Samstag, 20. April 2024

Archiv

John Burnside: "I put a spell on you"
Glamourie ist gleich Magie

In seinem jüngsten Buch "I put a spell on you" wehrt sich der schottische Autor John Burnside gegen das Konzept der ewigen Liebe: "Wir sollten miteinander verhandeln dürfen", sagt er im Dlf. Er spricht auch über sein Leben und Schreiben, über Drogen, Rollenbilder und den Brexit.

John Burnside im Gespräch mit Tanya Lieske | 23.12.2019
Der schottische Schriftsteller John Burnside 2015 in Köln
John Burnside gilt als herausragende Stimmer der englischen Gegenwartsliteratur (dpa / picture alliance / Horst Galuschka)
Der schottische Autor John Burnside ist eine herausragende Stimme seines Landes und seiner Generation, und er ist ein Autor, dessen Werk sich einfachen Zuschreibungen entzieht. Zwischen Lyrik, Prosa und dem Essay bewegt sich jeder seiner Texte hin und her. Für sein jüngst erschienenes Buch hat der englische Verlag den Genrebegriff "Memoir" gewählt, das sich von der Autobiografie durch den essayistischen Zugang unterscheidet.
"I put a spell on you. Über Liebe und Magie" heißt dieses Buch. John Burnside erzählt von den Frauen, die er in seinem Leben geliebt hat, er denkt nach über das Wesen der Liebe an sich, und all das verbindet sich für ihn mit dem für sein Schaffen so zentralen Begriff der Magie: Magie im Sinne von Beschwörung und von Verzauberung. Sprache ist für John Burnside selbst ein magischer Akt, und um das zu begründen geht Burnside weit ins kulturelle Erbe seines Landes zurück, er findet Bezüge zum Film, zur Popmusik, zur Bildenden Kunst.
John Burnside wurde 1955 in einer Arbeiterfamilie in Schottland geboren. Er hat in früheren Büchern erzählt, welchen Einfluss ein trunksüchtiger und gewalttätiger Vater auf sein Leben hatte. Als Jugendlicher hat Burnside harte Drogen konsumiert, er hat als Tellerwäscher, in der Automobilindustrie und als Softwareentwickler gearbeitet, bevor er sich ganz dem Schreiben zuwandte. Im folgenden Gespräch legt John Burnside Wert darauf, dass dies keine isolierten Ereignisse sind, und dass das Schreiben kein Bruch mit seiner Biographie ist. Gibt es einen roten Faden in seinem Werk?
John Burnside: Schreiben kann die vielfältigsten Erfahrungen ansprechen. Bei mir ist das herausragende Thema das eines Bewusstseins für die Textur unseres Alltags. Meistens schaut man in Eile über so Vieles hinweg, verpasst so viele Details. Dafür interessiere ich mich schon lange, sei es mittels bewusstseinserweiternder Substanzen, die uns für Farbe und Licht empfänglich werden lassen, oder auch im Sinne einer Philosophie des Moments, des Alltäglichen. Genau das ist auch das Anliegen von Lyrik, sie zelebriert den Moment, eine Landschaft, eine Imagination. Also, das ist die Klammer meines Schreibens.
Tanya Lieske: Wenn Sie sich das anschauen, was Sie "The Fabric of life" oder auch das Fest der täglichen Dinge nennen, passiert es dann, dass sich dahinter ein Raum öffnet, gibt es für Sie eine Verbindung zwischen dem Alltäglichen und dem Magischen?
Burnside: Ja, ich möchte in einen engeren Kontakt mit der Welt um mich herum kommen. Emily Dickinson hat einmal gesagt, dass wir uns zur Welt verhalten sollten wie eine halb angelehnte Tür. Wir sollten uns den Erfahrungen um uns herum öffnen, nicht dem, was wir erwarten, sondern dem, wie es wirklich ist. Ich glaube es passiert uns im Leben oft, dass wir genau das erfahren, worüber wir schon nachgedacht haben, und darüber verpassen wir die eigentliche Erfahrung. Wenn es uns gelänge, unseren Erwartungen und unsere Sozialisierung hinter uns zu lassen, dann könnten wir wirklich sehen und empfinden, was geschieht.
Glamourie ist wie Elektrizität
Lieske: Ihr neues Buch, "Über Liebe und Magie - I put a spell on you", wie reiht es sich ein in dieses Bestreben?
Burnside: Im Zentrum stehen das Wort und die Idee der "Glamourie". Glamourie, das ist ein altes schottisches Wort, der englische Glamour ist davon abgeleitet. Es ist ein magisches Wort, weist in zwei Richtungen. To glamour something heißt: Eine Täuschung hervorrufen, etwas attraktiver scheinen lassen als es ist, eine Gefahr verschleiern. Das gibt es bei dem glamourösen Model, bei der Schauspielerin, sie ist aufgeputzt, zurechtgemacht, wunderschön präsentiert. Ihre Erscheinung ist nicht identisch mit dem Menschen dahinter, sie ist ein Akt der Oberfläche. In der schottischen Kultur bleibt man hier misstrauisch, man wittert eine Täuschung. Dann gibt es noch die zweite Bedeutung von glamouring: Etwas Verfremden, uns etwas ganz Alltägliches wieder fremd machen, so dass wir gezwungen sind, noch einmal ganz genau hinzuschauen und zu sagen,‘ oh, das ist mir bislang entgangen. Ich sehe das so zum ersten Mal‘.
Lieske: Sie spüren dem Wort Glamour nach und kommen zu dem älteren schottischen Wort Glamourie. Ich habe das so verstanden, dass Glamourie auch die Kehrseite, die dunkle Seite des Glamours zeigt.
Burnside: Nicht immer, nur manchmal. Glamourie ist wie Elektrizität, man kann sie einsetzen um Licht anzumachen oder um einen elektrischen Stuhl zu bauen. Es ist wie ein Naturphänomen, und man kann sich seiner bedienen, um die dunkle Seite der Welt zu erfahren, oder ihre versteckte Schönheit. Und manchmal sind diese beiden auch miteinander verbunden! Glamourie verbindet sich in dieser Tradition mit dem Magischen, es ist zum Beispiel mit dem Wort "Grammatik" und mit dem Wort "Grimoire" verwandt, mit einem Zauberbuch, einem Book of Spells. Auch deshalb trägt mein Buch den "Titel I put a spell on you". Der Spell, der Zauberspruch, hat ja zum Ziel, jemanden etwas glauben zu machen, ihn etwas sehen oder erfahren zu lassen, was normalerweise außerhalb seiner Reichweite liegt. Manchmal zum Guten, manchmal zum Schlechteren.
Lieske: Sie haben Ihr Buch so verfasst, dass sie Abschnitte ihres Lebens nachzeichnen, darüber nachdenken, und dazwischen gibt es Kapitel, die Sie "Abschweifungen" nennen, Digressions. In einer dieser Abschweifungen sprechen Sie über diese Wörter, "Glamourie" oder auch "Thrawn", das ist ein anderes Wort, das in diesem Sinne vorkommt. Wo haben Sie diese Wörter her und wo sind sie geblieben im täglichen Sprachgebrauch?

Burnside
: Auch "Thrawn" ist ein altes schottisches Wort, es kann im guten Sinne ein Mysterium benennen oder etwas was schwachsinnig ist, verrückt und verschroben. Es ist ein doppelgesichtiges Wort genau wie Glamourie. Also, mein Buch ist voller Abschweifungen, weil das meiner Persönlichkeit entspricht. Ich bin jemand, der das Umständliche und die Exkurse liebt. Das gefällt mir auch in der Literatur, zum Beispiel im Englischen Roman des 18. Jahrhunderts. Da geht es um die Abenteuer eines Helden, und auf einmal sagt der Autor: "Und jetzt eine Abschweifung!" Und dann redet er vier Seiten über Kuckucksuhren …
Mit Langsamkeit gegen die Soundbites
Wissen Sie, wir leben in dieser Welt der Soundbites und der simplen Codes, der Abkürzungen und der Tweets. Also ich twittere nicht, ich käme niemals mit dem Platz zurecht, ich liebe die Abschweifung und das Nachverhandeln, all die Wenns und Abers zu einem Argument, alle Gespräche, in denen es mehr als eine Antwort gibt. Wir laufen Gefahr, unser Verständnis für die Vielschichtigkeit und den Reichtum des Lebens zu verlieren, wenn wir nur eine einzige Antwort für alle Fragen zulassen, und die kann man dann am nächsten Baum anschlagen. Wir haben gerade einen Präsidenten der Vereinigten Staaten, der versucht, auf diese Weise Politik zu machen, und das ist wirklich gefährlich.
Lieske: Das ist auch ein Plädoyer für mehr Zeit, für mehr Langsamkeit.
Burnside: Ja, in der Tat, für eine Verlangsamung, für mehr Aufmerksamkeit, für eine Erfahrung von Zeit an sich, falls sich überhaupt sagen lässt, was das ist, die Zeit. Ich bin selbst so oft in Eile, alles im Leben drängt einen zur Geschwindigkeit, und eigentlich will ich anhalten und hinschauen. Das passendste Bild sind für mich die Touristen in den Museen, sie folgen einem Reiseleiter mit einem Fähnchen, und schon nach wenigen Sätzen sind sie beim nächsten Bild. So fühle ich mich auch, als wäre da jemand, der mich zu immer größerer Eile treibt.
Lieske: Worte sind wichtig, man merkt an diesem Buch, wie aufmerksam sie sie setzen. Ihr deutscher Verlag hat entschieden, die beiden Wörter "Liebe" und "Magie" mit in den Titel zu nehmen, sind Sie damit einverstanden, und was haben die beiden miteinander zu tun?
Burnside: In meinem Buch geht es einerseits um Magie und um die Transformationen, über die wir schon gesprochen haben. Andererseits geht es um die romantische Liebe. Meine Generation ist vor einem Soundtrack aus Popsongs und Filmen aufgewachsen, die verkünden, dass die romantische Liebe das Beste ist, was uns passieren kann. Das wollte ich in Frage stellen. In Wahrheit war es in meiner Jugend nämlich so, dass die Jungen eine Affäre wollten und die Mädchen wollten heiraten.
LSD als Sakrament
Beide Geschlechter waren so sozialisiert, mit einem Unterschied: Die Jungen hatten eine vage Ahnung davon, dass die Ehe eine Falle war, dass sie nach der Heirat in einer Industriestadt in Schottland feststecken würden, und dass es keinen Ausweg mehr geben würde. Es gab da diese Songs im Radio wie Everlasting love und ich habe mich damals schon gefragt: Warum Liebe für immer? Warum nicht die Liebe von heute oder die Liebe für ein Jahr? Warum nicht jemanden lieben, den man auf der Straße trifft, für zehn Minuten, oder in einem Café? Das ist genau so wertvoll. Ich finde, wir sollten miteinander verhandeln dürfen, was will ich und was willst du, und dann sollte man eine Vereinbarung treffen.
Lieske: Sie sprechen in Ihrem Buch auch über die Zeit, in der Sie als junger Mann, als Teenager begonnen haben, Drogen zu nehmen. Was hat die Erfahrung, auf einem Trip zu sein, LSD zu nehmen, denn mit dem Rausch der Liebe gemeinsam?
Burnside: Zuerst würde ich da gerne eine Unterscheidung vornehmen zwischen Drogen wie Alkohol und Amphetaminen und Kokain einerseits und LSD andererseits. Ich nehme heute kein LSD mehr, aber als ich es noch genommen habe, war es für mich so etwas wie ein Sakrament. Wenn man LSD oder Meskalin oder Pilze unter günstigen Bedingungen konsumiert, dann öffnen sie unseren Geist. LSD kann die Pforten unser Wahrnehmung öffnen*, und das habe ich erfahren. Die Welt schien völlig verändert, und zugleich sehr vertraut, so wie sie für Kinder ist. Ich habe erkannt, dass die Welt nicht aus dunkler Materie besteht, sondern aus Energien, die vibrieren und pulsieren. Also, alles, was man gemeinhin über LSD sagt, hört sich wie ein Klischee an. Ich habe damals erfahren, dass Bedeutungen wie ‚gut‘ oder ‚schlecht‘, wie ‚schön‘ oder ‚hässlich‘ in diesem Zustand überwunden sind. Das sind alles sind nur gesellschaftliche Zuschreibungen. Es ist schwer das alles zu erklären, in meinem Buch sage ich ja auch, dass man einen LSD-Trip kaum beschreiben kann.
Lieske: Diese Erfahrung, John Burnside, was hat die zu tun mit ihrem Entschluss, Künstler zu werden?
Burnside: Also, das ist eine interessante Frage. Was man hier nicht vergessen sollte, ist, dass dazwischen viel Zeit vergangen ist. LSD habe ich genommen, als ich ungefähr 16 Jahre alt war, und ernsthaft mit dem Schreiben habe ich in meinen späten Zwanzigern begonnen, zunächst habe ich Lyrik geschrieben. In der Zwischenzeit war ich sehr damit beschäftigt, nicht Teil des Systems zu werden, wie ich das damals nannte. Es waren ja die 1970er Jahre, und wie viele junge Leute haben wir gehofft, dass es eine Art von Revolution geben würde. Wir waren alle sehr naiv und haben die Mühe unterschätzt, die mit dieser Art von gesellschaftlicher Umwälzung einhergeht. Mich hat die Vehemenz, mit der unsere Ideen unterdrückt wurden, sehr erschreckt.
Lebensrettende Lyrik
Ich bin dann als Reaktion darauf ausgestiegen aus der Gesellschaft, das ist wohl die beste Bezeichnung. Ich habe in Restaurants Teller gewaschen und als Gärtner gearbeitet. Dann habe ich erkannt, dass ich das nicht bis zum Ende meiner Tage machen würde, und habe mich nach etwas Lukrativerem umgesehen – ich kam auf Computer, die galten in den 1980er Jahren noch als harmlos! Das habe ich gute zehn Jahre lang gemacht, und dann war ich plötzlich doch in einer kapitalistischen Umgebung, plötzlich habe ich für Finanzunternehmen gearbeitet. Das war der Augenblick an dem ich angefangen habe, Gedichte zu schreiben. Also, man kann sagen, ich habe mit meiner Lyrik auf alles geantwortet, auf meine Experimente mit LSD, auf meine Flucht aus der Gesellschaft und auch auf die Jahre, in denen ich im Anzug und mit einer Aktentasche ins Büro gegangen bin. Die Lyrik hat mich in gewisser Weise am Leben erhalten.
Lieske: Sie sprechen ihn Ihrem Buch immer wieder von dem System, und von den Opfern, die dieses System verlangt, entweder in Form einer Ehe oder in Form eines angepassten Berufes als Softwareentwicklers. Ein Gedanke, der mich in diesem Zusammenhang sehr interssiert hat, war ihre Abschweifung, ihre Digression, über die jungen getöteten Frauen, über Iphigenie, über Ophelia. Sie verbinden den Gedanken an diese Frauen mit dem Teil, den Männer in sich abtöten müssen, um in der Welt da draußen zu bestehen. Können Sie vielleicht unseren Hörern nochmal erklären, wie dieser Gedankengang verläuft?
Burnside: Ja, also ich habe eine Sendung im Fernsehen gesehen, da war diese Nonne, und sie stellte Kunstwerke vor. Sie zeigte dieses eine Bild von Elisabeth Vigée-Lebrun. Man sieht eine junge Frau, eine russische Comtesse. Und sie erklärte anhand dieses Bildes, dass es einen Stamm in Afrika gibt, der glaubt, dass in jedem Mann ein weiblicher Zwilling lebt und in jeder Frau ein männlicher Zwilling. Und die Nonne sagte, wenn man sich das Portrait der schönen Russin mit ihren prächtigen Kleidern genau anschaut, dann kann man in ihrem Gesicht einen Bauernjungen entdecken. Das ist ihr Zwilling.
Der geteilte Zwilling
Ich habe diesen Gedanken weiter gedacht: Wie ist es um jene Männer bestellt, die gezwungen sind, ihren weiblichen Zwilling aufzugeben, ihn sogar zu opfern? Wissen Sie, kleine Jungen können sehr zartfühlend sein, romantisch und sogar mädchenhaft in vieler Hinsicht. In meiner Kultur ist das nicht erwünscht, wir mussten richtige Männer werden, und richtige Männer regen sich nicht auf, sie sind groß und stark und verlässlich und dürfen keine Schwäche zeigen. Da, wo ich herkomme, war das sogar notwendig, denn Männer mussten in Stahlwerken und Fabriken und Minen arbeiten, und alles was weicher war, wurde den Frauen überlassen. Also, Männer mussten diese John Wayne-Typen sein, und das war ich auch.

Erst später ist mir aufgefallen, dass ich Teil einer Aufführung war, dass ich mir und anderen etwas vorspielte, dass ich einen Teil von mir selbst geopfert hatte. Dann kam die Theorie dazu: Wie viele Mythen und Geschichten und Lieder handeln von den Jünglingen, die etwas verloren haben, ihr zweites Ich. Es weiblich zu nennen trifft die Sache nicht ganz, es geht eher um eine Yin und Yang Sache, so eine Art von Ergänzung. Und wäre es nicht wunderbar, wenn alle Männer eines Morgens aufwachen würden, und sie hätten alles vergessen, müssten nicht den starken Mann spielen und Donald Trump plötzlich nicht mehr sagen würde: ‚Ich mache euch alle platt‘, sondern ‚okay, lasst uns darüber nochmal reden.‘ Ich glaube, den meisten Männern würde das sehr gefallen.
Lieske: John Burnside über einen wichtigen Aspekt seines Buches "I put a spell on you. Über Liebe und Magie." Da wir schon bei der Politik sind, John Burnside, ich habe hier einen schottischen Autor vor mir, der sich im Sommer sehr ausführlich in einer großen deutschen Tageszeitung über den Brexit geäußert hat, der sehr scharf abrechnet mit den Eliten seines Landes. Was sind ihre Vorwürfe an die politische Klasse in Großbritannien?
Burnside: Also, da gab es sehr viel zu lernen für mich. Vor fast zwei Jahren hat eine Zeitung angefragt und ich habe die Sache auf die leichte Schulter genommen und gesagt, liebe Freunde in Europa, bitte macht euch keinerlei Sorgen. Wir Briten sind manchmal etwas albern, aber don‘t worry , wir sind nicht dumm.
Ich habe den Brexit anfangs wirklich für einen Scherz gehalten. Genau wie mit der Kandidatur von Donald Trump, ich hatte seine Wahl nicht für möglich gehalten. Boris Johnson und Cameron und all diese Leute, die den Brexit betreiben, sie sind alle in Eton zur Schule gegangen. Sie glauben ganz fest an die Überlegenheit unserer britischen Kultur. Denen sind die kleinen Leute völlig egal. Und diese ganze Vorstellung von britischer Souveränität ist vollkommen lächerlich. Welche Souveränität ist denn gemeint?
Der Brexit, kein Scherz
Unser Land wird von einer kleinen Gruppe regiert, den Reichen und denen, die Land besitzen. Und wenn man sie fragt, worum geht es denn, dann sagen sie meistens: Um weniger Regulierung, um weniger Vorschriften. Darum geht es im Grunde, wenn man über den Brexit spricht.
Hinzu kommt, dass Großbritannien nie verstanden hat, worum es ein Europa eigentlich geht, die Europäische Idee ist ihnen vollkommen fremd. Großbritannien hat in den letzten Kriegen gekämpft, aber das eigene Territorium ist nie besetzt worden. Ich wünschte fast, das wäre passiert, denn das ist für mich der Kern des europäischen Gedankens. Natürlich hat Europa seine Mängel, Lobbyisten in Brüssel, fragen Sie mich dazu lieber nichts. Aber der eigentliche Kern, die Philosophie von Europa, ist doch folgendes: Wenn wir zusammen arbeiten, sinkt die Wahrscheinlichkeit eines Krieges. Also, der Brexit ist tragisch, und die andere Tragödie ist die, dass es so aussieht, als würde Boris Johnson den Brexit-Deal zustande kriegen, und darüber werden sich sehr viele Briten maßlos aufregen.
*Anspielung auf Aldous Huxleys Buch "Doors of Perception", Huxley hatte mit ähnlichen Ergebnissen mit Meskalin experimentiert.
John Burnside: "Über Liebe und Magie – I Put a Spell on You"
aus dem Englischen von Bernhard Robben
Penguin Verlag, München. 288 Seiten, 20, Euro.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.