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Jules Verne des Buchhandels
"Jede gute Buchhandlung braucht Herz und Seele"

"In China müssen Autoren aus Taiwan unter einem Pseudonym veröffentlichen, um in den Buchmarkt zu gelangen", sagte Torsten Woyood im Dlf. Auf seiner Reise "in 80 Buchhandlungen um die Welt" war er in Seouls Bücherstadt, in einem ehemaligen Theater in Argentinien und einer Baumhaus-Buchhandlung in Brasilien.

Torsten Woywod im Corsogespräch mit Susanne Luerweg |
    El Ateneo - eine der bekanntesten Buchhandlungen in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires.
    El Ateneo - eine der bekanntesten Buchhandlungen in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires. (Torsten Woywod)
    Susanne Luerweg: Ein einziges Buch ziert das Schaufenster einer Buchhandlung in Tokio, in Brasilien ranken sich Bäume um die literarischen Werke und in Seoul gibt es eine ganze Bücherstadt, in Thailand sind Bücher Luxusgüter, in Australien werden Liebesbeziehungen nicht per Internetpartnervermittlung, sondern mit Hilfe von Blind Date Books vermittelt. Und all diese interessanten Dinge stehen - natürlich - in einem Buch. Geschrieben hat es Torsten Woywood, seines Zeichens Buchhändler und der ist ganz im Jules-Verneschen Sinne in 80 Buchhandlungen um die Welt gereist. Und jetzt ist er hier zu Gast bei uns. Schönen guten Tag.
    Torsten Woywod: Guten Tag. Ich freue mich sehr.
    Luerweg: Herr Woywod, Sie haben offensichtlich Ihren Traumberuf gefunden, von dem Sie selbst im Urlaub gar keine Pause brauchen. Denn andere, die liegen im Urlaub am Strand, und Sie, Sie suchen Ihren Arbeitsplatz in anderen Ländern auf.
    Woywod: Ganz genau, ja. Ich bin inzwischen seit 15 Jahren Buchhändler. Die Leidenschaft für Buchhandlung ist allerdings schon ein bisschen älter. Und eigentlich war es schon immer so, dass ich mich drauf verlassen konnte. Egal , wo ich war, die nächstgelegene Buchhandlung hat mich relativ zuverlässig angezogen und zu einer kleinen Entdeckungstour eingeladen. Und, ja, daraus hat sich nicht nur dieser Beruf entwickelt, sondern eben auch die Leidenschaft, in Buchhandlungen zu reisen, überall wo ich bin die Buchhandlung kennenzulernen. Und irgendwann hat sich hat daraus tatsächlich dieses Reiseprojekt entwickelt, dass ich Buchhandlungen um die ganze Welt reise und die Buchhandelswelt in all ihren Facetten kennenlerne.
    "Eine Bibliothek wurde wegen Harry Potter Raubkopien geschlossen"
    Luerweg: Die Buchhandlungen, die spiegeln ja auch ein bisschen die Situation des Landes wieder. Das heißt, Buchhandlungen können durchaus politische, subversive Orte sein, denn, wer liest, der denkt und könnte im Zweifelsfall auch gefährlich werden, beispielsweise in Ländern wie China. Wie liest man denn da? Oder wie sehen die Buchhandlungen aus?
    Woywod: Grundverschieden tatsächlich. Also vor allem in China war ich in verschiedenen Städten, von Peking angefangen bis in den Westen. Und es gibt einerseits ganz kleine Buchhandlungen, ganz besondere Buchhandlungen und es gibt aber auch riesige Paläste, die- ja - Mönchen quasi gewidmet sind. Ich habe allerdings jetzt im Nachgang gelesen, dass tatsächlich eine Bibliothek, die ich ursprünglich auch ganz weit draußen auf dem Land besuchen wollte, geschlossen wurde, weil dort unvollständig raubkopierte Bücher von Harry Potter unter anderem, die gar nicht in China existieren dürften, vertrieben wurden.
    Die Buchhandlung "The Bookworm" in Peking.
    Die Buchhandlung "The Bookworm" in Peking. (Torsten Woywod)
    Luerweg: Kommen wir noch mal auf dieses politische, subversive zurück. Was war das sonst für ein Ort, für ein Gefühl in solchen Ländern?
    Woywod: Tatsächlich muss ich gestehen, dass ich gar nicht allzu viel davon mitbekommen habe. Also ich habe tatsächlich im Vorfeld Bedenken gehabt, China aufzusuchen, weil man halt, also man muss, alleine schon, um das Visum zu erlangen, wirklich minutiös auflisten, wo man wann ist, wo man wann übernachtet. Man hat im Internet sehr viele indexierte Seiten, kann auf Facebook nicht zugreifen, kann auf Google nicht zugreifen. Und das Land selbst ist mir allerdings sehr, sehr offen und freundlich begegnet. Ich habe allerdings dann doch auch solche Geschichten gehört, wie zum Beispiel China - Taiwan, da gibt es ja auch diesen offenkundigen Konflikt, dass Autoren aus Taiwan teilweise unter einem Pseudonym veröffentlichen müssen, um auch in China in den Buchmarkt zu gelangen. Also solche Spezialfälle gibt es da tatsächlich.
    Über die Tradition der Lesung
    Luerweg: Und in Thailand sind Sie auch von der Tagespolitik überrascht worden.
    Woywod: Ja. Ich war in Bangkok und wollte eigentlich nächsten Morgen, nach drei Tagen Aufenthalt in Bangkok, nach Hua Hin weiterreisen, in den Süden. Und genau zu dieser Zeit ereigneten sich dort dann diese Bombenanschläge, die an verschiedenen - vor allem Urlaubsorte - in Thailand stattgefunden haben. Da war man sich insgesamt unsicher, am nächsten Morgen gab es noch eine zweite Welle mit Anschlägen und dadurch habe ich dann kurzfristig meine Reisepläne geändert und bin dann nach Kambodscha weitergeflogen, weil es einfache eine sehr, sehr undurchsichtige Situation war.
    Wir haben noch länger mit Torsten Woywod gesprochen - hören Sie hier die Langfassung des Corsogesprächs
    Luerweg: In Nordamerika haben Sie in einer Buchhandlung an einer Lesung von Jonathan Safran Foer teilgenommen. Das ist hier fast inzwischen ungewöhnlich geworden in Deutschland, also es ist ja eher so, dass die großen Leseevents, dass 'Lies mir vor und ich komme gerne', also dieses kleine, feine, intime Vorlesen findet nur noch selten statt. Ist dass anderswo auf der Welt anders?
    Woywod: Tatsächlich, ja. Es wird auch zum Teil ganz anders aufgezogen. Also bei dieser Lesung ist es so - durfte ich dort lernen - dass direkt Tickets mit Buch verkauft werden. Also man kauft ein Buch und erhält vergünstigt noch ein Ticket, was aber gleichzeitig für zwei Personen gilt. Das wird in Paketen angeboten, aber auch gleichzeitig ganz besonders inszeniert dort. Also es war in einer riesigen Kapelle und wahnsinnig schön. Das hat dort tatsächlich Tradition.
    "Es gibt keine hundertprozentige Geheimformel für eine gute Buchhandlung"
    Luerweg: Und hier ist es ja inzwischen so, man hat das Gefühl, es gibt Buchhandlungen, aber es wird ganz schön viel Quatsch drum herum verkauft in den Buchhandlungen, ganz schön viel Merchandising. Ist das im Rest der Welt auch so?
    Woywod: Zum Teil schon, zum Teil weniger. Also zum Teil war ich wirklich überrascht, dass, beispielsweise in dieser ganz, ganz bekannten Buchhandlung in Argentinien - El Ateneo, die als eine der schönsten Buchhandlungen der Welt gilt, und zwar berechtigt als eine solche gilt - dort hatte ich eingeplant, Souvenirs zu kaufen und die Buchhandlung selbst war von meinem Wunsch überrascht, weil sie wirklich Bücher verkauft und auch klassische CDs verkauft. Aber alles, was drumherum stattfindet - Taschen, Postkarten, Poster - daran hat man eigentlich noch gar nicht gedacht und das ist dort auch nicht üblich.
    Torsten Woywod, Autor des Buches "In 80 Buchhandlungen um die Welt".
    Torsten Woywod, Autor des Buches "In 80 Buchhandlungen um die Welt". (Torsten Woywod)
    Luerweg: Abschließend gefragt: In Amerika, da haben Sie einen ehemaligen Lehrer kennengelernt, der inzwischen ein erfolgreicher Buchhändler ist. Der hat Sie gebeten, nach der Reise mal zu sagen, was braucht es denn für eine gute Buchhandlung. Was braucht es?
    Woywod: Diese hundertprozentige Geheimformel, die kann man gar nicht unbedingt umreißen. Also ich glaube, jede gute Buchhandlung braucht auf jeden Fall Herz und Seele. Die geht vom Buchhändler aus, die geht über das Sortiment. Und dann gibt es natürlich noch solche Spezialfaktoren wie eben, ja, das Gebäude, die Architektur, die manchmal auch eine ganz besondere ist und eine ganz besondere Geschichte erzählt. Und dieser Mix ergibt dann eben die Buchhandlung in der Summe.
    Luerweg: Torsten Woywod, Autor des Buches "In 80 Buchhandlungen um die Welt". Herr Woywod, vielen Dank für das Gespräch.
    Woywod: Ich danke sehr.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
    Torsten Woywod: "In 80 Buchhandlungen um die Welt"
    Eden Books, Berlin 2017. 256 Seiten, 19,95 Euro.