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"Jetzt müssen wir hören, was der Minister dazu sagt"

Ein geschasster Ex-General und Ex-Staatssekretär bezichtigen den Verteidigungsminister de facto der Lüge. Helmut Königshaus, für die FDP im Untersuchungsausschuss, verweist auf den Einzigen, der noch Aufklärung leisten kann: Karl-Theodor zu Guttenberg selbst.

19.03.2010
    Tobias Armbrüster: Bis in die späten Nachtstunden hat der sogenannte Kundus-Untersuchungsausschuss getagt. Geladen waren zwei Männer, die von Anfang an gut informiert waren über die Bombardierung von zwei entführten Tanklastzügen im Kundus-Flussbecken im Norden von Afghanistan – zwei Männer, die wegen der Bombardierung aber auch ihre politische Karriere beenden mussten. Wolfgang Schneiderhan, ehemaliger Generalinspekteur der Bundeswehr, und Peter Wichert, Staatssekretär im Verteidigungsministerium, sie sollen Informationen zurückgehalten haben, so Verteidigungsminister zu Guttenberg. Deshalb hat er beide Ende 2009 entlassen. Was Schneiderhan und Wichert gestern im Ausschuss sagten, klang dagegen ganz anders. Zu Guttenberg sei zu jedem Zeitpunkt informiert gewesen, er wusste stets, was er wissen musste. – Am Telefon bin ich jetzt mit Helmut Königshaus verbunden. Er sitzt für die FDP im Untersuchungsausschuss. Schönen guten Morgen, Herr Königshaus.

    Helmut Königshaus: Schönen guten Morgen, Herr Armbrüster.

    Armbrüster: Nach den Aussagen gestern war es korrekt, dass Verteidigungsminister zu Guttenberg die Herren Wichert und Schneiderhan entlassen hat?

    Königshaus: Dazu müssen wir ihn ja erst auch noch mal selber hören. Wir haben jetzt insbesondere von Herrn Schneiderhan gehört, dass er selbst eigentlich alle Informationen, von denen er glaubte, dass sie militärisch und politisch notwendig sind, dass er sie wissen musste, übergeben hatte. Es ist ja so: Man kann natürlich nicht innere Vorgänge nachvollziehen, was den Minister nun veranlasst hat, sich schlecht informiert zu fühlen. Aber es ist klar, dass es nicht um die Frage ging und geht, welche Akten ihm nun physisch vorgelegen haben, denn die Akten waren im Ministerium natürlich vorhanden - Schneiderhan und Wichert waren ja seine engsten Mitarbeiter -, sondern es geht eben darum, was ihm über das, was in den Akten drinsteht, mitgeteilt wurde an Wesentlichem. Und dort – das muss man eben noch abwarten – fühlte er sich eben ganz offenkundig, so hat er uns das ja und auch den beiden gesagt, nicht ausreichend informiert.

    Armbrüster: Was haben denn die beiden Ihrer Ansicht nach falsch gemacht?

    Königshaus: Ich weiß nicht, ob sie etwas falsch gemacht haben. Nach ihrer eigenen Darstellung nicht, und jetzt müssen wir hören, was der Minister dazu sagt. Entscheidend ist ja für das Vertrauen, das der Minister in seine politischen Beamten – und dazu gehören die beiden – natürlich hat, dass er selbst glaubt, dass er in Zukunft mit denen gut zusammenarbeiten kann, und das war offenbar nicht gegeben. Die beiden haben darüber natürlich ihre Enttäuschung sehr deutlich dargestellt, und das kann man ja auch nachvollziehen. Wer lässt sich so was schon gerne sagen? Aber bevor man den Minister selbst gehört hat zu diesem Thema, muss man eben dann doch noch abwarten, was man dazu dann letzten Endes als Entscheidung sagen könnte.

    Armbrüster: Aber ist es nicht erstaunlich, Herr Königshaus, dass die beiden Spitzenbeamten diesen Angriff für militärisch angemessen hielten, zu Guttenberg aber nicht?

    Königshaus: Zunächst mal hielt auch der Minister den Angriff ja für angemessen. Er ging ja sogar noch einen Schritt weiter und sagte, er sei auch notwendig gewesen.

    Armbrüster: ..., bis er diese Ansicht revidiert hat.

    Königshaus: ..., bis er diese Ansicht revidiert hat, und weshalb er diese Ansicht später revidiert hat, wissen wir ja noch nicht. Das wissen auch die beiden nicht, denn die waren ja zu dieser Zeit dann nicht mehr im Amt. Mit anderen Worten: Es geht auch schon ganz entscheidend darum, was der Minister selbst uns dann sagen wird, bevor man hier ein abschließendes Urteil geben kann. Was aber klar ist: Beide haben eben in der Tat – das ist der Kern ja auch dessen, was wir untersuchen wollen – sich über den militärischen Einsatz dort am Kundus-Fluss konkret geäußert, und beide haben gesagt, sie halten ihn für angemessen, für militärisch auch vertretbar und angemessen, und ich glaube, das ist ja auch eine ganz wichtige und zentrale Aussage.

    Armbrüster: Wenn wir jetzt darüber reden, welche Informationen wann zugänglich gemacht wurden, zeigt das alles nicht auch, dass im Verteidigungsministerium von Anfang an daran gearbeitet wurde, Einzelheiten zu dieser Bombardierung zurückzuhalten?

    Königshaus: Das kann man eigentlich auch nicht sagen. Das haben auch beide Zeugen uns gestern sehr glaubhaft dargestellt, dass sie die Informationen, die einliefen, auch immer sukzessive versucht haben, der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Staatssekretär Wichert hat eben darauf hingewiesen, dass die anfänglichen Informationen, die aus dem Pressebereich, aus dem Pressestab kamen, etwas zu forsch waren, rückblickend betrachtet, weil die sich ausschließlich auf die Meldungen aus Kundus selbst gestützt haben, und die wiederum hatten zu dem Zeitpunkt eben noch keine klaren Bilder von der Lage dort am Einsatzort. Erst als dann später neue Berichte ankamen, haben sie ihre jeweiligen Informationen zunehmend angepasst, haben aber eben immer auch darauf hingewiesen, dass die Berichte allesamt unbestätigt sind, denn als das Team, das die Situation dort am Einsatzort aufnehmen sollte, dort ankam, war ja, wie das eben in islamischen Ländern üblich ist, schon eigentlich alles beseitigt, was von menschlichen Überresten noch da war, und die waren bereits beerdigt, sodass man im Grunde genommen eigentlich – so wurde das gesagt – eine bereinigte Fläche wieder vorfand. Da ist es dann natürlich schwierig, einen klaren Überblick zu bekommen. Der wurde erst dann nach und nach gewonnen durch Befragungen in der Nachbarschaft, durch die Besuche im Krankenhaus von Kundus und so weiter.

    Armbrüster: So weit Helmut Königshaus. Er sitzt für die FDP im Kundus-Untersuchungsausschuss und das Gespräch haben wir vor gut einer Stunde aufgezeichnet.

    Schneiderhan verteidigt sich
    Der Ex-Generalinspekteur sieht keine Defizite in der Minister-Beratung