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Journalisten im Exil in Leipzig
Verfolgt in Europa

Bedroht, verfolgt, geflohen: Mitten in Europa müssen Journalisten wegen kritischer Berichterstattung ihre Heimat verlassen. Das Europäische Zentrum für Presse- und Medienfreiheit bietet ihnen in Leipzig Zuflucht und Unterstützung an - und will Aufmerksamkeit für ihre Fälle schaffen.

Von Carina Fron | 27.02.2018
    Das Logo mit dem Text der Organsisation European Centre for Press an Media Freedom (Europäischen Zentrum für Presse- und Medienfreiheit - ECPMF), aufgenommen am 24.06.2015 in Leipzig (Sachsen).
    Das Europäische Zentrum für Presse- und Medienfreiheit wurde 2015 mit dem Ziel gegründet, Aktivitäten verschiedener Medienfreiheitsinitiativen zu koordinieren (dpa / Peter Endig)
    Jeden Tag ein neuer Fall, ein anderes Land, ein anderer persönliche Geschichte. Doch alle verfolgten Journalisten verbindet eins:
    "Dass sie halt ganz konkret am eigenen Leib unmittelbare Auswirkungen erfahren haben, was es bedeutet, die Wahrheit zu berichten und Dinge nicht unter den Tisch zu kehren", erklärt Christian Schult vom Europäischen Zentrum für Presse- und Medienfreiheit.
    Die Organisation bietet seit 2015 bedrohten Journalisten aus Europa Unterstützung - ausgerechnet in Leipzig.
    Wohnung und Stipendium für bis zu fünf Journalisten
    "Ich denke bei vielen Leipzigern ist auch die Erinnerung an die Zeit der Veränderung 1989/90 noch ganz präsent und damals ist ja auch die Forderung nach freien Medien, freier Presse, freier Meinungsäußerung eine ganz zentrale Forderung gewesen ist."
    Aufmerksamkeit für Ungerechtigkeiten schaffen, Anwälte bereitstellen und vorübergehend eine sichere Unterkunft bieten, das können Schult und seine Kollegen leisten.
    In Leipzig bekommen bis zu fünf Journalisten neben einer Wohnung ein monatliches Stipendium, können ihre Arbeit im geschützten Raum fortsetzen und sich mit internationalen Kollegen vernetzen.
    Flucht aus Aserbaidschan
    Die Aserbaidschanerin Leyla Mustafayeva ist eine der Journalistinnen im Exil. Ihr Mann Afgan Mukhtarli sitzt seit neun Monaten in Aserbaidschan im Gefängnis.
    "Sie haben beschlossen, dass er Mundtot gemacht werden muss. Sie haben sich mit der Regierung in Georgien geeinigt."
    Sie - damit meint Leyla Mustafayeva die Regierung in ihrer Heimat Aserbaidschan. Dort hat die Journalistin bis 2014 noch mit ihrer kleinen Familie gelebt. Doch dann sei die unabhängige Presse im Land zerbrochen und sie mussten nach Georgien fliehen. Eine Tatsache, die die Regierung in Aserbaidschan nicht hinnehmen wollte.
    "Er wurde illegal ausgeliefert. Er wurde 100 Meter von unserem Zuhause geschnappt. Mitten am Tag. Er wurde geschlagen, misshandelt."
    Die Regierung habe erst versucht ihren Mann zu schmieren, dann sei er massiv wegen seiner Berichte über Korruption im Verteidigungsministerium bedroht worden. Besonders schwierig ist das für ihre vierjährige Tochter.
    "Als ich eines Abends nach Hause kam, rannte sie zu mir und sagte: 'Mama, weißt du, dass die Polizei meinen Vater festgenommen hat?' Ich war so geschockt. Ich wusste nicht, was ich ihr sagen sollte. Ich sagte ihr es sei ein Witz."
    Meist Übergriffe und Drohungen
    Bis heute weiß Leyla Mustafayeva nicht, wie sie mit ihrer Tochter über die Ereignisse sprechen soll. Immer wenn die Kleine in der Kita ist oder schläft, kämpft Mustafayeva um ihren Mann - hält Kontakt mit befreundeten Journalisten, telefoniert mit Organisationen, schreibt der Regierung.
    Genauso wichtig ist es für sie, weiter über die Missstände in Aserbaidschan zu berichten. Doch das kann sie nur in einem für sie und ihre Tochter sicherem Land.
    "Es hat sich gezeigt, dass es keinen Ort gibt, wo es kein Problem gibt. Meistens haben wir es mit Übergriffen und Drohungen gegen Journalisten zu tun. Wir haben aber auch die Ermordung von Journalisten erlebt, zum Beispiel von Daphne Caruana Galzia."
    Harlem Désir von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, kurz OSZE, kümmert sich um die Einhaltung der Pressefreiheit in Europa - zu der sich die Mitgliedstaaten bei Eintritt eigentlich verpflichtet haben. Die OSZE kann bei Missachtung keine ernsthaften Strafen verhängen.
    Deshalb ist es für Leyla Mustafayeva und andere verfolgte Journalisten um so wichtiger, dass das Europäische Zentrum für Presse- und Medienfreiheit in Leipzig zumindest ein wenig Schutz zurückgeben kann. Auch wenn für Mustafayeva das Programm im April endet. Wohin es als nächstes geht, möchte sie zur ihrer eigenen Sicherheit nicht sagen.