Sonntag, 12. Mai 2024

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"Journalisten haben es sehr schwer derzeit in Birma"

Laut Elke Schäfter von der Organisation "Reporter ohne Grenzen" war das Regime in Birma zu Beginn der Proteste überrascht von den Verbreitungsmöglichkeiten über Handys und über das Internet. Man hätte geradezu mitverfolgen können, "wie das Militär verstärkt genau diesen Informationsfluss gestört und gestoppt" habe. Etliche Journalisten seien derzeit verschwunden. "Reporter ohne Grenzen" vermutet, dass sie verhaftet worden seien, sagte Schäfter.

Moderation: Christian Schütte | 05.10.2007
    Christian Schütte: Die Bilder demonstrierender Mönche und Bürger in Birma sind um die Welt gegangen, als einige Tage später die Militärführung damit begann, die Proteste gewaltsam auflösen zu lassen, ebbte auch die Bilderflut ab. Internetverbindungen wurden gesperrt, ausländische Journalisten schafften es kaum noch, ins Land einzureisen, über die derzeitige Situation in Birma dringt wenig nach draußen. Auch für die Organisation "Reporter ohne Grenzen" ist es schwierig, an Informationen zu kommen. Die Geschäftsführerin Elke Schäfter ist mit uns verbunden, guten Morgen, Frau Schäfter.

    Elke Schäfter: Guten Morgen, Herr Schütte.

    Schütte: Mehr als 2.000 Menschen seien festgenommen worden, das hat die Militärführung in Birma gestern angegeben. Wie zuverlässig schätzen Sie diese und andere Angaben ein, die vom birmanischen Staatsfernsehen verbreitet wurden?

    Schäfter: Ja, das ist im Augenblick sehr schwierig zu überprüfen, Journalisten haben es sehr schwer derzeit in Birma, auch Informationen, die über staatliches Fernsehen laufen, wirklich zu checken. Insofern können wir das jetzt nur hinnehmen, dass es über 2.000 sind, es deckt sich allerdings auch mit Hinweisen, die Menschenrechtsorganisationen, birmesische Menschenrechtsorganisationen, auch gegeben haben, schon Ende letzter Woche, dass es weit über 1.000 waren.

    Schütte: Wie stark stehen einheimische Journalisten unter dem Druck der Militärführung?

    Schäfter: Sie stehen absolut unter Druck. In Birma waren schon vor den Aufständen oder Protesten die Medien komplett zensiert. Zeitungen mussten mehrfach ihre Berichte vorlegen, mussten zum Teil ihre Blätter ganz neu gestalten und tatsächlich sind die Militärs geradezu paranoid, was Andeutungen anbelangt, die eventuell einen Hinweis auf Unstimmigkeiten oder Themen geben könnten, die die Militärs nicht gerne in den Medien sehen wollen. Und derzeit ist es wohl auch so, dass die Militärs sich bemühen, Propagandaartikel in den Medien zu verbreiten. Die privaten Medien derzeit kommen gar nicht mehr heraus, das ist schon seit Ende vergangener Woche so, und die anderen Medien werden absolut zensiert und die Journalisten sind natürlich deshalb auch sehr, sehr vorsichtig.

    Schütte: Welchen Zugang haben Sie als Organisation "Reporter ohne Grenzen" zu Informationsquellen in Birma?

    Schäfter: Ja, wir haben derzeit noch Kontakt zu unseren Personen oder Journalisten vor Ort, wir können das über die Telefonverbindung, über die ganz normale, machen, jedoch erfahren wir da natürlich auch nur sehr begrenzt etwas, weil diese Telefonverbindungen abgehört werden und dessen sind wir uns auch sehr bewusst. Deshalb bemühen wir uns von beiden Seiten, unsere Kontakte nicht in Gefahr zu bringen. Wir sind aber über Festnetztelefone noch verbunden und erfahren doch das eine oder andere, beispielsweise, dass Journalisten auch verschwunden sind und wir deren Verbleib nicht kennen und ähnliche Dinge.

    Schütte: Welchen Gefahren sind Sie ausgesetzt, Sie haben es eben gerade angedeutet?

    Schäfter: Ja, es ist ja bekannt, dass das Militär sich auch auf die Suche nach Journalisten macht, missliebige Journalisten werden auch im staatlichen Fernsehen beschimpft als Volksschädlinge oder Saboteure. Wie gesagt, es sind auch birmesische Journalisten verschwunden, deren Verbleib kennen wir nicht, wir könnten uns aber vorstellen, dass sie verhaftet wurden, und es war auch schon während der Proteste so, dass Leute - Journalisten, aber auch die sogenannten Bürgerreporter -, die gefilmt haben, damit rechnen mussten, dass sie von den Soldaten festgehalten, festgenommen werden oder auch attackiert werden und das setzt sich jetzt fort. Die Militärs nutzen auch die Bilder, die sie selbst auch zum Teil gemacht haben, um eben auch Journalisten und auch die Protestierenden herauszufiltern, gezielt zu suchen, systematisch zu verhaften und jetzt auch die Bilder, die beispielsweise ins Web gestellt wurden - die uns ja auch zur Berichterstattung gedient haben, die uns Informationen vermittelt haben, wie es eigentlich vor Ort aussieht -, nutzen jetzt auch die Militärs wiederum, um Demonstranten zu identifizieren und festzunehmen.

    Schütte: Das heißt, was der Protestbewegung anfangs nutzte, nämlich, dass die Weltöffentlichkeit aufmerksam wurde, das wird ihr jetzt zum Verhängnis?

    Schäfter: Es wird zumindest genutzt, "zum Verhängnis" würde ich nicht sagen, denn wir haben das ja gesehen, wenn wir beispielsweise mit den 1988er-Aufständen oder Protesten vergleichen, da kam fast nichts hier in den Medien an. Diesmal gab es eine breite Berichterstattung über Birma, und die darf unserer Meinung nach jetzt nicht nachlassen, denn dann würde erst die Rechnung der Militärs aufgehen, die sie angestrebt haben mit der Nachrichtenblockade, genau das zu verhindern. Keine Bilder kommen mehr raus, also lässt die Berichterstattung nach, nimmt ab und irgendwann redet niemand mehr über Birma, aber dort geht die Verfolgung weiter. Und deshalb muss die Weltöffentlichkeit und muss der internationale Druck aufrecht erhalten werden und es muss weiter berichtet werden, auch wenn es sehr schwierig ist.

    Schütte: Nun sind noch einige wenige ausländische Journalisten im Land. Haben die denn Möglichkeiten, mit Betroffenen zu sprechen, oder sind die so sehr verschreckt, dass sie ihre Erfahrungen gar nicht mehr offen legen möchten?

    Schäfter: Man erfährt schon das eine oder andere, es gibt ja auch dort einen Club der ausländischen Korrespondenten, die sich auch immer wieder zu Wort melden. Ganz unterbinden kann das Militär natürlich Informationen nicht, und die Korrespondenten, beispielsweise von AFP oder Reuters haben auch berichtet, dass sie eben bei ihrer Berichterstattung auch tätlichen Übergriffen ausgesetzt waren von Seiten der Militärs. Also, diese Information bekommen wir schon auch noch, aber generell gilt: Ja, die Korrespondenten sind auch vorsichtig, und gerade was die Übermittlung der Informationen jetzt über die Telefone anbelangt, das ist natürlich sehr schwierig, und, wie gesagt, da muss man halt auch ein bisschen zwischen den Zeilen lesen.

    Schütte: Sie haben die Telefone angesprochen. Was ist mit dem Internet, das vorübergehend gesperrt gewesen ist, ist dieser Informationskanal nach wie vor zu?

    Schäfter: Das Internet funktioniert wieder, wir testen das auch täglich, denn es ändert sich auch täglich, aber derzeit funktioniert es wieder, aber es ist sehr verlangsamt. Also, es ist sehr schwierig, größere Datenmengen über das Internet herauszubringen, und wir gehen davon aus, dass die Militärs tatsächlich versuchen, auch den E-Mail-Verkehr, der auch zum Teil funktioniert, komplett zu kontrollieren und im Prinzip auch die Internetseiten und das, was hochgeladen wird, zu kontrollieren, was natürlich ein umfangreiches Unterfangen ist, aber tatsächlich sieht es im Augenblick so aus.

    Schütte: Ist die Militärführung zu Beginn der Proteste überrascht worden von den Verbreitungsmöglichkeiten über Handys und über das Internet?

    Schäfter: Ja, das sieht so aus, wenn man sich anschaut, wie die Reaktionen verlaufen sind sozusagen. Mehr als eine gute Woche gab es sehr, sehr viele Bilder, sehr viele Informationen, wenn man die Web-Blogs sich angeschaut hat. Wenn man die birmesischen Nachrichtenseiten angeschaut hat im Internet, gab es sehr viele Informationen und man kann sozusagen mitverfolgen, wie das Militär verstärkt genau diesen Informationsfluss gestört und gestoppt hat und am Ende wirklich gestoppt hat. Also, insofern: Damit haben sie scheinbar nicht so ganz gerechnet, haben es aber auch zügig dann unterbunden, als natürlich auch über die internationalen Sender, die ja auch in Myanmar zu empfangen sind, Nachrichten und Bilder zu sehen waren, wie die Proteste niedergeschlagen wurden und wie viele überhaupt protestiert haben und was die Mönche gemacht haben.

    Schütte: Elke Schäfter, Geschäftsführerin bei "Reporter ohne Grenzen". Vielen Dank für das Gespräch!