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"Jetzt wird international koordiniert vorgegangen"

Manfred Weber, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes Deutscher Banken, hat das Rettungspaket der Bundesregierung für die Finanzbranche begrüßt. Die Reaktion an den Börsen zeige, dass das Paket geeignet sei, die Probleme der Banken in Griff zu bekommen. Dass der Staat als Gegenleistung für die Hilfe ein Mitspracherecht fordere, sei selbstverständlich. Weber räumte ein, dass einige Banken in den letzten Jahren Fehler gemacht hätten.

Manfred Weber im Gespräch mit Jochen Spengler |
    Jochen Spengler: Die Welt stand am Abgrund der allgemeinen Zahlungsunfähigkeit, was nicht allein das weltweite Finanzsystem bedroht hätte. Nun also allein in Deutschland 480 Milliarden Euro vom Staat, 400 Milliarden davon für Bürgschaften für den Handel zwischen den Banken und 80 Milliarden als direkte Finanzspritze für solche Banken, die in Bedrängnis sind. Das sind eigentlich unvorstellbare Dimensionen. Die Ankündigung staatlicher Rettungsaktionen für die Finanzbranche hat gestern aber den freien Fall der Börsenkurse zumindest vorläufig gestoppt. In Frankfurt, Paris und Zürich schossen die Börsenindizes um 11 Prozent in die Höhe, in London um 8 Prozent, New York schloss mit 11 Prozent und auch der Nikkei-Index ist auf gutem Weg. - Am Telefon ist nun Manfred Weber, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes, das heißt der Interessensvereinigung der Privatbanken, also nicht der Sparkassen oder Raiffeisenbanken. Guten Morgen, Herr Weber.

    Manfred Weber: Guten Morgen, Herr Spengler.

    Spengler: Ziel des Rettungspaketes ist die Wiederherstellung des Vertrauens. Traut jetzt schon wieder eine Bank der anderen?

    Weber: Ich denke, wir haben mit diesem Paket einen ganz wichtigen Schritt gemacht, und zwar aus zwei Gründen. Wir sind zum einen weg von der Vorgehensweise, jedes Problem immer erst dann anzupacken, wenn es auf den Tisch gekommen ist, also von Fall zu Fall. Wir haben jetzt ein umfassendes Maßnahmenpaket. Und das zweite ganz wichtige ist: die internationale Finanzmarktkrise ist das, was ich sagte, eine internationale Krise. Sie bedarf internationaler Antworten. Und hier hat das Treffen am Rande von IWF und Weltbank in Washington am vergangenen Wochenende und dann anschließend auf der europäischen Ebene einen entscheidenden Fortschritt gebracht. Jetzt wird international koordiniert vorgegangen.

    Spengler: Herr Weber, meine Frage war: ist das Vertrauen jetzt wieder hergestellt?

    Weber: So etwas können sie nicht über Nacht erwarten. Wir sind ja noch mitten in dem Prozess, wie der Bundesfinanzminister sagt, diesen Vogel jetzt zum Fliegen zu bringen. Das Parlament muss sich damit beschäftigen. Wir werden hoffentlich bis gegen Ende der Woche dann die Entscheidung haben. Aber ich denke, dass die Reaktionen an der Börse und viele andere Stimmen zeigen, dass man dieses Maßnahmenpaket in der Tat für geeignet hält - und das ist auch meine Einschätzung -, die Probleme, die wir haben im Zuge der Finanzmarktkrise, in den Griff zu bekommen.

    Spengler: Wenn wir es mal auf Deutsch sagen: Das Vertrauen war ja weg, weil die Banken sich gegenseitig belogen haben, also weil sie sich gegenseitig Kreditpakete verkauft haben, in denen faule Eier lagen. Ist jetzt gewährleistet, dass das nicht mehr passiert?

    Weber: Mit Verlaub, da will ich auch Deutsch reden. Mit Lügen hat das eigentlich wenig zu tun.

    Spengler: Sondern mit?

    Weber: Von dem einen oder anderen bedauerlichen Einzelfall vielleicht abgesehen, so wie es überall schwarze Schafe gibt. - Es hat damit zu tun, dass wir ausgehend von der Subprime-Krise in den USA, also der unverantwortlichen Gewährung von Krediten an Menschen, denen die Politik gerne ein Haus gönnen wollte, die aber von ihrem Einkommen her nicht in der Lage waren, diesen Kredit wirklich auf sich zu nehmen, dass es sich mehr und mehr ausgewachsen hat über die international vernetzten Finanzmärkte. Wir mussten feststellen, dass in der letzten Zeit ordentlich geführte Banken, die mit ordentlichen Produkten gehandelt haben, gleichwohl gleichsam in den Strudel dieser Krise gerissen worden sind. Und dann, wenn eine Krise, (die Fachleute sagen dazu in diesem Sinne systemisch wird, wenn es eben nicht mehr das eigentliche Problem einer einzelnen Bank ist oder einer kleinen Zahl von Banken, dann in der Tat hat, Herr Spengler, der Staat eine Aufgabe.

    Es gibt historisch, egal wohin Sie schauen und wie weit Sie zurückgehen, keine systemische Bankenkrise, in der der Staat dann nicht hätte auch eingreifen müssen. Wenn es so einfach wäre, dass der eine oder andere gelogen hätte, die wären schnell aus dem Geschäft, aus dem Markt heraus gewesen. Wir vereinfachen etwas zu sehr. Die Krise ist zu ernst, als dass wir es darauf reduzieren können.

    Spengler: Darauf will ich es auch nicht reduzieren, Herr Weber, und vielleicht können wir uns darauf verständigen, dass wo möglich nicht massenhaft gelogen wurde, aber es wurden halt diese faulen Kredite mitverkauft. Manche haben das vielleicht in gutem Glauben dann gekauft, manche Bankmanager. Aber auf jeden Fall können wir uns darauf verständigen, dass die Kontrolle nicht ausreichend war, oder?

    Weber: Wir haben alle in diesem Prozess dazugelernt. Für mich ist vor allen Dingen wichtig, dass manche Produkte viel zu komplex geworden sind. Wir brauchen nicht mehr so genannte verbriefte Produkte in der dritten oder vierten Ableitung, deren Risikogehalt dann nur sehr schwer einzuschätzen ist.

    Spengler: Die kann man dann auch gar nicht mehr kontrollieren oder?

    Weber: Das hängt davon ab, wie tief Sie in diese Materie einsteigen, wie gut Ihr Risiko-Management ist in der Beurteilung. Das ist grundsätzlich nicht unmöglich. Aber es hat dann auch zu viele an den Märkten gegeben, die eben von ihrem Risiko-Management her dazu nicht in der Lage waren, sondern sich hier mehr oder weniger einzig und allein auf das Urteil der Rating-Agenturen verlassen haben, die aber hier auch Fehler gemacht haben. Das Gütesiegel der Rating-Agenturen, das berühmte "Triple A", reichte eben nicht aus.

    Spengler: Die Finanzspritzen, die es jetzt vom Staat gibt, die gibt es nur zu strengen Bedingungen. Wir hören mal, welche Bedingungen der Finanzminister stellen will.

    O-Ton Peer Steinbrück: Wir werden die Vorstandsbezüge zum Thema machen. Wir werden die Boni zum Thema machen. Wir werden die Abfindungen zum Thema machen. - Ich nenne Ihnen mal meine Zahl. Diese Manager sollten pro Jahr nicht mehr als 500.000 Euro bekommen.

    Spengler: So weit Peer Steinbrück, der Bundesfinanzminister gestern. - Wir wollen von Manfred Weber, dem Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes, wissen: Herr Weber, wird das alle Banken betreffen, oder nur die, denen der Staat hilft?

    Weber: Es wird natürlich nicht alle Banken betreffen. Wir haben eine Marktwirtschaft und ich bin nach wie vor von der Überlegenheit dieser Wirtschaftsordnung überzeugt. Wir reden hier darüber, dass dann, wenn der Staat helfend eingreift in einzelne Institute, er ein nachvollziehbares berechtigtes Interesse hat, mitzureden, wie Dinge in den bestimmten Instituten, die diese Hilfen in Anspruch nehmen, dann behandelt werden.

    Spengler: An den exorbitanten Gehältern, an den Boni und Abfindungen ändert sich bei den meisten Banken also nichts?

    Weber: Ich weiß nicht, ob das exorbitante Gehälter sind. Wir sollten auch hier nicht immer zu pauschal urteilen. Der Großteil der Kollegen in den Banken verdient ganz normale Gehälter und leistet ordentliche Arbeit. Wir haben andere Bereiche auch in der Gesellschaft; da sind Gehälter, wenn Sie so wollen - ich nehme Ihren Begriff auf -, nicht weniger exorbitant, ohne dass wir solche Diskussionen darüber führen. Nein! Für mich ist wichtig: der Staat hat jetzt mit dem Maßnahmenpaket eine wichtige Maßnahme beschlossen. Das ist ein ganz wichtiger Schritt. Und dass er dann mitreden wird, dort wo er hilft, ist eigentlich nur selbstverständlich. Wir werden sehen, was im einzelnen dann jeweils hierbei herauskommt.

    Spengler: Finden Sie das denn auch selbstverständlich, dass der Finanzsektor, der Milliarden Euro verbraten hat und nun vom Steuerzahler gerettet wird, gar nicht so etwas wie ein Schuldbewusstsein hat?

    Weber: Dem würde ich widersprechen wollen.

    Spengler: Wann hören wir denn eine Entschuldigung von den Bänkern, Herr Weber?

    Weber: Wir haben, Herr Spengler, von Anfang an gesagt, dass hier Fehler gemacht worden sind, auch bei den Banken, allerdings nicht nur bei den Banken. Wir malen im Moment etwas sehr schwarz-weiß, Herr Spengler. Das ist vielleicht nachzuvollziehen angesichts der Größenordnung der Probleme, die sich hier aufgebaut haben. Aber noch einmal: Hier von "den Bänkern" oder "den Banken" zu sprechen, ist sicherlich nicht richtig. Es hat Fehler gegeben zu Beginn in verschiedensten Bereichen. Ich will aber nicht mit dem Fingerzeigen anfangen. Ich wiederhole noch einmal: auch und nicht zuletzt bei den Banken, ausgehend von Amerika, dann aber auch hierzulande und andernorts. Dann aber hat die Krise sich ausgewachsen über Ansteckungseffekte und hat die Finanzmärkte insgesamt in Mitleidenschaft gezogen. Und dann gibt es keinen anderen Akteur - lassen Sie mich das noch einmal sagen - als den Steuerzahler.

    Spengler: Herr Weber, lassen Sie mich einen rausgreifen. Josef Ackermann, der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank, der hat vor einem Jahr eine Eigenkapitalrendite von 25 Prozent Gewinn verlangt und hat dafür noch Entlassungen angekündigt. Jeder Einzelhändler wäre froh über 2 Prozent Gewinn. Kann man 25 Prozent anders als mit hoch riskanten, mit unverantwortlichen Geschäften bekommen?

    Weber: Lassen Sie mich dazu zwei Dinge sagen. Rein technisch betrachtet sollten wir nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Die Umsatzrendite des Händlers ist etwas anderes als die Eigenkapitalrendite einer Bank. Auch das geht leider in der Diskussion immer wieder etwas unter. Aber ich verstehe den Kern Ihrer Vorhaltung in dem Zusammenhang.

    Wir sollten froh sein in Deutschland, dass wir noch die eine oder andere Bank haben, die europäisch oder international mitspielen kann. Das kann man aber nur dann, wenn man das auch zu den Konditionen gleichsam tut wie die anderen Mitwettbewerber. Wir werden hier in der Zukunft gewiss jetzt eine gewisse Normalisierung wieder haben, aber in den zurückliegenden Jahren ist hier auch durchaus Gutes für die deutsche Volkswirtschaft getan worden. Wir sollten nicht so tun, als könnten wir noch mit dem Brot- und Buttergeschäft, das auch weiter durchgeführt werden muss, in globalen Finanzmärkten mit deutschen Banken überleben. Hier müssen wir uns schon ein bisschen mehr anstrengen. Hier mag es hier und da einmal Übersteigerungen geben. Aber noch einmal: Ich warne auch hier vor Pauschalurteilen.

    Spengler: Waren denn die 25 Prozent eine Übersteigerung?

    Weber: Diese 25 Prozent waren in den zurückliegenden Jahren nach meiner Auffassung keine Übersteigerung. Sie müssen sich nur anschauen, was Konkurrenten verdient haben, mit denen sie im Rennen waren. Und mir soll niemand erzählen, wir wären glücklich, wenn wir keine deutschen Banken mehr haben, die auch international eine Rolle spielen. Unsere hochgradig international verflochtene Volkswirtschaft, gerade mit einem Mittelstand, der auf den internationalen Märkten höchst erfolgreich intensiv unterwegs ist, braucht dann eben auch Banken, die ihn dabei begleiten können.

    Spengler: Manfred Weber, der Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes, der Interessenvertretung der privaten Banken in Deutschland. Herr Weber, danke für das Gespräch.

    Weber: Ich danke Ihnen.