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"Jetzt ist der Ball bei der Hamas"

EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner hat die Hamas zu einem radikalen Kurswechsel aufgerufen. Notwendig sei ein Verzicht von Gewalt und Terrorismus und die Anerkennung des Existenzrechts Israels, sagte Ferrero-Waldner am Freitag im Deutschlandfunk. Die Hamas müsse die von der so genannten Roadmap für den Nahen Osten vorgegebenen Zwei-Staaten-Lösung akzeptieren.

Moderation: Doris Simon |
    Simon: Der Rahmen ist schon sehr fein gewählt: Genau am 250. Geburtstag von Wolfgang Amadeus Mozart hat Österreichs Bundeskanzler Wolfgang Schüssel nach Salzburg geladen. Dort sollen hochrangige Gäste aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Medien über den "Sound of Europe" diskutieren, also in etwa "den Klang Europas". Österreich hat derzeit die EU-Präsidentschaft und mit dieser Konferenz sollen vielleicht auch wieder etwas fröhlichere Töne in den zuletzt auch oft mollgetönten Klang in der EU-Debatte kommen. Welche Rolle, welche Bedeutung soll EU, Europa haben? Am Telefon in Salzburg ist nun die EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner. Frau Ferrero-Waldner, was erwarten Sie konkret von dieser Konferenz?

    Ferrero-Waldner: Ich erwarte, dass diese Konferenz die Ouvertüre eines längeren Prozesses ist, einer hoffentlich sehr lebhaften Debatte, den "Sound of Europe", den "Klang Europas", ja den Klang der Bürger, "Sound of the Citizens", wieder anzufachen. Und wir haben eben einen vielfältigen Klang in Europa. Das ist eine Symphonie. Das ist nicht monoton. Und ich hoffe, am Ende werden wieder Klänge in Dur da sein – sowie auch die "Ode an die Freude" etwas Positives ist und wir nicht von einer "Ode an die Sorge" sprechen. Und damit soll durch die österreichische Präsidentschaft, die ja ein Zwei-Phasen-Konzept hat, in der ersten Phase sozusagen in die Inhalte hineinzugehen, über die Arbeitslosigkeit zu sprechen – Wie kann man sie vermeiden? Wie kann man mehr tun, um die Wirtschaft anzukurbeln, die Wettbewerbsfähigkeit? – und damit eine wirklich positive Stimmung zu machen. Und auch in die zweite Hälfte hineinzugehen, zur Verfassungsdiskussion.

    Simon: Ist die Gefahr nicht groß, dass das bestenfalls vielleicht am Ende beim Parlando bleibt und nicht viel rauskommt?

    Ferrero-Waldner: Wissen Sie, man muss Stimmungen eben ändern. Und ich denke, eine Identitätsdiskussion ist sehr, sehr wichtig in Europa. Denn die Identität Europas ist ja die Summe aller Identitäten. Und das passt sehr gut zu Mozart, der ja ein Parade-Europäer war.

    Simon: Frau Ferrero-Waldner, in Salzburg schaut die EU heute auf sich selber. Überschattet ist das Ereignis aber vom Wahlsieg der Hamas bei der palästinensischen Parlamentswahl. Die Europäische Union ist der größte Geber der Palästinenserregierung, sie hält die Gebiete sozusagen am Leben. Wird es dabei bleiben, wenn jetzt Hamas regiert?

    Ferrero-Waldner: Nun, wir haben gestern Abend noch ein Quartett-Telefonat gehabt. Sie wissen: Das sind die Amerikaner, die Vereinten Nationen, die Russen und wir, die Europäer. Und wir haben noch einmal festgestellt, dass es natürlich einen grundlegenden Widerspruch gibt zwischen der Fortsetzung der Aktivitäten bewaffneter Gruppen und Milizen einerseits und dem Aufbau des demokratischen Staates andererseits. Eine Zwei-Staaten-Lösung des Konflikts verlangt von allen Teilnehmern eben einen demokratischen Prozess, auf Gewalt und Terrorismus zu verzichten – und das Existenzrecht Israels anzuerkennen und die Waffen niederzulegen. Und eben darauf zuzugehen, was in der Wegskizze, in der "Roadmap", vorgezeichnet ist, nämlich die Zwei-Staaten-Lösung in Frieden. Und darauf wird es ankommen. Jetzt ist der Ball bei der Hamas.

    Simon: Das heißt aber: Sie warten erst mal ab?

    Ferrero-Waldner: Ja, selbstverständlich.

    Simon: Wie viel Zeit bekommt die Hamas?

    Ferrero-Waldner: Nun, wir werden alles das diskutieren. Wir haben ja am Montag einen Außenministerrat. Aber ich glaube, jetzt ist es wichtig, einmal zu sagen: Das ist die Meinung der internationalen Gemeinschaft. Und nun werden wir sehen, wie Hamas darauf reagiert.

    Simon: Wie wollen Sie die Hamas – außer mit dieser Aufforderung – dazu bewegen, den bewaffneten Kampf einzustellen?

    Ferrero-Waldner: Schauen Sie, das Wichtige ist, dass hier ein Prozess in Gang kommt. Und jetzt müssen wir einmal sehen: Wie wird die Regierungsbildung sein? Was können wir tun? Und ich glaube, da muss man natürlich einen gewissen Zeitpunkt haben. Aber die Palästinenser, das palästinensische Volk, das ist das Volk, das wir selbstverständlich weiterhin grundsätzlich unterstützen wollen. Und hoffentlich gehen die Palästinenser darauf ein.

    Simon: Wie groß sehen Sie denn die Gefahr, dass – falls die Hamas nichts ändert und der Geldhahn langsam zugedreht wird – Palästina erst recht in die Gewalt treibt?

    Ferrero-Waldner: Ich glaube, man sollte die Wahlen wirklich als eine Chance sehen. Es war sehr wichtig, dass viele Palästinenser daran teilgenommen haben. Ich halte es auch sehr, sehr wichtig, dass erstens einmal die Wahlen überhaupt stattgefunden haben und sehr fair ausgetragen wurden. Und ich darf doch sagen, dass zur erfolgreichen Abwicklung vor allem auch hier die Kommission teilgenommen hat, die seit 2003 bereits mit der palästinensischen Wahlbehörde gearbeitet hat. Und dass so viele abgestimmt haben und dass die Qualität des Abstimmungsprozesses grundsätzlich gut war, das, glaube ich, ist einmal ein sehr wichtiger Punkt in Richtung Wahlen, in Richtung Demokratisierung. Und die Palästinenser haben sich für einen Wechsel ausgesprochen, nun muss man weitersehen. Ich glaube, eine gewisse Zeit müssen wir selbstverständlich geben.

    Simon: Das heißt also: Hoffen und abwarten, erst mal?

    Ferrero-Waldner: Gut, wir haben eine klare Aussage getroffen. Und jetzt – wie gesagt – ist der Ball im Feld der anderen.

    Simon: Haben Sie eigentlich diesen Fall vorher in so einer Art, einmal, ja, Vorstellung einmal durchgespielt, dass dies passieren könnte?

    Ferrero-Waldner: Nicht in dieser konkreten Situation. Aber selbstverständlich, in den letzten Wochen wussten wir, dass Hamas abschneiden würde in den Wahlen und eine Portion der Wählerstimmen erhalten würde. Wir wussten nur nicht, wie weit das ging.

    Simon: Aber Kontakte in diese Richtung haben Sie da nicht besonders ausgebaut?

    Ferrero-Waldner: Nein, das haben wir nicht.