick: Über die Rechtschreibreform kann man in der Tat viel sagen. Dieser Kompromiss, der jetzt erzielt wurde, glaube ich, ist einigermaßen akzeptabel. Dazu ist vor allen Dingen aber auch zu sagen: Die Rechtschreibreform wird insgesamt überschätzt. Denn so dramatisch, wie viele glauben, greift sie ja gar nicht in unsere Sprache ein. Vor allen Dingen greift sie überhaupt nicht in die private Schriftsprache ein. Also jeder kann nach wie vor seine Briefe an Tante Helga und an seinen besten Freund so schreiben, wie er es immer schon getan hat und wie er es immer für richtig hielt.
Heuer: Zum Schluss, Herr Sick, machen Sie selber noch Fehler?
Sick: Aber selbstverständlich. Ich bin sicher, dass der eine oder andere aufmerksame Hörer während dieses Programms ein paar Versprecher registriert hat.
Heuer: Und ärgern Sie sich sehr darüber?
Sick: Nein, natürlich nicht. Ich ärgere mich grundsätzlich nicht über Fehler. Ich finde Fehler interessant. Fehler sind natürlich auch Teil meines Broterwerbs, meiner Arbeit. Und Fehler sind etwas durch und durch Menschliches. Es gibt niemanden, der keine Fehler machte. Und wie sie entstehen, das ist eigentlich das Spannende und zeigt uns doch viel darüber, wie unser Denken funktioniert.