Dienstag, 19. März 2024

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Journalismus in der Schweiz
"Natürlich muss Journalismus einordnende Funktion haben"

Im Interview mit der NZZ hat die neue SRF-Direktorin Nathalie Wappler über ihre Pläne für das Medienhaus gesprochen - u.a. sollen die Sender auf "Meinungsjournalismus" verzichten. Darüber zeigte sich der Züricher Kommunikationswissenschaftler Otfried Jarren im Gespräch mit dem Dlf irritiert.

Otfried Jarren im Gespräch mit Michael Borgers | 13.11.2018
    Das Studio Basel der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft
    Das SRF bekommt ab April 2019 mit Nathalie Wappler eine neue Chefin (Deutschlandradio/ Nathalie Nad Abonji )
    "Wenn wir in einem Beitrag einen Politiker zu Wort kommen lassen und wenn der Journalist dann den Eindruck erweckt, er wisse es besser, provoziert das einen Vertrauensverlust" - diese Aussage der neuen SRF-Direktorin Nathalie Wappler im Interview mit der NZZ am Sonntag stößt bei Otfried Jarren auf Unverständnis. "Es ist die Aufgabe des Journalisten, dass er die Fakten prüft und selbstverständlich auch einordnet", so der Züricher Kommuniktionswissenschaftler im Dlf.
    "Politikerinnen und Politiker wollen Politik machen, und die Journalistinnen und Journalisten sind Beobachter. Sie analysieren, sie bewerten, sie wählen aus - das ist ihr Job. Und sie sollen auch das, was Politikerinnen und Politiker machen, als Watchdog begleiten, also kritisch sein. Sie sollen ständig kritisch sein. Das ist ihr Auftrag, das ist ihre Aufgabe - deshalb wollen wir den Journalismus. Sie sind keine Sprachrohre, die die Verlängerung der Politikerinnen und Politiker sind."
    "Glaube nicht, dass Journalismus einseitig ist"
    Nathalie Wappler hatte zudem angekündigt, beim SRF ein Programm machen zu wollen, das informiert, aber nicht polarisiert, und keinen "Meinungsjournalismus" machen zu wollen. Otfried Jarren sieht in dieser Hinsicht kein journalistisches Dilemma in der Schweiz und glaubt nicht, dass der Journalismus einseitig sei.
    "Der Journalismus hat auch prononcierte Auswahl- und Kommentarfunktion. Es ist an uns, den aufgeklärten Bürgerinnen und Bürgern, mit diesen Sachen umzugehen, diese wiederum zu kritisieren, vielleicht einen anderen Sender zu wählen, eine andere Zeitung zu lesen - das ist die Aufgabe auch der Bürgerinnen und Bürger. Das ist ja keine einseitig gerichtete Kommunikation, wo einer absendet und alle müssen das Gleiche rezipieren. Nein, wir können wählen und auswählen."
    Für den Kommunikationswissenschaftler kommt es darauf an, Unterschiedlichkeit zu ermöglichen - das sei Aufgabe der Politik, der Regulierung, um sicherzustellen, das verschiedene Positionen vorkommen können. Diese Positionen müssten gleichermaßen Zugang zur Öffentlichkeit finden und in der Öffentlichkeit verstanden und verarbeitet werden können. Das sei die Aufgabe, "und die Journalistinnen und Journalisten darin möglichst autonom handeln zu lassen, das muss das Bestreben aller sein, die an einer offenen Gesellschaft, Streit, Diskussion, Diskurs und ähnlichem Interesse haben. Und das scheint mir wichtiger denn je", so Jarren.