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Journalistischer Nachwuchs
Volontariat in Corona-Zeiten

Jedes Jahr hoffen tausende Bewerberinnen und Bewerber auf ein journalistisches Volontariat - bei Zeitungen, im Hörfunk oder Fernsehen. Doch viele der Auswahlverfahren wurden in diesem Jahr Corona-bedingt ausgesetzt oder finden per Videoschalte statt.

Von Anh Tran | 11.06.2020
Eine Illustration zeigt eine Sprechblase zwischen einem Kameramann und einer Journalistin mit Mikrofon.
Tausende angehende Journalisten durchlaufen jedes Jahr ihr Volontariat (imago / Ikon Images)
Julia Barthel will Journalistin werden. Nach fünf Jahren Studium und diversen Stationen beim Campusradio und bei öffentlich-rechtlichen Sendern hatte sie eigentlich jetzt den Berufseinstieg geplant: "Im Idealfall hätte ich Anfang des Jahres noch so ein bisschen frei gearbeitet, dann von April bis Juli das Praktikum bei Netzpolitik.org gemacht und dann ab August das Volontariat."
Hätte – aber dann kam Corona und Julia Barthel musste umplanen. Ihr Praktikum absolviert sie gerade von Zuhause in Osnabrück, die Redaktion sitzt in Berlin. Das funktioniere aber problemlos, sagt sie.
Ein Jahr Ungewissheit
Anders sieht es mit ihrer Bewerbung für ein Volontariat beim Norddeutschen Rundfunk aus. Nach Wissenstest und Probe-Reportage schaffte sie es zwar in die letzte Runde. Doch vier Tage vor dem letzten Gespräch wurde das Auswahlverfahren auf nächstes Jahr verschoben: "Das war im ersten Moment ziemlich heftig zu wissen: Ok, jetzt weißt du mehr als ein Jahr nicht, wie es weitergeht. Man weiß überhaupt nicht, ob man überhaupt dieses Volontariat machen darf."
29.11.2019, Hamburg: Ein Multimedia-Volontär macht Videoaufnahmen während einer Pressekonferenz.
ZDF-Volontariat - Nachwuchswerbung mit Pusteblume
Mit einem TV-Spot wirbt das ZDF offensiv um Nachwuchs für die Redaktionen. Einen Rückgang der Bewerberzahlen sehe man aber nicht, sagte die Volontariatsleiterin des Senders im Dlf - im Gegenteil.
Diana Dlugosch, Leiterin der Volontärsausbildung erklärt, warum sich der NDR so entschieden hat: "Aufgrund von technischen Gegebenheiten hätte es ja durchaus auch so kommen können, dass jemand beispielsweise schlechte Verbindung gehabt hätte und dann wäre es schon schwierig gewesen zu sagen: Ok, sind das dann noch gleiche Chancen oder nicht? Deswegen haben wir gesagt, wir stellen nicht auf Videoschalten um, sondern wir haben das Verfahren ausgesetzt."
"Praxisanteil wäre nicht gesichert"
Außerdem komme erschwerend hinzu, dass bis jetzt nicht abzusehen sei, ob ein guter Ausbildungsstart dieses Jahr noch gewährleistet werden könne, sagt Diane Dlugosch weiter.
"Das heißt, wir hätten gar nicht sicher stellen können, dass die 18, die beginnen im August, überhaupt irgendeine Art von Veranstaltung 'Einführung in den NDR' usw., dass sie das hätten bekommen können. Auch der Praxisanteil wäre nicht gesichert gewesen, weil Redaktionen nicht komplett wieder in den Alltag gekehrt sind."
Für die aktuellen Jahrgänge strukturiert Dlugosch mit ihrem Team den Ausbildungsplan komplett um: "Das heißt Inhalte, die wir nicht machen konnten digital, werden wir nachholen, andere Inhalte, die jetzt gerade aktuell nicht so relevant sind, werden wir verschieben."
Chaträume und Videokonferenzen werden genutzt
Derzeit ist für viele Journalist*innen auch in anderen Medien Ausbildung in Heimarbeit angesagt. Marie Ludwig und Maren Könemann, Journalistenschülerinnen der "Rheinischen Post" in Düsseldorf, haben sich ihr Büro in der Küche zwischen Geschirr und blauem Vintage-Büffet eingerichtet.
Die "Rheinische Post" entschied sich bereits Mitte März dafür, alle Nachwuchskräfte ins Homeoffice zu schicken, erzählt Könemann: "Ich selbst war überrascht, wie schnell da reagiert wurde auf die Corona-Krise. Das ging ganz rasch, dass alle ins Homeoffice konnten und dann hatten wir in regelmäßigen Abständen Mails bekommen, wie es weitergeht mit der Corona-Krise und was für Maßnahmen angesetzt werden."
Zwei Frauen betrachten am 26.01.2017 in Suhl ( Thueringen ) die App " insuedthueringen " auf einem Tablet und die Printausgabe der Tageszeitung " Freies Wort".
Zukunft des Zeitungsvolontariats - Bewerbermangel bei Lokalblättern
Ein Volontariat ist häufig der berufliche Einstieg in den Journalismus. Doch bei Tageszeitungen dauert die redaktionelle Ausbildung inzwischen bis zu drei Jahre, weil Verlage immer mehr crossmediale Inhalte unterbringen möchten.
Damit die Arbeit von Zuhause möglichst reibungslos abläuft, musste der Verlag die Infrastruktur anpassen. Kommuniziert wird über Chaträume und Videokonferenzen und: Wer keinen Laptop hat, kann über das Unternehmen ein Arbeitsgerät leihen.
Reportagen vor Ort fallen aus
Die "Rheinische Post" berichtet in ganz NRW – von Kleve bis Köln – dementsprechend gehört eigentlich zur Ausbildung dazu, im ganzen Berichtsgebiet zu recherchieren.
"Es ist natürlich für manche Journalistenschüler schwierig, denn nicht alle leben in Düsseldorf und wenn man da in eine Station wechselt, die wirklich weit weg ist und man aber eigentlich Zuhause sein soll, das ist natürlich schwierig. Da kann man auch nicht mal eben sagen: Wir haben hier Not am Mann, kannst du rausfahren?", sagt Maren Könemann.
Reportagen vor Ort fallen deswegen gerade komplett weg. Dafür konnten die beiden Zuhause ein großes Social-Media-Projekt konzipieren. Über Gruppenchats stehen sie außerdem mit der Ausbildungsleitung und anderen Jahrgängen in Kontakt, um Erfahrungen auszutauschen und Probleme zu lösen, wenn es mal hakt.
Jobben und Warten
Julia Barthel muss sich noch gedulden. Im nächsten Jahr ist sie – wie alle anderen Bewerber*innen aus der Endrunde – nochmal beim NDR eingeladen. Bis dahin bleibt sie erstmal an der Uni eingeschrieben und arbeitet weiter als Freie. Sie will sich nicht beschweren.
Andere habe es da härter getroffen, erzählt Julia: Eine Mitbewerberin jobbe bis zum Bewerbungsgespräch im nächsten Jahr erstmal an der Tanke.