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Jüttner legt Lafontaine Austritt aus der SPD nahe

Klaus Remme: Am Telefon mitgehört hat Wolfgang Jüttner, der SPD-Chef in Niedersachsen. Tag, Herr Jüttner.

Moderation: Klaus Remme |
    Wolfgang Jüttner: Guten Tag, Herr Remme.

    Remme: Herr Jüttner, die Parteiführung eingeschwenkt auf einen Kampf mit Lafontaine, schwenken Sie mit?

    Jüttner: Ich habe keine Veranlassung das zu kritisieren, was aus Berlin als Ansage kommt. Das, was Herr Lafontaine im Spiegel heute erklärt, ist nicht neu, Der Sommer macht es, dass es wieder ein bisschen wichtiger genommen wird. Und die Grenzlinie für die SPD ist da, wo Herr Benneter sie gezogen hat, Meinungsfreiheit ja, die kann auch hart in der Sache sein, wer eine gegnerische Organisation unterstützt, hat sich automatisch aus der SPD verabschiedet. Das war immer so und würde auch bei einem früheren Vorsitzende keine Ausnahme gemacht haben.

    Remme: Das scheint Franz Müntefering ganz anders zu sehen. Er hat gesagt, Oskar Lafontaine ist weggelaufen, er hat das Spielfeld verlassen, mit diesem Interview ist er wieder auf dem Spielfeld. Sehen Sie das anders?

    Jüttner: Er ist weggelaufen in der Tat, die Sekundärtugenden von Herrn Lafontaine sind in der SPD nicht sonderlich gelitten. Seit 1999 sind vor allem diejenigen, die vorher ihm nahe gestanden haben, auf deutliche Distanz gegangen. Ich schließe mich ausdrücklich ein. Von daher mag das sein, dass er glaubt, auf das Spielfeld zurückzukehren, aber er wird wenig Mitspieler finden bei dieser Veranstaltung.

    Remme: Gehört Oskar Lafontaine noch in die SPD?

    Jüttner: Das ist nicht eine Frage, die mich interessiert. Mit dem, was er da am Wochenende erklärt hat, macht er es vor allem dem Spitzenkandidaten der SPD im Saarland noch etwas schwerer, das finde ich wirklich eigentlich das Schlimmste an dieser Geschichte. Ob er in der SPD Mitglied ist oder nicht, ist eher zweitrangig. Bedeutend ist er nicht, er hat seine Meinungsführerschaft, seine Führungsqualität im März 1999 abgegeben. Er kann Sie woanders suchen, das ist sein Ding, aber in der SPD mit Sicherheit nicht.

    Remme: Wenn Sie sagen zweitrangig, darf ich das so interpretieren, dass Sie auf ihn verzichten können?

    Jüttner: Er spielt für mich und für diejenigen, mit denen ich Politik in der SPD zusammen mache seit 1999 keine Rolle. Von daher ändert sich auch mit diesem Wochenende daran überhaupt nichts.

    Remme: Herr Jüttner, wir haben gehört über die Montagsdemonstrationen und den wachsenden Widerstand gegen Hartz IV vor allem im Osten Deutschlands. Sie sind nun Vorsitzender eines Landesverbandes, der bereits erfahren musste, wie gnadenlos die Wähler reagieren, wenn man die Wähler allzu lange ignoriert. In Hannover wurde die SPD abgewählt. Befindet sich die Partei in einer Art Schreckstarre oder warum handelt sie nicht?

    Jüttner: Ich glaube, dass die SPD als Regierungspartei in Deutschland handeln musste, sie musste Anpassungen vornehmen. Es ist nicht alles optimal gelaufen, da wollen wir uns nichts vormachen. Was mich am meisten bedrückt im Moment, ist, dass die diejenigen, die vor einem Jahr im Vermittlungsverfahren beim Thema Freigrenzen für drastisch recht schlechtere Lösungen gesorgt haben aus Sicht der Menschen, nun auf Distanz gehen und sich plötzlich als sozialpolitische Helden gerieren. Das finde ich schon grotesk bei dieser Geschichte. Ich glaube, Reformen waren notwendig, man hätte darüber diskutieren können, was wir auch wollten, ausweislich des Bundestagsbeschlusses, die Freigrenzen anders zu setzen, die Zumutbarkeitsregelungen anders zusetzen. Aber ich will mal darauf hinweisen, dass Hunderttausende von Menschen gerade auch in Ostdeutschland sich besser stellen werden nach dieser Hartz IV- Regelung ab ersten Januar nächsten Jahres. Das heißt also, ein Großteil der Verunsicherung wird erledigt sein, wenn die Menschen merken, dass es sich positiv auswirkt. Dass ein paar Problemstellungen drinstecken in dem Gesetzespaket, das will ich nicht verhehlen. Und hier könnten in Berlin relativ schnell auch Dinge glatt gezogen werden. Das gilt insbesondere für die Tatsache, dass im Januar kein Geld ausgezahlt wird, ich glaube, hier ist Handlungsbedarf, ich habe aber auch den Eindruck, dass das in absehbarer Zeit geregelt ist.

    Remme: Jetzt formiert sich organisierter Parteiwiderstand von links, nimmt die Partei und nehmen Sie die Möglichkeiten linker Parteialternativen ernst genug?

    Jüttner: Ich nehme Sie ernst genug, weil ich davon ausgehe, dass es kurzfristig bedeuten kann, dass einige wenige%e der Stimmen abhanden kommen und das kann bei einem knappen Wahlausgang 2006 natürlich negative Folgen haben. Übrigens die politische Situation für die sozial Schwächeren würde dann dramatisch schärfer, ich meine, inzwischen liegen die Konzepte der CSU/CSU ja auf dem Tisch. Die Vorstellungen von Wahlforschern, hier würde über 15 bis 20 Prozent des Wählerpotentials gesprochen, die teile ich nicht. Ich bin wissenschaftlich ausgebildet genug, um zu wissen, dass das absolut irreal ist. Und wenn Sie sich die innere Situation der Wahlalternative ansehen, dann wird doch schon erkennbar, dass die durch nichts zusammengehalten wird, als durch die Kritik an der SPD und ihre gestalterische Kompetenz relativ gering ist.

    Remme: Das war Wolfgang Jüttner, der SPD-Landesvorsitzende in Niedersachsen. Vielen Dank, Herr Jüttner.