Samstag, 20. April 2024

Archiv

Kommentar zum Nagelsmann-Aus
Als Trainer an seiner Selbstüberschätzung gescheitert

Der sportliche Erfolg von Julian Nagelsmann beim FC Bayern war überschaubar, und auch einige seiner gefällten Entscheidungen sorgten für Unruhe. Am Ende hat der Trainer die an ihn gesteckten Erwartungen nicht eingelöst, meint Tobias Oelmaier.

Ein Kommentar von Tobias Oelmaier | 25.03.2023
Der entlassene Cheftrainer vom FC Bayern München, Julian Nagelsmann
Julian Nagelmann ist wegen zu vieler falscher Entscheidungen beim FC Bayern gescheitert, kommentiert Tobias Oelmaier. (dpa / picture alliance / Revierfoto)
Vor zwei Jahren scheint alles so schön, so perfekt zu sein. Nach dem Abschied von Hansi Flick holt der FC Bayern Julian Nagelsmann -  das größte Trainer-Versprechen des deutschen Fußballs , vielleicht sogar eines der größten im Weltfußball.
Was hat der Klub das  damals 33-jährige Wunderkind umworben: 25 Millionen Euro Ablöse an RB Leipzig, Fünfjahresvertrag, nach Medienberichten dotiert mit acht Millionen Euro pro Jahr, dazu der Plan, mit ihm langfristig etwas aufzubauen. Nagelsmann beißt an.

Sah Nagelsmann die Risiken bei den Bayern nicht?

Zu früh, wie sich jetzt herausstellt. Vielleicht hatte er es damals verpasst, sich die Situation in München genauer anzusehen. Da war ein Verein, der kurz zuvor unter Flick sechs Titel in nur einem Jahr gewonnen hatte. Die sportliche Messlatte lag also hoch.
Dazu ein Verein im Umbruch: Alaba, Boateng und Martinez vor dem Weggang, Müller, Neuer und Lewandowski schon in ihren Dreißigern.
Oliver Kahn hatte sich als Vorstandsboss noch nicht etabliert, Hasan Salihamidzic war als Sportvorstand umstritten. Und aus dem Hintergrund schoss und schießt Uli Hoeneß.

Der sportliche Erfolg war mager

Aber Nagelsmann konnte nicht widerstehen. Klar – er ist praktisch die Verkörperung des Mia-San-Mia, des Bayern-Selbstbewusstseins. Nur steht das in seiner kurzen Zeit in München in einem Missverhältnis zu den sportlichen Erfolgen.
Nur ein wichtiger Titel – die Meisterschaft – im ersten Jahr. Ansonsten das Pokaldebakel gegen Mönchengladbach und das frühe Aus in der Champions League gegen Villareal. Sei´s drum. Die Zusammenarbeit war ja auf Langfristigkeit angelegt.
Und Nagelsmanns Hybris scheint unerschütterlich. Aber auch in dieser Saison schwanken die Leistungen, die Bayern fallen auf Platz 2 zurück.

Entscheidungen sorgten für Unruhe

Und Nagelsmann eröffnet Nebenkriegsschauplätze: Er trennt sich von Torwart-Trainer und Manuel-Neuer-Intimus Toni Tapalovic. Er verzichtet häufig auf Führungsspieler Thomas Müller. Er pöbelt nach einer Niederlage – wieder gegen Mönchengladbach - gegen den Schiedsrichter.
Dazu kommen oft verwirrende Taktik-Änderungen. Mal Dreier-, Vierer- oder Fünferkette -  was zu brillanten Auftritten führt – viel zu oft aber auch zu peinlichen Pleiten.
Wer dann so jung ist wie manch seiner Spieler, wer selbst kaum Titel gewonnen hat, weder als Profi noch als Trainer, der verliert schnell an Autorität in der Kabine – aber auch an Rückendeckung durch den Vorstand.

Verein wollte sich Thomas Tuchel nicht entgehen lassen

Und jetzt, nach dem 1:2 im letzten Bundesligaspiel in Leverkusen, und dem Freiraum durch die Länderspielpause, war offenbar Zeit zum Handeln. Vor allem, weil sich die Chance geboten hat, Thomas Tuchel zu holen. Eine Chance, die sich die Bayern nicht entgehen lassen wollten.
Tuchel ist ein unbequemer Typ, der aus seinen bisherigen Beschäftigungsverhältnissen oft im Unfrieden geschieden ist. Dortmund, Paris, Chelsea. Was Tuchel aber mitbringt sind Erfahrung, Erfolge, Renommee und Akribie. Volle Konzentration auf den Fußball.
Während sich Julian Nagelsmann oftmals selbst als Gesamtkunstwerk, als Star geriert hat. Und so das Trainerversprechen nicht eingelöst hat, sondern an Selbstüberschätzung gescheitert ist.