Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

JU-Vorsitzender Kuban
"Meinungsfreiheit nie infrage stellen"

In der Debatte um Meinungsfreiheit im Netz, die Annegret Kramp-Karrenbauer auslöste, hat sich der Vorsitzende der Jungen Union, Tilman Kuban, hinter die CDU-Vorsitzende gestellt. Die CDU wolle die Meinungsfreiheit nicht beschränken, Kramp-Karrenbauer sei falsch interpretiert worden, sagte Kuban im Dlf.

Tilman Kuban im Gespräch mit Sarah Zerback | 28.05.2019
Tilman Kuban, Bundesvorsitzender der Jungen Union (JU) bei einer CDU-Wahlkampfveranstaltung zur Europawahl
Tilman Kuban, Bundesvorsitzender der Jungen Union (JU) bei einer CDU-Wahlkampfveranstaltung zur Europawahl (dpa / Christophe Gateau)
Sarah Zerback: "Historische Pleite der Volksparteien" – die Überschrift liest man nun auch nicht zum ersten Mal. Aktuell steht sie über vielen Kommentaren zu den Europawahlen. Nur die Analyse der Ursachen ist neu. Mehr Ehrgeiz beim Klimaschutz, das wäre es wohl gewesen. Das zeigen die Umfragen. Da ist es wohl kein Zufall, dass die Bundesumweltministerin gestern angekündigt hat, beim umstrittenen Klimaschutzgesetz jetzt in die Offensive zu gehen.
Am Telefon mitgehört hat Tilman Kuban. Er ist seit März Vorsitzender der Jungen Union. Guten Morgen, Herr Kuban!
Tilman Kuban: Guten Morgen, Frau Zerback.
Zerback: Jetzt haben wir gerade gehört, mehr Tempo beim Klimaschutz. Das klingt ja, als ob die SPD aus dem Wahlergebnis vom Sonntag gelernt hat. Die CDU noch nicht?
Kuban: Man muss sich die Frage stellen, mit welchem Stil Frau Schulze gerade agiert. Ein Gesetz vorzulegen, ohne eine Abstimmung mit dem Kanzleramt zu haben, das ist nicht die Art und Weise des Umgangs, wie wir in der Großen Koalition zusammenarbeiten.
"Müssen darüber reden, wie wir CO2 senken können"
Zerback: Sie sagt, sie wartet seit Februar, Herr Kuban.
Kuban: Und man muss vor allem die Frage stellen, was steht denn in dem Gesetz drin. Natürlich geht es darum, zu sagen, wir brauchen nicht nur einen CO2-Preis, sondern wir brauchen vor allem eine Senkung. Wir müssen doch nicht die ganze Zeit darüber reden, welchen Preis, welche Höhe oder wie auch immer wir was nehmen, sondern wir müssen darüber reden, wie wir CO2 senken können. Und wenn dann dort drinsteht, dass die Fachressorts am Ende Maßnahmen liefern müssen, dann scheint mir das so, dass Frau Schulze selbst eigentlich keine Ideen hat, wie man CO2 reduzieren kann in Deutschland, sondern sie will es einfach nur abschieben an die anderen Ressorts, die sollen dann mal machen, und das kann nicht unser Anspruch sein, wie wir Klimaschutz betreiben wollen.
Zerback: Umgekehrt wäre es Ihnen ja auch nicht recht – und das hat die CDU ja auch geäußert -, wenn Frau Schulze das über Ihren Kopf hinweg entschieden hätte. Also wurde gesagt, der Ball liegt jetzt in Ihrem Spielfeld, der Entwurf seit Februar im Kanzleramt. Wo bleiben denn die Vorschläge, was im Verkehr, in Industrie und Landwirtschaft konkret gemacht werden soll? Das sind ja alles CDU-Ressorts.
Kuban: Das ist ja genau der Punkt, dass Frau Schulze auch in diesem Bereich überhaupt gar keine Vorschläge liefert, sondern wir müssen darüber sprechen, wir werden auch darüber sprechen, weil das Thema ein Thema ist, was alle in Deutschland, alle in dieser Welt betrifft. Wir können das Klima allerdings auch in Deutschland nicht alleine retten, sondern wir brauchen am Ende europäische Lösungen, wir brauchen am Ende dann auch weltweite Lösungen, weil das Thema Klimaschutz nicht etwas ist, was 80 Millionen Deutsche alleine regeln können.
"Haben wir Thema Klimaschutz aus den Augen verloren?"
Zerback: Das würden sicherlich viele unterschreiben, Herr Kuban. Aber irgendwo muss die Politik ja anfangen, vor allen Dingen die Bundesregierung. Deswegen sprechen ja wir mit Ihnen als Vertreter auch der CDU. Da haben wir jetzt am Sonntag gelernt: Nur noch 14 Prozent der Wählerinnen und Wähler in Deutschland trauen am ehesten der CDU zu, gute Klimaschutzpolitik zu machen. Das sagt Infratest Dimap. Können Sie sich das nicht erklären?
Kuban: Wir können damit nicht zufrieden sein, weil wir auch in den letzten Jahren zu wenig verkauft haben, dass wir das Thema Klimaschutz auf der Agenda haben. Wir hatten lange Zeit auch die Kanzlerin als Klimakanzlerin. Da wurden der CDU auch höhere Werte in diesem Bereich zugeschrieben. Das hat sich in den letzten Jahren verändert und wir müssen selbstkritisch herangehen und uns auch die Frage stellen, ob wir vielleicht das Thema etwas aus den Augen verloren haben.
Zerback: Vielleicht hätte es ja auch geholfen, wenn Sie die Sorgen und Nöte der Menschen auch ernster genommen hätten und zum Beispiel Fridays for Future nicht immer wieder für Schule schwänzen kritisiert hätten, sondern da inhaltlich mal auf die Forderungen eingegangen wären.
Kuban: Sicherlich geht es darum, dass wir junge Menschen ernst nehmen, die protestieren – sei es bei der Frage um die Upload-Filter, um Artikel 13, jetzt 17, aber sei es auch um Fridays for Future oder auch letzte Woche das Video. Da hat die CDU nicht gezeigt, dass man die Demonstranten und diejenigen, die sich dort engagieren in der jungen Generation, ernst genommen hat. Da hätte ich mir mehr inhaltliche Kontroverse als Diffamierung gewünscht.
Zerback: Erst gab es da gar keine Reaktion, dann gab es ein elfseitiges PDF-Dokument. Jetzt hat sich die Geschichte noch mal weitergedreht, nachdem auch Ihre Partei darüber diskutiert, wie erreichen wir junge Menschen. Sie sagen gerade, das war bisher nicht zufriedenstellend. Hätten Sie denn gedacht, dass es Ihre Parteivorsitzende da sogar noch schlimmer machen kann?
Kuban: Sie meinen gestern die Aussagen, wie man mit 70 Journalisten umgeht, vermute ich. Aber sie hat das ja gestern Abend noch mal richtiggestellt. Von daher sollten wir da jetzt nicht das Ganze zu groß aufziehen.
"Thema Freiheit nie in Frage stellen"
Zerback: Ich wollte mal gucken, ob Sie wissen, worauf ich hinaus will. Sie haben das schon auch als kritischen Punkt wahrgenommen. Wir hatten das vor etwa einer Stunde mit unserer Hauptstadtkorrespondentin im Gespräch. Da ging es um Gedankenspiele über Meinungsmache - da zitiere ich jetzt Annegret Kramp-Karrenbauer -, wo man sich mal sehr offensiv darüber unterhalten müsse, welche Regeln da so im digitalen Raum gelten, in Anspielung auf dieses Video der YouTuber, über das geredet wird. Steht Ihrer Partei das jetzt wirklich gut an, da auch noch eine Debatte über Meinungsfreiheit im Netz anzustoßen?
Kuban: Es gibt die Meinungsfreiheit in Deutschland. Auch wenn sich 70 Journalisten oder 70 Zeitungen hinstellen würden, gäbe es keine rechtliche Handhabe dagegen, und das ist auch gut so, weil es am Ende eine Meinungsfreiheit in Deutschland, eine Pressefreiheit in Deutschland gibt. Genauso gilt die auch im Netz und das wird auch in Zukunft so sein. Für die CDU ist das Thema unserer Freiheit und unserer Werte eins der Kernthemen. Deswegen werde ich das nie in Frage stellen und ich bin mir sehr sicher, dass auch Annegret Kramp-Karrenbauer das nicht tut, sondern da falsch interpretiert worden ist.
Zerback: Aber gesagt hat sie es so. Interpretiert – ja, das kann man natürlich im Nachhinein immer ganz gut zurückziehen. Da nehmen Sie sie jetzt in Schutz. Das kann sich ja jeder selber anhören, der daran Interesse hat. – Jetzt muss man ja sagen, Annegret Kramp-Karrenbauer und Markus Söder, die haben das auch vorher beide als deutschlandweiten ersten Stimmungstest gesehen, die Europawahlen, und auch ihre Partei. Muss man jetzt sagen, nach den Ergebnissen vom Sonntag, die sind beide durchgefallen?
Kuban: Sie müssen schon differenzieren zwischen den Ergebnissen bei der CDU und bei der CSU. Die CSU hat 40 Prozent bekommen und ist als Wahlsieger vom Platz gegangen und hat sicherlich in den größeren Städten auch verloren und dort auch die Grünen als stärkste Kraft, aber insbesondere auch im ländlichen Raum den ersten Stimmungstest definitiv bestanden. Das ist für Markus Söder ein großer Erfolg.
Wir als CDU können damit nicht zufrieden sein, unser Ergebnis, was wir bekommen haben, und werden deswegen das Ganze am nächsten Wochenende in der Klausurtagung aufarbeiten, warum auch vielleicht andere die Themen gesetzt haben, wir auf diese Themen erstens keine Antworten hatten und wir zweitens keine Antworten oder keine Themen unsererseits gesetzt haben.
"Einige sollten erst mal vor der eigenen Haustür kehren"
Zerback: Da sagt die CDU-Spitze ja, oh, da müssen wir mit dem Finger mal auf die Junge Union zeigen, die haben da deutlich Fehler gemacht. Ziehen Sie sich den Schuh an?
Kuban: Das habe ich ja gestern schon gesagt, dass ich es für völlig falsch halte, wenn man jetzt 100.000 JU-Mitgliedern, die auf der Straße gewesen sind, Wahlkampf gemacht haben und dafür geworben haben, für unser Europa und auch für ein gutes CDU-Ergebnis, wenn man denen jetzt die Schuld zuschiebt. Da sollten einige erst mal vor der eigenen Haustür kehren. Ich bin deswegen sehr froh, dass Annegret Kramp-Karrenbauer gestern in der Pressekonferenz das Ganze noch mal richtiggestellt hat.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.