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Jobgipfel war eher ein Jobübel

Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka-Bank, ist von den Ergebnissen des Jobgipfels enttäuscht. Es sei weniger dabei heraus gekommen als erhofft. Man müsse eher von einem "Jobübel" sprechen. Immerhin stimme die Richtung der vereinbarten Schritte, und die der Schritte davor: Die Agenda 2010 bezeichnete Kater als "ein beachtliches Werk".

Moderation: Gerd Breker |
    Gerd Breker: Der Berg kreißte, die Inszenierung war gut vorbereitet, das Schauspiel hätte spektakulär werden können. Obwohl angeregt durch die Union, hatte Gerhard Schröder mit der vorgeschalteten Regierungserklärung des Bundeskanzlers Handlungsfähigkeit unter Beweis stellen wollen. Doch das Debakel von Kiel wurde mehr als nur zum Haar in der Suppe. Statt Konsens um der Sache willen wurde parteipolitischer Machtpoker wieder aktuell. Der Druck, einzulenken, ließ einfach auf allen Seiten nach. Die Chance, als Partei sich zu profilieren, zeichnete sich erneut ab. Am Telefon begrüße ich nun den Chefvolkswirt der Deka-Bank, Ulrich Kater. Herr Kater, aus Ihrer Sicht, ist die Bezeichnung Jobgipfel nicht von Anfang an etwas irreführend gewesen, denn schaut man sich die Ergebnisse an, dann haben doch Arbeitgeber und Unternehmen profitiert?

    Ulrich Kater: Ah, na ja, das hängt ja nun schon zusammen: Also wenn es den Unternehmen gut geht, dann geht es ja auch den Arbeitnehmern gut. Das ist ja schon die Überschrift, dass die Bedingungen, unter denen in Deutschland Unternehmen arbeiten, verbessert werden müssen - und das ist ja auch geschehen, wieder durch einige kleine Schrittchen voran. Angesichts der Erwartungen am Anfang, also vor dem Jobgipfel, würde ich sagen, ist also dieses Wort Jobgipfel dann doch allerdings nicht ganz berechtigt. Ich würde eher mal vom Jobübel sprechen, angesichts dessen, was dann doch raus gekommen ist. Das war doch etwas weniger, als wir das in einigen Punkten uns erhofft hatten.

    Breker: Also kein großer Wurf, sondern kleine Schritte. Stimmt denn wenigstens die Richtung dieser Schritte?

    Kater: Ja. Die Richtung dieser Schritte stimmt. Und es stimmt auch die Richtung vieler, vieler Schritte vorher: Die Agenda 2010 ist durchaus ein beachtliches Werk, angefangen - im größeren Zusammenhang - von den Steuersenkungen über die Reform bei der Rentenversicherung, Deregulierungen bereits im Handwerksbereich, beim Ladenschluss, das Ganze begleitet durch moderate Lohnabschlüsse in den letzten Jahren. Da ist also einiges passiert. Nur hat man in der Öffentlichkeit den Eindruck, dass das Ganze ein wenig planlos, ein wenig hintereinander, ein wenig mit kleinen Schritten vorangeht. Und das ist für eine solche wirtschaftspolitische Reform von der Darstellung her gefährlich, weil eigentlich ein Konzept her müsste, was einmal vorgestellt wird und dann mit einer Art Big Bang initiiert wird. Und dann kann man sogar über Dinge wie ein Konjunkturprogramm sprechen, was Drumherum noch geschieht. Aber diesen Weg haben wir nun einmal nicht eingeschlagen - angesichts der Größe der Aufgabe ist das vielleicht auch verständlich. Nur, für die Wirkung solcher Reformen, sind Signale wichtig. Und aus dem Klein-Klein, was wir da in der Regierungserklärung gehört haben und was wir jetzt an Vorschlägen hören - die alle richtig sind, alle in die richtige Richtung gehen -, kann sich aber niemand vorstellen, wie denn da der große Aufbruch kommt. Aber aus ökonomischer Sicht ist all das, was jetzt angedacht wird, vernünftig - wenn es denn auch umgesetzt wird. Wir haben gestern mehr oder weniger Ankündigungen gehört, aber wie das zum Schluss aussieht, das müssen wir auch natürlich noch wissen.

    Breker: Wünscht sich da Herr Kater, der Fachmann, eigentlich eine große Koalition in Berlin?

    Kater: Ach, das ist eine Frage des politischen Geschäfts. Man wünscht sich natürlich - und das ist schon auch eine Bedingung der politischen Arbeit - eine handlungsfähige Regierung, die natürlich über die Kammern verfügen muss und die Mehrheiten verfügen muss. Das kann meinetwegen auch gegenwärtig einmal in einer Phase der großen Koalition passieren. Wichtiger, glaube ich, ist es aber, dass wir es etwas stärker erleichtern bei uns in Deutschland, solche Mehrheiten auch herzustellen und den einzelnen Kammern, Bundestag und Bundesrat, genau getrennte Aufgaben zuzuweisen, damit diese Möglichkeiten der Blockade geringer werden. Das ist eine ganz wichtige Aufgabe. Das ist gestern ebenfalls angekündigt worden, man wird die Föderalismus-Debatte noch mal aufnehmen. Das sind aber wie gesagt Ankündigungen alles. Und nachdem, was aus der politischen Sphäre eben bisher immer angekündigt wurde, verlangt das Wahlvolk und auch die ökonomischen Beobachter, wir verlangen dann Taten. Und gucken ganz...

    Breker: Auf die müssen wir dann noch warten, auf die Taten. Kommen wir mal zu dem, was ganz konkret beschlossen wurde: Es wurde ja beschlossen, dass man die Körperschaftssteuer absenken will, wenn auch aufkommensneutral. Da fragt sich der Laie - und der bin ich dann da: Was soll es helfen, wie viele Arbeitsplätze soll das bringen?

    Kater: Ja, es ist etwas paradox, zu sagen: Wir machen Maßnahmen, senken hier was und erhöhen auf der anderen Seite aufkommensneutral etwas anderes und das Ganze soll dann Arbeitsplätze bringen. Das ist allerdings durchaus eine Logik, die kann funktionieren. Wir sind von den Möglichkeiten des Staatshaushalts begrenzt, wir müssen also Dinge, wenn wir sie ändern, gegenfinanzieren. Also die Strukturen von Einnahmen und Ausgaben verbessern. Es geht aber. Beispiel Körperschaftssteuer: Ausländische Investoren gucken nach allen Umfragen weniger auf die effektive Steuerlast, die in Deutschland in der Tat und auf einigen Sektoren gar nicht so hoch sein mag, sondern auf die nominalen Steuersätze, die im Gesetzestext stehen, die sind hoch. Und damit fallen Investitionsentscheidungen, zumindest im Steuerbereich dann, durchaus gegen Deutschland aus. Das wird sich durch eine Verringerung der Sätze verbessern. Und die Reaktion der ausländischen Presse beispielsweise auf das gestern Beschlossene deutet darauf hin. Da ist ein Signal gesetzt worden nach außen, ins Ausland hin, dass Deutschland attraktiver geworden ist. Das ist also ein Beispiel dafür, wie man durchaus durch Umstrukturierungen bei Einnahmen und Ausgaben etwas erreichen kann.

    Breker: Über Arbeitskosten, Herr Kater, wurde gestern gar nicht geredet. War das richtig?

    Kater: Ja, Arbeitskosten habe ich vermisst. Im Vorfeld des Gipfels wurde darüber diskutiert, die Lohnnebenkosten am Beispiel der Beiträge zur Arbeitslosenhilfe zu senken. Ein ganz wichtiger Punkt, der neben Lohnmoderierung und weiterer Flexibilität eben notwendig ist, um Deutschland kostenmäßig weiterhin noch wettbewerbsfähiger zu machen und zu halten in dem verstärkten internationalen Wettbewerb, dem wir uns nicht entziehen können. Das ist gestern ausgespart worden, ich habe das vermisst, und zwar sang- und klanglos ausgespart worden, nachdem vorher darüber diskutiert worden ist. Ich glaube, dass der Subventionsabbau, der eben die Gegenfinanzierung dargestellt hätte, eben nicht durchsetzbar war in den politischen Verhandlungen, und das ist ein schlechtes Zeichen.