Voggenhuber: Guten Tag!
Spengler: Herr Voggenhuber, was erwarten Sie von Ihrem deutschen Parteifreund Joschka Fischer, der da heute erstmals auftaucht?
Voggenhuber: Erstens freue ich mich über seine Entscheidung. Wenn ich mich recht erinnere hieß sein Wahlplakat: "Außen Minister, innen grün". Ich denke, er kommt in erster Linie als deutscher Außenminister, und ich hoffe, dass er sich im Laufe der Arbeit auch innen grün zeigt.
Spengler: Hoffen Sie tatsächlich, dass er ein Gegengewicht zu Giscard D'Estaing bildet, dem ja viele vorwerfen, dass er zu viel auf die Regierungen und zu wenig auf die Parlamente zu hören?
Voggenhuber: Giscard D'Estaing liebäugelt stark mit französischen Vorschlägen und mit der Haltung im Rat. Das schleust auch immer wieder diese Ideen in den Konvent ein, was ja auch für entsprechenden Unmut sorgt. Ich könnte mir vorstellen, dass Joschka Fischer hier eine gewisse Vermittlungsposition einnimmt, weil sich ja auch die Stellung des Konvents und die Haltung des Rates zu verhärten beginnen und wir auf einen Konflikt zusteuern. Ich hoffe, dass er diese Chance wahrnimmt, hier auch Vermittler zu sein.
Spengler: Wir, das heißt die Journalisten und die Hörer des Deutschlandfunks, wir können den Konvent ja nun nicht die ganzen Monate ganz dezidiert verfolgen, anders als Sie. Wo steht er denn im Augenblick?
Voggenhuber: Eigentlich an einer sehr interessanten Stelle. Es hat sich gezeigt, dass sie eine Verfassungslogik, eine sehr offene Haltung durchzusetzen beginnt, eine parlamentarische Dynamik. Wenn man pathetisch sein will, könnte man auch von einer historischen Atmosphäre sprechen, die den Konvent erfasst hat. Die einzelnen Delegationen der Staats- und Regierungschefs, der Parlamente, der Kommission haben ihre eingegrabenen Machtpositionen verlassen und beginnen einen sehr intensiven Dialog miteinander. Es zeichnen sich Konsense ab, die eigentlich - vielleicht manchmal für die Öffentlichkeit unverständlich - schon eine Revolution andeuten.
Spengler: Machen Sie ruhig mal ein Beispiel!
Voggenhuber: Die Charta der Grundrechte. In Nizza wurde die Rechtsverbindlichkeit und Aufnahme in den Vertrag verweigert. Sie steht eigentlich außer Streit. Die Verankerung in der Verfassung, wahrscheinlich sogar mit Zugang aller Menschen zum Europäischen Gerichtshof. Die Zusammenfassung der ganzen unübersichtlichen Bereiche der Union mit Säulen und Regierungszusammenarbeit und erster Säule und Gemeinschaft und verschiedenen Gemeinschaften in eine Union mit einem Vertrag, ja mit einer Institutionenordnung, wahrscheinlich sogar mit einem Entscheidungsverfahren, vielleicht mit Ausnahme der Außenpolitik. Die Frage einer radikalen Vereinfachung der Verträge, einer Zweiteilung der Verträge mit einem Verfassungsteil, der nur einstimmig abgeändert werden kann, und einem einfachen gesetzlichen Teil, der mit qualifizierten Mehrheiten verändert werden kann. Die Frage der Stärkung der Außenpolitik. Das alles sind weitgehende Konsense, von denen man im Augenblick schon ausgehen kann.
Spengler: Das ist also nicht nur eine Wunschliste von Ihnen, Herr Voggenhuber.
Voggenhuber: Nein, das ist keine Wunschliste. Wenn Sie sich die Arbeitskreisergebnisse ansehen mit Bruchlinien und auch mit der Möglichkeit des Kippens jederzeit, scheint hier eine sehr starke konstitutionelle Bewegung im Konvent um sich zu greifen. Natürlich gibt es auch einen Widerstand, zum Beispiel gegen die Idee des Rates einer EU-Präsidentschaft aus seinen eigenen Reihen, der über allen Institutionen trohnt, auch von Giscard D'Estaing immer wieder im Konvent lanciert. Oder diese absurde Vorstellung eines europäischen Kongresses aus hunderten und aberhunderten von Abgeordneten, die ein wenig an den chinesischen Volkskongress erinnert. Das sind so Vorstellungen, die von Ratsseite stark eingebracht werden, die aber hier auf großen Widerstand stoßen.
Spengler: Um noch einmal auf den EU-Präsidenten zu sprechen zu kommen: Der soll sozusagen neben einem EU-Kommissionspräsidenten, der dann vom Parlament gewählt würde, stehen?
Voggenhuber: Wenn es nach den Vorstellungen der Nationalstaaten und der staatlichen Regierungen geht, die ja - Demokratie hin oder her, Verfassung hin oder her - auf ihrer absoluten Vorherrschaft in Europa beharren wie es aussieht und das größte Hindernis einer umfassenden europäischen Demokratisierung derzeit darstellen, auch unterstützt zum Teil vom Präsidenten des Konvents. Das ist eigentlich nicht vorstellbar. Wir sind ja nicht in prädemokratischen Zeiten, wo Reichsfürsten aus ihrer Mitte den Kaiser wählen. Und so müsste man sich das ja vorstellen, dass die Staats- und Regierungschefs auf einem Gipfel aus ihren Reihen am ehesten einen emeritierten Staats- und Regierungschef für fünf Jahre als EU-Präsident wählen, der niemandem verantwortlich ist. Das kann sich hier die Mehrheit des Konvents nicht vorstellen.
Spengler: Und dennoch müssen am Ende die Staats- und Regierungschefs nicken.
Voggenhuber: Aber das ist das Entscheidende: Die Truppen der Staats- und Regierungschefs sind klar. Sie haben die Herrschaft über die Verträge, die Parlamente zum ratifizieren, sie sind sehr mächtig. Die einzigen Truppen, die der Konvent haben wird, ist die Öffentlichkeit, sind die Bürgerinnen und Bürger, wenn es denn gelingt, einen großen begeisterungsfähigen Entwurf, eine Vision der europäischen Integration zu entwickeln. Da bin ich nicht so skeptisch. Ein großer Konflikt wird noch ausgetragen werden, das ist der Kampf um das soziale Europa. Daran könnte auch noch der Konvent zerbrechen. Da sammelt sich aller Widerstand gegen die Verankerung von sozialen Rechten und sozialen Kompetenzen in der Union.
Spengler: Es bleibt also spannend. Ich bedanke mich! Das war Johannes Voggenhuber für die Grünen Mitglied im EU-Konvent und im Europaparlament.
Spengler: Herr Voggenhuber, was erwarten Sie von Ihrem deutschen Parteifreund Joschka Fischer, der da heute erstmals auftaucht?
Voggenhuber: Erstens freue ich mich über seine Entscheidung. Wenn ich mich recht erinnere hieß sein Wahlplakat: "Außen Minister, innen grün". Ich denke, er kommt in erster Linie als deutscher Außenminister, und ich hoffe, dass er sich im Laufe der Arbeit auch innen grün zeigt.
Spengler: Hoffen Sie tatsächlich, dass er ein Gegengewicht zu Giscard D'Estaing bildet, dem ja viele vorwerfen, dass er zu viel auf die Regierungen und zu wenig auf die Parlamente zu hören?
Voggenhuber: Giscard D'Estaing liebäugelt stark mit französischen Vorschlägen und mit der Haltung im Rat. Das schleust auch immer wieder diese Ideen in den Konvent ein, was ja auch für entsprechenden Unmut sorgt. Ich könnte mir vorstellen, dass Joschka Fischer hier eine gewisse Vermittlungsposition einnimmt, weil sich ja auch die Stellung des Konvents und die Haltung des Rates zu verhärten beginnen und wir auf einen Konflikt zusteuern. Ich hoffe, dass er diese Chance wahrnimmt, hier auch Vermittler zu sein.
Spengler: Wir, das heißt die Journalisten und die Hörer des Deutschlandfunks, wir können den Konvent ja nun nicht die ganzen Monate ganz dezidiert verfolgen, anders als Sie. Wo steht er denn im Augenblick?
Voggenhuber: Eigentlich an einer sehr interessanten Stelle. Es hat sich gezeigt, dass sie eine Verfassungslogik, eine sehr offene Haltung durchzusetzen beginnt, eine parlamentarische Dynamik. Wenn man pathetisch sein will, könnte man auch von einer historischen Atmosphäre sprechen, die den Konvent erfasst hat. Die einzelnen Delegationen der Staats- und Regierungschefs, der Parlamente, der Kommission haben ihre eingegrabenen Machtpositionen verlassen und beginnen einen sehr intensiven Dialog miteinander. Es zeichnen sich Konsense ab, die eigentlich - vielleicht manchmal für die Öffentlichkeit unverständlich - schon eine Revolution andeuten.
Spengler: Machen Sie ruhig mal ein Beispiel!
Voggenhuber: Die Charta der Grundrechte. In Nizza wurde die Rechtsverbindlichkeit und Aufnahme in den Vertrag verweigert. Sie steht eigentlich außer Streit. Die Verankerung in der Verfassung, wahrscheinlich sogar mit Zugang aller Menschen zum Europäischen Gerichtshof. Die Zusammenfassung der ganzen unübersichtlichen Bereiche der Union mit Säulen und Regierungszusammenarbeit und erster Säule und Gemeinschaft und verschiedenen Gemeinschaften in eine Union mit einem Vertrag, ja mit einer Institutionenordnung, wahrscheinlich sogar mit einem Entscheidungsverfahren, vielleicht mit Ausnahme der Außenpolitik. Die Frage einer radikalen Vereinfachung der Verträge, einer Zweiteilung der Verträge mit einem Verfassungsteil, der nur einstimmig abgeändert werden kann, und einem einfachen gesetzlichen Teil, der mit qualifizierten Mehrheiten verändert werden kann. Die Frage der Stärkung der Außenpolitik. Das alles sind weitgehende Konsense, von denen man im Augenblick schon ausgehen kann.
Spengler: Das ist also nicht nur eine Wunschliste von Ihnen, Herr Voggenhuber.
Voggenhuber: Nein, das ist keine Wunschliste. Wenn Sie sich die Arbeitskreisergebnisse ansehen mit Bruchlinien und auch mit der Möglichkeit des Kippens jederzeit, scheint hier eine sehr starke konstitutionelle Bewegung im Konvent um sich zu greifen. Natürlich gibt es auch einen Widerstand, zum Beispiel gegen die Idee des Rates einer EU-Präsidentschaft aus seinen eigenen Reihen, der über allen Institutionen trohnt, auch von Giscard D'Estaing immer wieder im Konvent lanciert. Oder diese absurde Vorstellung eines europäischen Kongresses aus hunderten und aberhunderten von Abgeordneten, die ein wenig an den chinesischen Volkskongress erinnert. Das sind so Vorstellungen, die von Ratsseite stark eingebracht werden, die aber hier auf großen Widerstand stoßen.
Spengler: Um noch einmal auf den EU-Präsidenten zu sprechen zu kommen: Der soll sozusagen neben einem EU-Kommissionspräsidenten, der dann vom Parlament gewählt würde, stehen?
Voggenhuber: Wenn es nach den Vorstellungen der Nationalstaaten und der staatlichen Regierungen geht, die ja - Demokratie hin oder her, Verfassung hin oder her - auf ihrer absoluten Vorherrschaft in Europa beharren wie es aussieht und das größte Hindernis einer umfassenden europäischen Demokratisierung derzeit darstellen, auch unterstützt zum Teil vom Präsidenten des Konvents. Das ist eigentlich nicht vorstellbar. Wir sind ja nicht in prädemokratischen Zeiten, wo Reichsfürsten aus ihrer Mitte den Kaiser wählen. Und so müsste man sich das ja vorstellen, dass die Staats- und Regierungschefs auf einem Gipfel aus ihren Reihen am ehesten einen emeritierten Staats- und Regierungschef für fünf Jahre als EU-Präsident wählen, der niemandem verantwortlich ist. Das kann sich hier die Mehrheit des Konvents nicht vorstellen.
Spengler: Und dennoch müssen am Ende die Staats- und Regierungschefs nicken.
Voggenhuber: Aber das ist das Entscheidende: Die Truppen der Staats- und Regierungschefs sind klar. Sie haben die Herrschaft über die Verträge, die Parlamente zum ratifizieren, sie sind sehr mächtig. Die einzigen Truppen, die der Konvent haben wird, ist die Öffentlichkeit, sind die Bürgerinnen und Bürger, wenn es denn gelingt, einen großen begeisterungsfähigen Entwurf, eine Vision der europäischen Integration zu entwickeln. Da bin ich nicht so skeptisch. Ein großer Konflikt wird noch ausgetragen werden, das ist der Kampf um das soziale Europa. Daran könnte auch noch der Konvent zerbrechen. Da sammelt sich aller Widerstand gegen die Verankerung von sozialen Rechten und sozialen Kompetenzen in der Union.
Spengler: Es bleibt also spannend. Ich bedanke mich! Das war Johannes Voggenhuber für die Grünen Mitglied im EU-Konvent und im Europaparlament.