Am Sonntag wurde der Videojournalist Brent Renaud in der Nähe von Kiew erschossen. Der Fotograf und Filmemacher Juan Arredondo wurde verletzt. In einem Video aus einem Krankenhaus in Kiew berichtet er, dass Renaud, ein Fahrer und er auf einen Kontrollpunkt in der Ortschaft Irpin zufuhren als auf sie geschossen wurde. In einer Erklärung der Kiewer Regionalpolizei heißt es, russische Truppen hätten das Feuer auf das Auto eröffnet. Renaud und Arredondo waren in Irpin unterwegs, um über Geflüchtete zu berichten.
Der stellvertretende "Bild"-Chefredakteur Paul Ronzheimer war zum Zeitpunkt des Beschusses auf die Journalisten ebenfalls in Irpin - nur wenige Kilometer von dem Ort entfernt, an dem Renaud getötet wurde. "Ich kann nicht sagen, wer geschossen hat. Den ersten Sichtkontakt hatte ich erst, ab dem Moment als der schwerverletzte Kollege auf der Trage über die Brücke evakuiert wurde", so Ronzheimer, der die Evakuierung des verletzten Arredondos gefilmt hat. Etwa eine Stunde später habe er auch die Leiche von Brent Renaud gesehen.
Die Lage in Irpin sei sehr unübersichtlich, erklärt Ronzheimer: "In dem gesamten Teil tobt der Krieg. Da kann es jederzeit zu Kampfhandlungen kommen."
Zwei Journalisten getötet, mehrere verletzt
Renaud ist der zweite Journalist, der im Krieg in der Ukraine ums Leben gekommen ist. Der ukrainische Kameramann Ewgeni Sakun wurde bei einem russischen Angriff auf einen TV- und Radiosender in Kiew getötet. Weitere Journalisten in der Ukraine wurden verletzt.
Ob der Beschuss ein gezielter Angriff auf die beiden US-amerikanischen Reporter war, weiß Ronzheimer nicht. Wahrscheinlich sei das Auto nicht als Pressefahrzeug gekennzeichnet gewesen. Arredondo habe erzählt, dass ein Zivilist die Journalisten in die Stadt mitgenommen habe. "Deswegen gehe ich davon aus, dass das Auto nicht wie üblich mit einem großem Presseschild ausgestattet war", so der "Bild"-Korrespondent.
Autos von Pressevertretern in der Ukraine seien entweder mit "TV" oder "Press" gekennzeichnet. Er ist sich unsicher, ob eine Kennzeichnung den Beschuss auf Renaud und Arredondo aufgehalten hätte. "Wenn es stimmt, dass es russische Soldaten waren - was ich selbst nicht sagen kann, aber das sind die Vorwürfe - dann ist es ja das Ziel von Putin und der russischen Armee hier für Panik zu sorgen. Nicht nur bei Zivilisten, sondern auch bei internationalen Berichterstattern. Von daher glaube ich, nimmt man es billigend in Kauf, dass hier auch Reporter sterben."
Ronzheimer: "Wenn wir nicht mehr hier sind, wer dokumentiert dann objektiv?"
Paul Ronzheimer sagte im Deutschlandfunk, er habe selbst bisher noch keine Behinderung seiner Berichterstattung erlebt. "Wir können uns insbesondere in Kiew relativ frei bewegen, dadurch, dass wir eine Akkreditierung haben." Irpin sei seit dem Beschuss auf die Journalisten allerdings für die Presse gesperrt.
Durch die Anwesenheit anderer internationaler Medien fühlt sich Ronzheimer in Kiew sicherer. "Man wägt natürlich das eigene persönliche Risiko, aber auch das des gesamten Teams ab." Auch, ob die Infrastruktur für die Berichterstattung funktioniert, spielt für ihn eine Rolle. In Irpin waren beispielsweise keine Live-Schalten möglich, weil es kein Handynetz mehr gebe.
Es geht Ronzheimer aber auch um die Dokumentation des Krieges: "Wenn wir nicht mehr hier sind, wer ist dann noch hier? Und wer dokumentiert objektiv das, was passiert?"
Der Journalist Brent Renaud war im Auftrag von TIME Studios in der Ukraine und arbeitete laut TIME an einem Projekt, das sich auf die globale Flüchtlingskrise konzentriert. Der 50-Jährige war in der Vergangenheit für Video- und Filmprojekte unter anderem in Afghanistan und Irak. Zudem berichtete er über die Folgen des Erdbebens in Haiti, die Gewalt der Drogenkartelle in Mexiko und über die Lage junger Geflüchteter in Zentralamerika. Mit seinem Bruder Craig produzierte Brent Renaud Filme für Sender wie HBO und Vice News und arbeitete unter anderem für die New York Times.