Freitag, 19. April 2024

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Journalismus in der Corona-Krise
Berechtigte Dauerberichterstattung

Kritische Distanz gehört zu den wichtigsten Tugenden im Journalismus. Doch in der Corona-Krise versammeln sich viele Medien hinter den Appellen von Politikern und beteiligen sich an Aufrufen. In diesem konkreten Fall halte er das für angemessen, sagte der Medienethiker Christian Schicha im Dlf.

Christian Schicha im Gespräch mit Sebastian Wellendorf | 19.03.2020
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder stehen bei einer Pressekonferenz nebeneinander.
Dauerthema auch im Fernsehen: Die Corona-Krise (imago/ FrankHörmann/Sven Simon)
In Deutschland wird seit vielen Tagen über Ausgangssperren oder andere Einschränkungen in unserem Alltag, vor allem in der Bewegungsfreiheit, diskutiert. Soziale Kontakte sollen auf ein Minimum reduziert werden. In den Medien werden die Maßnahmen der Politik meist wohlwollend begleitet, viele Prominente beteiligen sich an Appellen unter dem Motto "#WirBleibenZuhause".
Der Medienethiker Christian Schicha sagte mit Blick auf journalistische Inhalte, es sei problematisch, wenn Journalismus eine Art Erziehungsanstalt sei. Allerdings müsse man differenzieren: "Wenn jetzt plötzlich ein Tagesschau-Sprecher Appelle an die Nation richten würde, wäre ich in der Tat irritiert." In anderen Formaten, wie dem "heute journal" seien kommentierende Elemente üblich.
"Relevantes Thema ausführlich darstellen"
"Ich denke, dass alle, die die Möglichkeit haben, in der Öffentlichkeit Verantwortung zu tragen, sich auch entsprechend artikulieren. Es wäre ein Widerspruch in sich, wenn man davon ausgeht, dass Journalisten Nachrichtenmaschinen sind", so Schicha im Deutschlandfunk.
Es gibt von Zeitungen, Fernsehsendern, aber auch von zahlreichen Künstlern Aufrufe sich an die Regeln zu halten.
Die Corona-Krise dominiert inzwischen die Berichterstattung, sowohl in Zeitungen und im Hörfunk als auch im Fernsehen. "Wir haben eine Dauerberichterstattung über Corona", konstatierte Schicha: "Im Grunde genommen sind das jetzt Sondersendungen, die nonstop laufen, insbesondere um die Primetime herum, was dann dazu führt, dass das reguläre Programm sich dann nach hinten verschiebt. Aber genau das ist ja eigentlich auch der Anspruch, den man an eine Berichterstattung haben sollte - gerade von den öffentlich-rechtlichen Anbietern: dass die eben informieren, dass die einordnen und dass die ein derart relevantes Thema auch ausführlich darstellen in ganz unterschiedlichen Formaten."
Unterschiedliche Sichtweisen in den Medien
Die Kritik, dass es eine zu unkritische Berichterstattung in den Medien gibt, teilt Christian Schicha nur zum Teil: "Wir sollten alles vermeiden und verhindern, was irgendwie in den Bereich Staatsfernsehen geht. Damit hat man historisch sicherlich extrem schlechte Erfahrungen gemacht. Aber man muss natürlich immer den Kontext sehen: Würden jetzt die Medien ausschließlich den Politikern oder gar den Regierungsparteien die Bühne bieten, um da Eigenwerbung zu machen, dann wäre das hochgradig problematisch. Ich habe aber den Eindruck, dass neben den Politikern und Politikerinnen insgesamt eine ganze Reihe von Fachleuten - Virologen, Ärzten und andere Experten - sich auch ausführlich äußern."