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Job-Shadowing in Großbritannien
"Was ich mitgenommen habe, sind kleine Ideen"

Wie sieht die Arbeit an einer ausländischen Hochschule eigentlich aus? Diese Frage und seine Neugier zogen den Kölner Studienberater Anthony Bülow an die Universität Cardiff, wo er seinen walisischen Kollegen über die Schulter schaute und den Unialltag aus einer internationalen Perspektive erlebte.

Anthony Bülow im Gespräch mit Benedikt Schulz | 22.06.2017
    Anthony Bülow im Hintergrund Rasen und das Gebäude der Universität in Cardiff
    Anthony Bülow ist Studienberater an der Universität zu Köln und hat im Rahmen von Erasmus+ eine Woche an der Universität in Cardiff verbracht (Anthony Bülow)
    Benedikt Schulz: Großbritannien ist hoch im Erasmus-Kurs – noch. Kaum ein europäisches Land lockt so viele Austauschwillige an, ob Studierende, Schüler oder Berufstätige. Und bislang kann der angelaufene Brexit daran nichts ändern. 2016 war das erfolgreichste Jahr für das Erasmus+-Programm auf der Insel, sagt zumindest die britische nationale Agentur für Erasmus+.
    Und die gehen sogar noch von einem Plus aus für Erasmus+, für das laufende Jahr. Erasmus ist unser Schwerpunkt in diesem Monat, 30 Jahre alt ist das Programm und es wurde vor einiger Zeit geöffnet für Grenzgänger jenseits des Studiums. Und auf die Insel hat es auch Anthony Bülow verschlagen, genauer gesagt: an die Cardiff University in Wales. Aber eben nicht als Student, denn Anthony Bülow hat inzwischen die Seiten gewechselt, wenn man so will, und ist Studienberater an der Uni Köln. Und jetzt ist er hier im Studio, schön, dass Sie da sind, hallo!
    Anthony Bülow: Hallo!
    Anthony Bülow im Studiogespräch
    Anthony Bülow im Studiogespräch (Deutschlandradio / Ellen Wilke)
    Schulz: Ja, Herr Bülow, warum wollten Sie jetzt in Ihrem Job als Studienberater ins Ausland?
    Austausch auf internationaler Ebene
    Bülow: Ja, die Idee war in erster Linie einfach mal Neugier, also rauszufinden, wie denn Studienberater sozusagen an einer ausländischen Universität arbeiten. Die Studienberatungen in Deutschland sind eigentlich ganz gut vernetzt, da hat man also eher mal die Möglichkeit, sich auszutauschen. Aber auf internationaler Ebene fand ich das schon attraktiv.
    Schulz: Sie waren schon mal in England, im Rahmen eines Erasmus-Jahres, damals noch als Student. Welche Erfahrungen haben Sie da mitgenommen, weswegen Sie jetzt noch mal dahin wollten, als Studienberater?
    Bülow: Ja, das war eine durchweg positive Erfahrung. Das war ein ganz tolles Jahr damals in meinem Studium. Da war ich ein Jahr an der Uni in Manchester. Und unter anderem habe ich eben auch festgestellt, dass die britischen Unis im Bereich Student Services sehr gut aufgestellt sind, sehr viele Angebote haben. Und das war so mit ein ausschlaggebender Punkt, warum ich mir dann Cardiff als Uni ausgesucht habe.
    Schulz: Und was haben Sie jetzt genau beobachtet?
    Bülow: Ja, das kann man gar nicht so leicht auf den Punkt bringen. Insgesamt ist es so, dass die Student Services oder speziell eben auch Studierendenberatung sehr, sehr stark ausgebaut ist und bei Weitem das übersteigt, was wir an deutschen Hochschulen den Studierenden bieten. Das hat aber mehrere Gründe. Also, zum einen ist die finanzielle Situation der Hochschulen in Großbritannien eine andere, weil die ja Studiengebühren haben, und das auch nicht zu wenig.
    Also, die haben ganz andere Mittel und dadurch verspüren die vielleicht auch eine andere Verpflichtung gegenüber ihren Studierenden, Services zu bieten. Und dann kommt noch hinzu, dass die Situation, was Psychotherapie angeht, noch ein bisschen schlechter ist als Deutschland, sage ich mal. Also sehr, sehr lange Wartezeiten, die Versorgung ist dann nicht so gut. Und dementsprechend haben sich auch die Unis das so zur Aufgabe gemacht, eben stark im psychologischen, psychosozialen Bereich Angebote zu machen, die wir so hier in Deutschland nicht haben.
    Schulz: Was haben Sie jetzt selbst konkret für Ihre Tätigkeit als Studienberater an der Uni Köln mitnehmen können?
    Bülow: Also, was ich mitgenommen habe, sind eigentlich alltägliche Sachen, also kleine Ideen, wie Abläufe funktionieren. Beispielsweise ist es dort sehr üblich, dass im Anschluss an ein Beratungsgespräch eine E-Mail verschickt wird, wo noch mal so die Ergebnisse gesichert werden oder vielleicht auch der eine oder andere Link mitgeschickt wird zu einem interessanten E-Book oder so.
    Das ist etwas, womit wir an der Uni Köln noch nicht so stark arbeiten. Also, eine E-Mail vielleicht schon, aber wir haben jetzt quasi keinen Pool an E-Books oder Informationsmaterialien, die wir empfehlen. Also, das könnte man ausbauen. Dann gibt es einen Fragebogen, den man eingangs schon ausfüllt, also beispielsweise während man auf den Termin wartet. Das ist auch eine Idee, dass der Wartende sich schon so ein bisschen beschäftigt, und vorbereitet auf das Beratungsgespräch. Also, das sind so kleine Anregungen, sage ich mal.
    Brexit: "Ich finde das schon ziemlich dramatisch"
    Schulz: Sie waren im vergangenen Jahr in einem Land, das sich genauso im vergangenen Jahr bewusst gegen die EU entschieden hat. Jetzt, in Ihrem Umfeld einer britischen Uni, was haben Sie für Stimmungen, für Meinungen zum Thema Brexit wahrgenommen?
    Bülow: Also, an der Uni Cardiff und generell würde ich behaupten, an den Hochschulen, also, wo ich es jetzt mitbekomme oder Kontakte habe, ist oder war man eigentlich nie großartig in dem Leave-Lager, also pro Brexit, sondern an sich haben Hochschulen ja immer Interesse, sich international gut zu vernetzen und auch solche Programme wie zum Beispiel Erasmus, da mit von der Partie zu sein.
    Schulz: Also, Großbritannien nimmt fürs Erste zumindest weiter an Erasmus+ Teil. Was würden Sie sagen, wie groß ist der Verlust, wenn Großbritannien bald aussteigt aus Erasmus+?
    Bülow: Also, ich würde den Verlust schon sehr hoch einschätzen. Erstens eben, weil ich glaube, dass die britischen Unis auch vielleicht so eine besondere Geschichte haben, ihre Entstehung und Entwicklung, sodass das einfach schon eine gute Gelegenheit ist für viele Europäer, sich das mal anzugucken. Ich finde das schon ziemlich dramatisch, ehrlich gesagt.
    Schulz: Sagt Anthony Bülow. Er ist Studienberater an der Universität in Köln und er war eine Woche als Studienberater an der Cardiff Universität in Wales. Herr Bülow, vielen herzlichen Dank, dass Sie da waren!
    Bülow: Ja, sehr gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.