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Jugend und Medienkritik
YouTube - Nachrichten vom guten Freund

Über Politik informieren sich junge Menschen heute längst nicht mehr ausschließlich über klassische Medien wie die Tageszeitung oder die Tagesschau, sondern auch bei YouTube. Wie kritisch sie solche Videos aufnehmen, untersucht jetzt ein Forschungsprojekt der Universität Köln.

Von Stefan Fries | 20.08.2018
    Das Logo des Video-Portals YouTube wird auf dem Display eines Smartphones angezeigt. Im Hintergrund ist auf einem Bildschirm die YouTube Homepage zu sehen.
    YouTube - Logo (picture-alliance / dpa / Monika Skolimowska)
    AlexiBexi: "Haben Sie ein Lieblings-Emoji?"
    Merkel: "Smiley. Wenn’s gut kommt, noch ein kleines Herzchen dran."
    Das YouTube-Interview mit CDU-Chefin Angela Merkel im Bundestagswahlkampf 2017 hat viel Kritik auf sich gezogen - auch wegen Fragen wie dieser von YouTuber AlexiBexi. Er und seine drei Kollegen seien zu unkritisch gewesen, Merkel habe leichtes Spiel gehabt. Kritik, die auch Mirko Drotschmann zu hören bekam, der einer der vier Interviewer war.
    "Wir waren dort, wo sich die jungen Menschen bewegen, eben bei YouTube. Und wenn die da eh schon unterwegs sind und sich ein paar Let’s Plays angucken oder Schminkvideos, um mal bei den Klischees zu bleiben, und sich zwischendurch noch ein Merkel-Interview anschauen, dann ist das gut. Die schauen jetzt nicht unbedingt das Sommerinterview in ARD oder ZDF an oder schauen bei Phoenix rein, sondern die sind eben bei YouTube unterwegs. Und da erreicht man sie dann besser."
    YouTube-Videos zu politischen Themen – beliebte Informationsquelle
    Merkel und auch ihr Herausforderer Schulz hatten erkannt, dass sie über YouTube eine interessierte Zielgruppe erreichen können. Laut einer Umfrage unter Teenagern für die Jugendmedienstudie 2017 schauten sich im vorigen Jahr jeder dritte Junge und jedes vierte Mädchen mehrmals pro Woche Videos von YouTubern zu aktuellen Nachrichten an.
    Mirko Drotschmann bietet als MrWissen2Go vor allem journalistisch gestaltete Videos an wie dieses vom April 2018.
    "Es geht um einen Konflikt zwischen Israelis und dem Staat Israel auf der einen Seite und Palästinensern auf der anderen Seite. (...) Worum es dabei genau geht und was der Kern des Nahost-Konflikt ist, darum geht’s jetzt."
    In anderen Videos legt Drotschmann ausdrücklich seine Meinung auch zu politischen Themen dar - so wie es auch Rayk Anders für "Funk" macht, das "junge Angebot von ARD und ZDF im Netz".
    Anders: "Der Mann, der dieses Mal den triumphalen Erfolg für die CSU holen soll, ist der einzige, der unvergleichliche, der unglaubliche Super-Söder. Jawohl. CSU-Lichtgestalt und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder."
    YouTuber vermitteln in erster Linie ihre Meinung
    Wie kritisch die Zuschauer mit diesen Videos umgehen, will jetzt ein Forschungsprojekt der Universität Köln herausfinden. Dazu hat Kai Hugger, Professor für Medienpädagogik und Mediendidaktik, schon einige Gruppeninterviews mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen geführt. Darin zeigte sich bereits eine erste Tendenz.
    "Wenn es um Meinungsorientierung geht, dann ist das auf jeden Fall auf der Seite der YouTuber angesiedelt, weil sie eben in erster Linie ihre Meinung vermitteln. Und auf der anderen Seite sagen sie das genaue Gegenteil: Also objektive Berichterstattung, Meinungspluralismus findet sich in den Massenmedien wieder."
    "YouTuber müssen authentisch sein"
    Das sei nur bedingt medienkritisch, sagt Hugger, denn auch ein Tagesschau-Film ist nicht zwangsläufig objektiv und YouTuber könnten auch Faktenwissen vermitteln. Tatsächlich legt jedoch die persönliche Erzählweise in solchen Videos nahe, dass ein YouTuber eher Meinung als Nachricht vermittelt – auch deshalb:
    "YouTuber müssen authentisch sein, wenn sie glaubwürdig sein sollen. Das ist eben das Wichtige für die Jugendlichen. Und gleichzeitig ist es so, dass für die Jugendlichen aber auch relevant ist - immer die Frage: Was ist möglicherweise doch inszeniert? Wenn er so wirkt wie der Freund von nebenan, der mir irgendwie was erzählt, dann ist er für mich glaubwürdig. Aber gleichzeitig gibt es natürlich auch Zweifel: Meint er das wirklich ernst?"
    Die persönliche Beziehung zum Protagonisten hält auch YouTuber Mirko Drotschmann für ein besonders wichtiges Element für den Erfolg solcher Videos. Wen man zu kennen glaubt, dem nehme man eher ab, was er sage. So gehe es ihm selbst auch.
    "Ich merk das immer wieder, dass mir Leute sagen: Ey, das ist toll, dass ich dir schreiben kann und du antwortest. Wenn ich die Tagesschau sehe, dann ist da ein Moderator, und zudem hab ich überhaupt keinen Bezug. Und der redet auch noch eine andere Sprache, und er liest vom Teleprompter ab, also andere Sprache im Sinne von: er redet nicht umgangssprachlich. Und ich glaube, dass daher eine ganz besondere Beziehung zustande kommt."
    "Häufig viel zu oberflächlich"
    Eine Beziehung, die möglicherweise auch Auswirkungen auf die Medienkritikfähigkeit haben kann, die Kai Hugger und seine Kollegen an der Universität Köln jetzt näher untersuchen wollen. Denn es ist eine Sache, ein Problem überhaupt als solches zu sehen, aber eine andere, es auch auf sich selbst beziehen zu können. Also zum Beispiel aus den Problemen mit Datenschutz bei Facebook aus die Schlussfolgerung zu ziehen, sich dort anders zu verhalten.
    "Und da stellen wir eben fest, dass eben die Jugendlichen häufig viel zu oberflächlich sich beschäftigen mit solchen Fragen und da eigentlich noch mehr Medienkritikfähigkeit ausgebildet werden muss."