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Jod
Vielseitiges Heilmittel

Desinfizierend, wachstumsfördernd, hormonregulierend: Jod ist ein wahrer Allrounder. Bereits vor tausenden Jahren wurden Algen - aus denen Jod gewonnen wird - zur Heilung eingesetzt. Besonders Schwangere und Menschen mit Schilddrüsenerkrankungen sind auf die Wirkung des Spurenelements angewiesen.

Von Justin Westhoff | 17.02.2015
    Klassischer Einsatz von Jod bei der Versorgung einer Wunde.
    Klassischer Einsatz von Jod bei der Versorgung einer Wunde. (imago/stock&people)
    An der Küste der Bretagne sind manchmal noch große, zu Scheiterhaufen aufgeschichtete Algen zu sehen, die dann verbrannt werden, um einen wertvollen Stoff zu gewinnen: Jod. Das Spurenelement wurde in der Eiszeit ins Meer gespült und kommt fast nur noch dort vor. Inzwischen wird es vor allem auch bei der Salpeter-Produktion gewonnen.
    Algen wurden schon vor mehreren tausend Jahren zur Wundbehandlung eingesetzt. Die heilende Wirkung von Jod wird im Prinzip bis heute genutzt, sagt die Dermatologin Professor Beate Tebbe:
    "Jod ist ein Desinfektionsmittel, gegen alle wichtigen Keime, die auf der Haut Entzündungen verursachen können, ist Jod wirksam."
    Berichten zufolge wurden bereits 1.500 vor unserer Zeitrechnung Menschen mit Kropf mittels Asche von Meeresschwämmen oder Seetang behandelt. Aber erst Ende des 19. Jahrhunderts konnten Wissenschaftler nachweisen, dass es wirklich Jod ist, das die Schilddrüse dringend braucht. Sie "bastelt" daraus ihr Hormon Thyroxin. Der Endokrinologe Professor Sven Diederich:
    "Für die Schilddrüse ist Jod als Spurenelement eine ganz essenzielle Voraussetzung. Wenn man ganz wenig Jod hat, dann arbeitet die Schilddrüse auch schlecht, die wächst dann auch mehr, und Schilddrüsenhormonmangel - also die Schilddrüse ist für alle Funktionen im Körper wichtig - macht dann eben Müdigkeit und alles Mögliche."
    Jod ist unverzichtbar für Wachstum, Knochenbildung und Entwicklung des Gehirns, besonders in der vorgeburtlichen Phase sowie bei Säuglingen und Kindern.
    "In der Schwangerschaft sind zwei Personen zu versorgen, und eine gute Jod-Versorgung ist ganz wichtig, weil dann die Schilddrüse natürlich auch heranwächst, für die neurologische Entwicklung des Kindes, normalerweise braucht man so über 100 Mikrogramm pro Tag, eine Schwangere braucht dann schon 250 Mikrogramm, und deshalb ist es wirklich sehr wichtig, dass in der Schwangerschaft auch Jod eingenommen wird."
    Deutschland ist natürlicherweise eine Jodmangelregion
    Jod in Tablettenform für Schwangere und stillende Mütter oder als Nahrungsergänzungsmittel etwa für Veganer sollte allerdings unter ärztlicher Kontrolle eingenommen werden, um ein Übermaß zu meiden.
    Grundsätzlich wird das lebenswichtige Spurenelement nicht vom Körper selbst produziert, sondern muss über die Nahrung zugeführt werden. Deutschland ist natürlicherweise eine Jodmangelregion - im Süden noch mehr als im Norden. Es kommt nicht im Boden, sondern hauptsächlich in Muscheln und Seefisch vor.
    "Fisch ist aber von der täglichen Nahrungszufuhr definitiv nicht ausreichend, und wir sind sehr froh, dass in Deutschland jetzt doch eine recht gute Jodversorgung erreicht ist, sodass Deutschland jetzt nach der Weltgesundheitsorganisation auch nicht mehr als Jod-Mangelgebiet zählt."
    Noch bis in die 1990er-Jahre litten 30 Prozent der Erwachsenen hierzulande an einer vergrößerten Schilddrüse durch Jodmangel, dem Kropf, erinnert Professor Sven Diederich, Vizepräsident der deutschen Gesellschaft für Endokrinologie:
    "Aus diesen Zeiten haben wir eben noch diese hunderttausend Schilddrüsen-Operationen im Jahr, und es ist nicht zu widerlegen, dass Schilddrüsen-Kropf und -Knoten, die zu einer ganz hohen volkswirtschaftlichen und auch gesundheitlichen Belastung führen, durch eine gute Jodierung zu reduzieren sind."
    Seit einer Verordnung von 1989 darf Salz mit Jod angereichert werden. Es findet sich so auch in Brot und Fertiggerichten und über jodiertes Futter zum Beispiel auch in Milchprodukten. Trotzdem wird durch das mit der Nahrung aufgenommene Jod eine schädliche Menge nicht erreicht: Die Dosis bleibt weit unter den festgelegten und kontrollierten Höchstmengen.
    "Da braucht sich kein deutscher Bürger Sorgen drum zu machen."
    Es gibt allerdings Ausnahmen. Zu einem sogenannten "Jodexzess" kann es kommen, wenn hoch dosiertes Jod in Kapseln oder Trinklösungen in der Radiojodtherapie gegen Schilddrüsengeschwülste eingesetzt wird. Jod wird gegebenenfalls auch in Röntgenkontrastmitteln benutzt: Seltene höhere Jodzufuhr ist jedoch unproblematisch, wenn die Nierenfunktion ansonsten in Ordnung ist.
    Zu viel Jod kann beispielsweise zur Basedow-Krankheit führen. Auch Menschen, die an einer chronischen Schilddrüsenentzündung, kurz "Hashimoto", leiden, sollten bei zusätzlichen Jodpräparaten eher zurückhaltend sein. Allerdings wird diese Autoimmunerkrankung nicht durch jodierte Lebensmittel in der täglichen Ernährung ausgelöst, betont der Schilddrüsenspezialist Professor Sven Diederich:
    "Das ist definitiv nicht belegt, dass die Jodierung die Hashimoto-Häufigkeit erhöht, und zweitens ist, wenn man Hashimoto hat, auch Jod eigentlich nicht schädlich. Und das ist dann sogar fatal, wenn man jetzt zum Beispiel in einer Familie lebt, die Kinder haben, kein Hashimoto, die Mutter hat es, wenn die Mutter dann sagt, ihr dürft alle kein Jod essen, dann würde man der Mutter sagen: Du treibst Deine Kinder in den Kropf. Also der Benefit einer guten Jodierung unserer Bevölkerung ist weit, weit, weit über den vermeintlichen Risiken, die aber auch nicht belegt sind."
    Seltene Nebenwirkungen
    Dennoch werden solche Gefahren von Patientengruppen immer wieder heraufbeschworen. Das Bundesinstitut für Risikoforschung verneint sie, und die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie erklärt wörtlich, solche "Fehlinformationen gefährden die Gesundheit".
    Ansonsten ist Jod als bräunliche Tinktur oder Salbe ein gutes Desinfektionsmittel, etwa bei Operationen. Die Berliner Hautspezialistin und Lehrbeauftragte, Professor Beate Tebbe:
    "In der Wundversorgung tritt aber der Einsatz von Jod nach und nach zurück, das hat damit zu tun, dass Jod auch gelegentlich Nebenwirkungen an der Haut machen kann, und dass wir eben Desinfektionsmittel zur Verfügung haben, wie zum Beispiel das Octenidin, das ein sehr gutes Wirkungsspektrum hat und keine Nebenwirkung im Einsatz hat im Vergleich zum Jod."
    Diese unerwünschten Effekte gibt es aber nur bei äußerlicher Anwendung. Für Hautirritationen durch Jodaufnahme aus der Nahrung gibt es keinerlei Beweise. Auch für den Organismus sind Jodtinktur oder -salbe nicht schädigend - mit einer Ausnahme:
    "Bei Säuglingen ist Jod relativ kontraindiziert, weil die Haut eines Kindes unter 12 Monaten eben sehr durchlässig ist für Substanzen jeglicher Art, beim Erwachsenen sicherlich nicht. Jod wurde ja jahrzehntelang als Desinfektionsmittel bei Operationen großflächig eingesetzt, dann müsste man viel mehr Patienten gesehen haben, die Nebenwirkungen entwickelt haben, der begrenzte Einsatz zum Beispiel auf einem Finger oder einer Hand über drei Wochen ist sicherlich vertretbar, da gelangt kein Jod in den Mengen in den Körper, dass negative Auswirkungen zu erwarten sind."
    Zwar ist verständlich, dass man die hässliche braune Farbe der Jodbehandlung möglichst schnell wieder loswerden möchte. Sie hat aber eigentlich den Vorteil, dass sie genau anzeigt, ob der Wundbereich vollständig desinfiziert ist. Deshalb sollte man auch nicht daran herummanipulieren, rät die Dermatologin:
    "Die Haut erneuert sich ja von unten und stößt letztlich das Jod, was in den obersten Hautschichten eingelagert ist, nach zwei, drei Wochen auch spontan wieder ab. Natürlich kann man versuchen, mit Alkohol zum Beispiel, Jod abzulösen, aber davon rate ich ab. Man macht nur die Hautbarriere kaputt, man schädigt die Haut. Also der Sache Zeit geben, und dann verschwinden die braunen Jodflecken von alleine."