Archiv


Journalist Holzschuh plädiert für schärferes Vorgehen bei Wettbetrug

"Kicker"-Chefredakteur Rainer Holzschuh hat Unverständnis über den zu erwartenden Freispruch für Ex-Schiedsrichter Robert Hoyzer geäußert. "Mir sträuben sich in der Tat die Nackenhaare, wenn ich höre, dass jemand bewusst täuschen will, und bewusst ja auch getäuscht hat, und dann frei davon kommt", sagt Holzschuh.

Moderation: Jochen Spengler |
    Jochen Spengler: Es war einer der größten Manipulationsskandale der Fußball-Bundesliga. Sechs Fußballspieler hat er als DFB-Schiedsrichter manipuliert, damit die Drahtzieher Wettgewinne einstreichen konnten. Bestechungsgeld hat er dafür bekommen. Zwei Jahre und fünf Monate lautete das Urteil. Und doch könnten Robert Hoyzer und die anderen fünf Angeklagten möglicherweise straffrei bleiben, denn der Fußball-Wettskandal um den Ex-Schiedsrichter hat gestern in der Revisionsverhandlung vor dem Bundesgerichtshof in Leipzig eine überraschende Wende genommen: Der Bundesanwalt, nicht etwa der Verteidiger, der Bundesanwalt plädierte auf Freispruch. Das sei zwar alles eine Gaunerei, was Hoyzer sich da geleistet habe, aber im juristischen Sinne kein strafbarer Betrug, dafür fehle die Rechtsgrundlage.

    Am Telefon ist Rainer Holzschuh, Chefredakteur des Fußballmagazins "Kicker". Herr Holzschuh, guten Morgen!

    Rainer Holzschuh: Einen schönen guten Morgen!

    Spengler: Das was sich da andeutet - das Urteil wird am 15. Dezember erwartet -, könnte das ein verheerendes Signal für den Fußball werden, insofern dann ja gilt, wer Fußball manipuliert, macht sich eben nicht strafbar in Deutschland?

    Holzschuh: Ja, nicht nur Fußballspiele in Deutschland, sondern überhaupt, wer manipuliert, macht sich nicht strafbar, habe ich das Gefühl. Ich bin natürlich juristischer Laie, kann mich dazu nicht äußern und werde mit großem Interesse verfolgen, was die Richter dann am 15. Dezember sagen. Aber mir sträuben sich in der Tat die Nackenhaare, wenn ich höre, dass jemand bewusst täuschen will, und bewusst ja auch getäuscht hat, und dann frei davon kommt, weil irgendwo juristisch eine kleine Klausel, ein kleiner Haken ist, der ihn dann da frei davonziehen lässt.

    Spengler: Haben Sie auch gedacht, dass in Deutschland eigentlich alles geregelt ist?

    Holzschuh: Eigentlich ja, wir sind ja nun das Volk derer, die bis in die kleinsten Paragrafen, die kleinsten Verästelungen hinein, gerne alles regeln. Wenn ich oft sehe mit welchen Wortgewalten dann irgendwelche Gesetze verabschiedet werden, ja, dann hätte ich eigentlich gedacht, es wäre wirklich alles hundertprozentig klar. Aber selbst in diesem Fall, wie gesagt, juristisch kann ich mich dazu nicht äußern, aber vom normalen Menschenverstand her muss ich doch sagen, wer betrügt - und das ist ein Betrug, wenn ich Spiele manipuliere, das ist ein Betrug, wenn ich irgendwie ein Komplott aufziehe, für meinen Begriff -, dann muss ich in den Knast und wenn ich dafür in den Knast komme, dann habe ich damit gesühnt. Und wenn ich nicht in den Knast komme, dann ist es ein Freibrief für alle weiteren.

    Spengler: Sagen wir einmal, es gäbe diesen Freibrief, dann müssten also doch neue staatliche Regeln her, oder?

    Holzschuh: Unbedingt, also das muss ich wirklich sagen. Natürlich wird das BGH dann so urteilen, wie es die Gesetzeslage befielt. Aber dann muss dringend etwas her, damit so etwas nicht mehr passiert, damit nicht nur im Fußball, sondern generell auch da wieder diese Lücke geschlossen ist.

    Spengler: Herr Holzschuh, lassen Sie uns einmal darauf kommen, was der DFB bislang gemacht hat. Er hat ja Hoyzer lebenslang als Schiedsrichter gesperrt. Das ist eine richtige Konsequenz?

    Holzschuh: Ja, ich glaube, dass der DFB in diesem Fall nicht nur konsequent gehandelt hat, sondern sehr schnell auch gehandelt hat. Es war ja damals quasi das Meisterstück des Präsidenten, des Teilpräsidenten Dr. Zwanziger, der sich dessen angenommen hat und wirklich mit Verve dran gegangen ist und dann wirklich auch ganz schnell diese Sache so weit aufgeklärt hat, wie es der DFB überhaupt nur mit seinen Mitteln aufklären konnte. Und dass dann die Justiz hinterher hergegangen ist und dann auch, nach unserem Verständnis, das richtig behandelt hat, das war irgendwie ein Folgeschluss. Und insofern waren wir alle zufrieden damit.

    Spengler: Könnte, müsste der DFB noch mehr tun? Müsste er zum Beispiel zivilrechtlich vorgehen - ich glaube auf diesen Weg hat ja der Bundesanwalt gestern hingewiesen -, also Schadensersatz fordern von den Angeklagten?

    Holzschuh: Ich weiß nicht, ob er das überhaupt kann, wenn Hoyzer freigesprochen wird und Sapina freigesprochen wird, dann besteht ja überhaupt keine Möglichkeit für zivilrechtliche Klage. Wenn es eine Chance gibt, kann ich mir gut vorstellen, dass Zwanziger, der ja wirklich ein cleverer Mann ist, dann auch sofort da hinterher geht.

    Spengler: Ich widerspreche Ihnen, ich glaube, da gibt es trotzdem eine Chance auf zivilrechtliche Klage, aber das müssen wir dann einmal der Zukunft überantworten. Welche Konsequenzen sollte denn der DFB weiter ziehen aus, möglicherweise, einem Freispruch?

    Holzschuh: Das große Problem ist ja auch für den DFB, dass man auf der einen Seite durch Sportwetten, durch Oddset zum Beispiel, auch durch Lotto, Geld generiert und auf der einen Seite Sportwetten braucht. Auf der anderen Seite ist natürlich die Gefahr, auch gerade durch das Internet, auch durch weltweites Anbieten von Internet, dass weiterhin manipuliert wird, sehr groß. Und wir wissen alle, dass in vielen Ländern, gerade im fernen Osten, dass es sich zu einer Art Volkssport entwickelt hat. Es gibt ja gerade in der chinesischen Liga Situationen, wo uns Spieler versichert haben, europäische Spieler, die dort gespielt haben, dass sie mit Situationen konfrontiert worden sind, dass die eigenen Mitspieler plötzlich den Ball versucht haben ins eigene Tor zu schießen, nur um eine Wette entsprechend ausgehen zu lassen. Und das sind keine Einzelfälle, wir haben selbst in Europa ja Situationen gehabt, siehe Italien, wo sehr stark manipuliert worden ist. Also wo Geld hinkommt, egal ob es nun im Fußball oder in anderen Situationen ist, ist der Hang zur Manipulation natürlich sehr, sehr groß.

    Spengler: Ja. Kann man da Ihrer Ansicht nach überhaupt wirksame Bremsen einziehen?

    Holzschuh: Ich weiß nicht, was der Gesetzgeber alles auf der Pfanne hat. Ich würde mir es wünschen, ich würde mir wirklich wünschen, dass auf der einen Seite eine normale Spielmöglichkeit besteht, weil: Es ist ja nun ein Hobby von vielen Millionen und Abermillionen Menschen, aber nur im normalen Rahmen. Wenn man es begrenzt, wenn man die Summen begrenzt, und das ist ja bei Oddset schon geschehen und bei anderen ja auch schon geschehen - ich möchte ja nicht nur jetzt Oddset hervorheben, sondern es gibt ja auch genug vernünftige andere Spielanbieter -, dann ist das für meinen Begriff etwas ganz Normales. Aber durch diese Internetmöglichkeiten ist das ja auch schon wieder ausgehebelt.

    Spengler: Und was bleibt einem dann? Also nur die genaue Beobachtung von Spielen, und wenn einem Ergebnisse merkwürdig vorkommen, wenn einem Schiedsrichterverhalten merkwürdig vorkommt, dann nachprüfen?

    Holzschuh: Ja, das auf alle Fälle. Und da hat ja auch schon der DFB, hat auch die UEFA schon etwas vorgeschaltet, indem sie eine Agentur beauftragt haben, da grundsätzlich jeden Wetter, jeden Tipp der abgegeben wird, sehr genau zu untersuchen, und ein Alarmsystem gegeben. Wenn da kleine Ausschläge sind, auch nur kleine Ausschläge in irgendeiner komisch anmutenden Situation, dann wird sofort dem nachgegangen. Und was sonst noch bleibt, mir würde bleiben, wenn wirklich ein Freispruch geschehen würde, das Unverständnis und vor allen Dingen wirklich ein Zorn darüber, dass jemand davongekommen wäre, der echt manipuliert hat.

    Spengler: Dankeschön, das war Rainer Holzschuh, Chefredakteur des Fußballmagazins "Kicker".