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Johano Strasser: Die Dämonisierung der Links-Partei muss aufhören

Johano Strasser, Leiter des PEN-Zentrums Deutschland, einer Schriftstellervereinigung, ruft die SPD zu mehr Diskussion auf. Die "Basta"-Führung von Beck-Vorgänger Gerhard Schröder habe auch zum Abwandern von Wählern nach links geführt.

    Elke Durak: Was spielt sich ab derzeit in der SPD? - Guten Morgen, Johano Strasser!

    Johano Strasser: Guten Morgen!

    Durak: Was halten Sie denn von der derzeitigen intellektuellen Flughöhe dieser Auseinandersetzung?

    Strasser: Ja. Da sind die Auswirkungen zu spüren von dem, was vor einigen Jahren als "Basta-Politik" gemacht worden ist. Wenn man der Partei ohne Diskussion und Verweigerung der Kenntnisnahme anderer Meinungen eine Politik aufzwingt, dann kommen solche Dinge schließlich mit Verspätung an die Oberfläche. Was den Fall Clement angeht allerdings ist es richtig. Das hat eigentlich mit diesen inhaltlichen Auseinandersetzungen relativ wenig zu tun. Jemand der zur Wahl einer anderen Partei aufruft, wird in keiner Partei eigentlich geduldet. Und wenn ihm dann ein Kompromissvorschlag gemacht wird, den arrogant abzulehnen und zu behaupten, es ginge um seine Meinungsfreiheit, wo es nur um das illoyale Verhalten geht, das ist in der Tat unverständlich.

    Durak: Welche Dinge kommen an die Oberfläche?

    Strasser: Na ja. Wir haben ja in den Schröder-Jahren eine Agenda-Politik aufgezwungen bekommen ohne Diskussion. Nun ist an dieser Politik einiges richtig und vieles falsch, wie ich meine, aber auch einiges durchaus richtig. Man hätte das diskutieren können. Man kann nicht erwarten, dass eine Partei loyal hinter einer solchen Politik steht, wenn man nicht vorher mit den Mitgliedern dieser Partei ernsthaft über die Konturen dieser Politik diskutiert. Das war der große Fehler, der dazu geführt hat, dass viele die SPD verlassen haben in Richtung Linkspartei, und die SPD ist seitdem nicht wieder richtig zur Ruhe gekommen.

    Durak: Nun hat ja die SPD-Führung nicht nur aus Gerhard Schröder bestanden. Wer hat sich da sozusagen mitschuldig gemacht?

    Strasser: Daran sind eine ganze Reihe beteiligt, aber führend sicherlich Schröder, Schily und Clement, drei Persönlichkeiten ganz ähnlich strukturiert, hochfahrend und arrogant und nicht diskussionsbereit. Ich denke, dass das im Wesentlichen zu dieser Situation geführt hat.

    Durak: Schröders bester Mann im Hintergrund war Frank-Walter Steinmeier. Der ist nun Hoffnungsträger. Geht das?

    Strasser: Ja, natürlich. Der hat aber selbst diese Politik nicht in der Partei in dem Maße öffentlich vertreten. Die Politik selbst ist ja durchaus diskutabel. Es kommt darauf an, wie man Mehrheiten in der Partei für diese Politik versucht zu gewinnen. Mit Erpressung und Basta, das ist ein Scheinsieg, der dann sehr bald sich als Pyrrhus-Sieg herausstellt.

    Durak: Ist aber nicht das, was Herr Beck jetzt macht, auch so etwas wie ein indirektes Basta, indem er sagt, das ist Blödsinn, das ist Unfug, wir sollten uns nicht aufregen, also diese Beschwichtigungspolitik ein indirektes Basta, aufhören mit der Debatte?

    Strasser: Nein. Auf dem Hamburger Parteitag hat die SPD ja eine leichte Korrektur dieser Politik beschlossen. Wenn sich alle daran hielten, dann könnte man auf dieser Basis tatsächlich auch ganz gut weiter fahren. Wo Beck Recht hat ist, dass bei diesem Parteiausschlussverfahren es nicht um unterschiedliche Meinungen geht. Es geht ausschließlich darum, dass ein führendes Mitglied der SPD sich absolut illoyal gegenüber der eigenen Partei verhalten hat. Es ist ein unethisches und undemokratisches Verhalten, wenn Vertreter einer Partei im Wahlkampf zur Wahl einer anderen Partei aufrufen.

    Durak: Das ist eine ganz klare Sache. Wie steht es denn mit Wortbruch?

    Strasser: Das ist nun eine ganz andere Sache. Das hat mit der Clement-Diskussion nichts zu tun.

    Durak: Nein, aber ist auch ein Thema.

    Strasser: Ja, ja. Nun gut! Ich glaube auch, dass man das sehr ernst nehmen muss. Wenn man es sehr deutlich im Wahlkampf sagt, dass man mit der Linkspartei nie zusammengehen will, dann sollte man das auch hinterher nicht machen, auch wenn man dann die Kröte schlucken muss, dass der Wahlverlierer weiter regieren kann. Ich glaube, dass das nicht einfach so abzuschütteln ist.
    Aber andererseits bin ich auch der Meinung, dass diese verrückte Dämonisierung der Linkspartei endlich aufhören muss. Es hat ja gar keinen Sinn, so zu tun, als seien das Unberührbare. Die sitzen seit langem im Bundestag. Wir haben in einer ganzen Reihe von Landesparlamenten Koalitionen mit dieser Partei auch gehabt. Insofern wäre es natürlich kein Weltuntergang, wenn hier eine Koalition in Hessen zu Stande käme. Ich glaube, dass auch die Öffentlichkeit und auch die Medien endlich einmal aufhören sollten, so zu tun, als sei das nun eine Partei, die nichts anderes im Sinne hat als unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung umzustoßen.

    Durak: Einspruch euer Ehren! Es sind nicht nur die Medien.

    Strasser: Es sind nicht nur die Medien, nein, aber natürlich auch und die haben einen ganz wesentlichen Verstärker-Einfluss. Ich weiß das. Man darf in keinem Interview irgendetwas gegen die Medien sagen, aber wir sind eine Mediendemokratie.

    Durak: Doch, doch. Gerne doch. Wir sprechen ja hier live im Deutschlandfunk und Sie können das alles sagen.

    Strasser: Wir sind eine Mediendemokratie und die meisten Menschen erfahren von den Dingen, die in der Gesellschaft vor sich gehen, nur über die Medien. Das heißt die Interpretation, die Akzentsetzung der Medien ist entscheidend für das, was die Menschen für wahr und für richtig und für existent halten.

    Durak: Unter tatkräftiger Mithilfe zahlreicher Politiker und gerne auch, aber selten, der Intellektuellen hier in Deutschland. Danke also Herr Strasser. Aber trotzdem noch mal die Frage zu den Linken. Haben Sie eine klare Option jetzt geäußert dafür, mit den Linken in Hessen Frau Ypsilanti zur Ministerpräsidentin wählen zu lassen? Das wäre gegen die Linie Beck. Oder?

    Strasser: Ja, ja. Das ist nicht meine Haltung. Ich glaube, wenn man sich im Wahlkampf nun einmal so festgelegt hat, dann sollte man auch dabei bleiben.

    Durak: Und für künftig?

    Strasser: Für künftig bin ich der Meinung, dass man das offen halten sollte und wo immer man die Möglichkeit hat, mit der Linkspartei größere Teile des Programms durchzusetzen als mit anderen Parteien, sollte man selbstverständlich mit ihnen koalieren. Das parlamentarische System ist so integrationsfähig. Wir haben dasselbe doch mit den Grünen gemacht. Auch da wurde behauptet, mit den Grünen dürfe man auf keinen Fall. Das seien Revolutionäre und was weiß ich alles. Das parlamentarische System hat gezeigt, dass es die Grünen gezähmt hat. Sie sind eine voll integrierte Partei und dasselbe wird auch mit der Linkspartei passieren. Ich halte diese Aufgeregtheiten für völlig unangebracht.

    Durak: Was muss, abschließend gefragt, Herr Strasser, die SPD tun, um wieder zu alter Führungsstärke wachsen?

    Strasser: Offen miteinander diskutieren, bevor man Beschlüsse fasst, und sich dann an die Beschlüsse halten.

    Durak: Johano Strasser, Präsident des Deutschen PEN-Zentrums. Danke, Herr Strasser, für das interessante Gespräch.

    Strasser: Bitte sehr.